Foto: dpa

Ein Zeichen setzen statt nur zu jammern – das hat sich die katholische Kirchengemeinde in Marbach vorgenommen.

Marbach - Frauen nehmen in der katholischen Kirche einen wichtigen Platz ein – nur der Altar bleibt ihnen bislang verwehrt. Das Gefühl der Ohnmacht wollen sie und viele andere in einem besonderen Gottesdienst symbolisch zum Tisch des Herrn bringen.

„Ohne Frauen würde in unserer Kirche wenig bis gar nichts funktionieren, vom Blumendienst über die Musik bis hin zu den Mesnerinnen“, sagt der katholische Pfarrer Stefan Spitznagel, der den Gottesdienst am Sonntag aber nicht leiten wird. Fünf Frauen aus der Region Stuttgart aus dem Arbeitskreis „Für eine Kirche im Wandel“, dem auch Spitznagel angehört, wollen mit dem besonderen Gottesdienst aufrütteln und zum Nachdenken anregen. Nach den vielen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche in all den Jahren sei ein Neuanfang nötig. „Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden für die Missstände in der katholischen Kirche verantwortlich gemacht, dabei sind viele selbst auch Opfer“, sagt Stefan Spitznagel. Nicht nur der sexuelle Missbrauch, vor allem der geistige und körperliche Machtmissbrauch sei ein schlimmes Thema. „Wir sehen erst die Spitze des Eisberges.“

Man wolle aber nicht jammern, betont der Seelsorger, sondern ein Zeichen setzen für einen Aufbruch, für einen Wandel in der katholischen Kirche, der von unten komme. „Wir wollen besser werden“, ist das Motto vieler, die aber noch nicht genügend gehört und gesehen werden.

Widerstand gegen die Aktion gibt es auch: Am Muttertag sahen manche geistliche Amtskollegen die „Mutter Kirche“ in Gefahr, haben Spitznagel und seine Mitstreiterinnen festgestellt. Daher habe er „zur besten Sende- beziehungsweise Gottesdienstzeit“ am Sonntagmorgen das Marbacher Gotteshaus für die überregionale Aktion zur Verfügung gestellt. „Ich werde nur als Gastgeber die Gemeinde begrüßen, und an dem Gottesdienst, der ausschließlich von Frauen geleitet wird, in Zivil teilnehmen.“

Den Wandel in der katholischen Kirche und das Gefühl der Ohnmacht wollen die Verantwortlichen vor den Altar bringen und dabei auch ganz bewusst den Platz am Tisch des Herrn einnehmen, der sonst nach katholischer Tradition nur den geweihten Priestern vorbehalten ist. Gleichzeitig hat die Initiative Maria 2.0 die Frauen für Sonntag zum Kirchenstreik aufgerufen. „Wir verbinden das, bei uns bleiben die Frauen aber nicht vor der Türe, sondern sie erobern die Kirche.“

Mit weißen Leintüchern solidarisiert man sich mit dem Kirchenstreik, die als Zeichen des Leidens einerseits zerrissen, aber auch von den Kindern in der parallel zum Gottesdienst stattfindenden Kinderkirche mit Ideen zur „Kirche der Zukunft“ farbig und bunt gestaltet werden. Anschließend an den Gottesdienst wird es auf dem Kirchplatz oder im Saal ein spontanes Büfett geben. „Wenn viele was mitbringen, werden alle satt“, freut sich Spitznagel auf viele anregende Gespräche und das gemeinsame Mahl.