Der Stuttgarter Psalter stammt noch aus karolingischer Zeit. Foto: Verein

Bei Mitgliederversammlung gab es einen Vortrag zu einer wertvollen Handschrift.

- Marbach
Volles Haus bei der Mitgliederversammlung des Vereins zur Erhaltung der Alexanderkirche! War es die Neugier auf die in Marbach aufgewachsene Referentin des Abends, Dr. Vera Trost von der Württembergischen Landesbibliothek, oder auf den von Melanie Schwesing-Rager gestalteten Entwurf der Glasvitrine zur künftigen Präsentation der noch verbliebenen mittelalterlichen Glasmalereien aus der Alexanderkirche, oder war es einfach das Interesse und Zugehörigkeitsgefühl am Vereinsgeschehen, das an diesem Abend so eindrucksvoll gezeigt wurde.

Zu Beginn hatte Erster Vorsitzender Herbert Pötzsch die zahlreichen Mitglieder und Freunde herzlich begrüßt. Ein besonderer Gruß galt Ehrenvorsitzendem Dr. Helmut Sorg, Dekan im Ruhestand Otto Ziegler und Pfarrer Dr. Wolfgang Gramer sowie dem treuen, nunmehr im 99. Lebensjahr stehenden Mitglied Ruth Schmidt. Nach den Regularien erfolgte die Wahl von Jochen Biesinger von der katholischen Kirchengemeinde zur Heiligen Familie in das Vorstandsteam als Nachfolger des allzu früh verstorbenen Dr. Peter Halfter.

Die Ausführungen zu den mittelalterlichen Glasfenstern von der Glasmalerin und Restauratorin Melanie Schwesing-Rager aus dem Stuttgarter Glasatelier Valentin Saile korrespondierten ideal mit dem Vortrag von Dr. Vera Trost unter dem Thema „Kupfergrün, Zinnober & Co. – Der Stuttgarter Psalter“ (Buchherstellung im Mittelalter am Beispiel des Stuttgarter Psalters von 810) mit vielen spannenden Details. Der Stuttgarter Psalter ist die bilderreichste Handschrift aus karolingischer Zeit. Sie wurde um 830 in Paris von zwei Schreibern geschrieben und mit 116 Miniaturen ausgestattet. Mittel aus einer Stiftung ermöglichten die Konservierung und Digitalisierung der wohl wertvollsten Handschrift aus dem frühen Mittelalter.

Die Leitung des Projekts und der Ausstellung in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart hatte Vera Trost. Ein internationales Team von Kunsthistorikern, Naturwissenschaftlern und Restauratoren erforschte und dokumentierte die Materialien und Techniken, welche die Schreiber und Maler im Psalter angewandt hatten. Die Identifizierung der Farben erfolgte mit Hilfe von Traktaten aus dem frühen und hohen Mittelalter, in denen die Herstellung des Pergaments, der Tinten und Farben so genau beschrieben werden, dass sie noch heute nachvollzogen werden können. Naturwissenschaftliche Methoden bestätigten die Befunde. Die Zuhörer im Saal staunten über das Wissen im frühen Mittelalter über Farben, ihre Grundbausteine und Zusammensetzungen und deren chemische Reaktionen. Vera Trost beschäftigt sich seit ihrem Studium mit der Technologie der Malmittel in mittelalterlichen Handschriften. Sie interpretierte die „Rezepte“, die sie zum Teil am heimischen Herd ausgeführt hatte. So benötigte sie zum Beispiel Rinderhörner für die Herstellung von Tintenhörnchen, im Rohzustand von einer Metzgerei in Marbach bezogen, oder Dornen für rotbraune Dornentinte aus den Schlehenhecken rund um Marbach oder einen Misthaufen, in dessen konstanter Wärme Kupfergrün oder Bleiweiß gewonnen werden konnten. Zinnober konnte aus einem Mineral pulverisiert oder chemisch aus Schwefel und Quecksilber hergestellt werden. Die Maler des Stuttgarter Psalters verwendeten auch pflanzliche Farbmittel wie Indigo, Waid, Folium oder Flechten. Es sei frappierend, meinte sie, wie man die Substanzen auch heute noch nachbauen beziehungsweise mischen kann und wie viel schöner und weicher die so natürlich hergestellten Farben wirken.

Mit anhaltendem Beifall dankten die Zuhörer für den faszinierenden Einblick in die vielseitige und internationale Gewinnung von Farbmitteln im Mittelalter.