Am Neckar wird eventuell ein weiteres Kraftwerk gebaut. Foto: Archiv (ARTIS/Uli Deck)

Gemeinderat macht Weg für den Bau einer Anlage zur Sicherung der Netzstabilität frei.

Marbach - Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Perspektivisch sollen Windkraft und Co. bei der Stromversorgung die altbekannten Energieträger ablösen. Doch bis zur kompletten Wende ist es noch ein steiniger Weg. Und der Bau der dafür benötigten Stromtrassen in den Süden kommt nur schleppend voran. Um aber weiter die Netzstabilität aufrechterhalten zu können, braucht es neue Kraftwerke auf der Basis von herkömmlichen Technologien, auf die im Notfall zurückgegriffen werden kann. Eine dieser Anlagen soll nach dem Willen der EnBW in Marbach entstehen. Ob das Unternehmen den Zuschlag erhält, wird sich Ende Mai entscheiden. Am Gemeinderat der Schillerstadt wird es jedenfalls nicht scheitern. Das Gremium gab am Donnerstag mehrheitlich grünes Licht für das Vorhaben – allerdings erst nach einer kontroversen Diskussion.

Einigen Mitglieder der Runde stieß sauer auf, dass das mögliche neue Kraftwerk am Neckar mit Öl betrieben werden soll. Für Hendrik Lüdke von Puls ein Unding. „Das ist Anachronismus pur“, ereiferte er sich. „Das Kraftwerk hätte bei Volllast einen Bedarf von 70 Tonnen pro Stunde. Da sollen also 70 000 Kilogramm Heizöl in einer Stunde verbrannt werden. Wahnsinn. Das entspricht 220 000 Kilogramm CO2“, rechnete er vor. Lieber wäre ihm gewesen, man hätte auf Gas gesetzt, weil das für eine bessere Umweltbilanz gesorgt hätte. Doch Heizöl verspreche einen größeren Profit.

Gegenwind gab es auch von Hans Martin Gündner von der SPD. Er erinnerte ebenfalls daran, dass bei einem Gaskraftwerk weniger CO2 in die Luft geblasen würde. Vor allem aber missfiel ihn, dass man überhaupt eine solche Anlage braucht. „Die Not ist zum größten Teil selbst gemacht. Mit einem beherzteren Einstieg in die regenerative Energiebereitstellung und klaren politischen Konzepten wäre ein Notkraftwerk wohl nicht nötig gewesen“, sagte er.

Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern schätzte die Sachlage anders ein. „Wir leben in der Realität. Wer den Atomausstieg möchte, und den möchten wir Freien Wähler, der muss dafür sorgen, dass in einem Industrieland wie Deutschland immer und zu jeder Zeit genügend Strom zur Verfügung steht und die Netze stabil sind“, sagte er. Gas habe zwar Vorteile. Wenn davon aber im Zweifelsfall nicht genügend bereitstehe, nütze dieser Energieträger nichts – weshalb er wie der Rest seiner Fraktion für das Ölkraftwerk stimmte.

Damit konnte auch Sebastian Engelmann von den Grünen leben. Die EnBW hätte bei einer Bewerbung mit einem Gaskraftwerk keine Chance gehabt, weil das teurer gewesen wäre, betonte er. „Wir Grünen sind mit dem Betriebsmittel Leichtöl auch nicht glücklich, allerdings wird die Gasversorgung in den nächsten Jahren angespannt sein“, sagte er. Davon abgesehen, brauche man die Anlage nur für den Übergang bis zum Abschluss der Energiewende. „Die Mehrheit der SPD stellt sich der Wirklichkeit. Das ist notwendig“, pflichtete Jürgen Schmiedel bei.

„Wo soll denn in Baden-Württemberg das Äquivalent von 70 Tonnen pro Stunde in Form von Gas herkommen? Diese Kapazität gibt es nirgends“, brach zudem Eberhard Ruoff von der CDU eine Lanze für ein Ölkraftwerk.

Angesichts dieser Stimmungslage war es dann keine Überraschung mehr, dass der Rat bei zwei Gegenstimmen von Puls und den Enthaltungen von Barbara Eßlinger (Grüne) und Gündner dafür votierte, das Projekt zu unterstützen und mit der EnBW über den Verkauf eines entsprechenden Areals im Industriegebiet zu verhandeln.