Die Querflöte fügt sich ein ins Bläserensemble, das bei jeder Probe mit vollem Einsatz dabei ist. Foto: Michael Raubold Photographie

Was es bedeutet, Teil einer Bläserklasse zu sein, zeigt sich auch im Selbstverständnis der Schüler und Lehrer.

Marbach - Es ist unverkennbar der Sound von „Smoke on the Water“, der im großen Musiksaal des Friedrich-Schiller-Gymnasiums so bezwingend Raum greift. Die dunklen, satten Stimmen von Posaune und Euphonium bestimmen hier den bassbetonten Einstieg in den beliebten Rocktitel von Deep Purple, der an dem Freitagvormittag von den Schülern der Bläserklasse 6 eingeübt wird. Die Euphoniumspieler Antonia und Fynn sind begeistert. Das Stück bietet ihnen einen weitaus stärkeren Einsatz, die Melodieführung zu übernehmen, als viele andere. Die 26 Jungbläser mit ihren Drummern arbeiten höchst konzentriert und lauschen den Anweisungen ihrer Lehrer Miriam Manz und Rainer Tetenberg. „Macht das Tempo noch etwas langsamer, das würde uns besser helfen“, ertönt die Stimme des Pädagogen, der bemüht ist, dass der legendäre Rocksong instrumental so umgesetzt wird, wie er komponiert wurde. „Noch einmal Takt 51“, hören die jungen Bläser, die gelernt haben, viel Geduld aufzubringen. Denn Korrekturen sind notwendig, um ein eindrucksvolles Hörerlebnis zu schaffen.

Das sind die Mädchen und Jungen, die sich vom fünften Schuljahr an für die Bläserklasse entschieden haben, inzwischen gewohnt. „Die Schüler haben Kritikfähigkeit erworben und ihre Empfindlichkeit abtrainiert“, weiß Miriam Manz, die den Kindern weitere Eigenschaften attestiert: Neben einer großen Aufnahmefähigkeit seien die Schüler, die zudem in Kooperation mit der Musikschule das Spielen ihres Instrumentes erlernen, im Besitz von Durchhaltevermögen. „Und sie sind sehr diszipliniert.“ Trotz der Mehrbelastung, zuhause auf den meist geliehenen Instrumenten fleißig zu üben sowie diversen Konzertauftritten, sei die schulische Leistung aber keineswegs gefährdet. Das jedenfalls habe sich in den letzten Jahren gezeigt. Neben dem Schulunterricht erhalten die Schüler auch eine Unterrichtsstunde in Kleingruppen von zwei bis drei Kindern. Der wird von den Lehrern der beteiligten Musikschule durchgeführt.

Seit 2010 gibt es das Bläserprojekt am FSG, das Rainer Tetenberg begonnen hat aufzubauen. Im März 2012 kam Miriam Manz hinzu. Sie begleitet nun ebenfalls die Schüler während des drei Jahre andauernden Bläserprojekts. „Was sich zwischen Lehrern und Schülern entwickelt hat, ist ein starkes Vertrauensverhältnis und eine große Offenheit“, freut sich Manz, die wie ihr Kollege während der Proben abwechselnd dirigiert, den Takt klatscht, anweist oder im Raum umhergeht und Tipps an die Schüler weitergibt oder auf die richtige Körperhaltung der Kinder achtet, was bei einem Blasinstrument von Bedeutung ist. „Zu zweit zu sein hat sich bewährt“, befinden die beiden Lehrer, die in manchen Jahrgängen sogar rund 40 Schüler betreuen. „Das ist wie ein Wellengang. In einem Jahr sind es zwischen 20 und 30, im darauffolgenden wieder um die 40 Kinder.“

„Alles, was wir langsam gut spielen können, geht irgendwann auch viel schneller“, tröstet mittlerweile Rainer Tetenberg die jungen Spieler, die er zwischendurch auch nach der Bedeutung von Symbolen befragt, die in der Notation zu finden sind. Die jungen Orchestermitglieder sind offensichtlich pfiffig und wissen schon recht viel. Neben der richtigen Antwort, es handle sich um eine Akzentbetonung, bläst ein Spieler gleich das entsprechende Beispiel auf seinem Instrument vor. Verwunderlich aber bleibt die Wahrnehmung, dass die Schüler lieber schneller als langsamer spielen. Immer wieder bremst auch Miriam Manz die Schülergruppe aus. „Nicht rasen!“ lautet deren Anweisung, die die Musiker für einige Zeit befolgen. Und immer noch wirkt das Orchester äußerst aufnahmefähig. Es ist eine komplexe Hirnleistung, die der Unterricht den Elf- bis Zwölfjährigen abverlangt. Nicht nur die neuen Noten müssen in die Bewegung der Finger und in den Luftstrom einfließen, auch der Rhythmus soll stimmen. Die vielfach über Gestik verlaufenden Anweisungen der Lehrer werden aus dem Augenwinkel verfolgt. Gegenseitig aufeinander zu hören und angemessen laut oder leise zu spielen, ist oberste Disziplin. „Die Schüler sollten heraushören, welche Instrumente den gleichen Einsatz haben.“ Doch die Pädagogen verraten auch Tricks. Auf den Notenblättern wird manchmal ein Instrument notiert: Der Hinweis darauf, welche denselben Part haben.

Es herrscht ein freundlicher, unaufgeregter Ton im Musiksaal und es ist zu spüren, dass die Kinder gerne miteinander musizieren. Adrian betont, dass es zusammen eben viel besser klinge als alleine. Und die junge Altsaxofonistin Luzie findet es „wunderbar, auch den schönen Klang anderer Instrumente kennenzulernen“. Silas wiederum gefällt das Anspruchsniveau seiner Bläserklasse. „Ich fühle mich hier wirklich gut gefördert.“ Und der Klarinette spielende Tekay bringt es wohl insgesamt auf den Punkt: „Mir gefällt, dass wir alle zusammenhalten“, lobt er den Klassenverbund und freut sich, dabei zu sein.

Für die jungen Musiker ist es zwischenzeitlich zu einer Selbstverständlichkeit geworden: Die Gruppe ist nur so gut, wie jeder Einzelne. Das bedeutet für jedes Kind, eifrig zu üben, damit in den Proben Fortschritte erzielt werden können. „Klappt das mal nicht, melden es die Kinder dem entsprechenden Schüler zurück“, weiß Miriam Manz. Auch das ist eine Folge des kameradschaftlichen Miteinanders und des starken Wir-Gefühls, das die jungen Musiker verbindet. Sie sind es gewohnt, Optimierungswünsche und Rückmeldungen zu erhalten – und welche zu geben. Auf eine sehr angenehme Weise, wie es scheint.