Die Stoffe, die hier gelagert werden, sind nicht ohne... Foto: geschichtenfotograf.de

Im High-Tech-Lager der Firma Häffner lagern Chemikalien für die Industrie und die Nahrungsbranche. Der Sauerstoffgehalt in der Halle ist reduziert, sodass kein Brand entstehen kann.

Marbach - Nur ein Schritt, dann ist Kai-Uwe Franck mit einem Schlag auf viertausend Metern Höhe. „Achtung, sauerstoffreduzierter Bereich“, steht auf dem Schild auf der Tür zum großen Lager. „Bei Ertönen der Hupe Raum sofort verlassen.“ Im Inneren des Hochregallagers der Firma Häffner stapeln sich in der Dunkelheit Paletten mit Containern bis an die Decke, 25 Meter hoch. Schon nach wenigen Minuten spürt ein Besucher den Sauerstoffmangel im Schädel und im Magen. „Als hätte man ein Bier mit einem Schluck runtergekippt“, beschreibt der Lagerleiter Franck das Gefühl. „Etwa eine Viertelstunde, länger sollte man sich hier nicht aufhalten.“ Und schwere körperliche Arbeit sollte man am besten vermeiden.

Unwohlsein, Schwindel – Franck kann damit umgehen, selbst wenn er einmal ganz nach oben muss. Für gewöhnlich hat er aber ein Helferlein, das Arbeiten im Lager für ihn übernimmt: Statt eines klassischen Gabelstaplers rast ein RBG, ein Regalbediengerät, zwischen den Metallstreben entlang. Alle zwei Minuten stellt der Roboter einen tonnenschweren Container ab oder holt ihn heraus, sucht automatisch den günstigsten Platz für eine Lieferung. Mit Laserstrahlen und kleinen Scheinwerfern findet er seinen Weg durch die Dunkelheit. Vom Bedienraum aus haben Franck und seine Kollegen über Kameras alles im Blick.

Das ist wichtig, denn hier im Lager lagern Chemikalien. „Calciumchlorid“, steht auf den Containern einer eben angekommenen Lieferung. Der Stoff ist auch als E509 bekannt – ein Nahrungsmittelzusatz, der als Festigungsmittel oder Geschmacksverstärker beispielsweise in Käse, Marmeladen oder Obstkonserven steckt. Die Chemikalie wird auch als Enteisungsmittel auf den Straßen verteilt. Unbedenklich also. Bei den Behältern, die gerade daneben stehen, sieht das schon ganz anders aus: „Vor kaum einer Chemikalie habe ich solchen Respekt wie vor der hier“, meint Franck und klopft auf einen der jeweils eine Tonne schweren Plastikbehälter. Darin befindet sich ein Kubikmeter Flusssäure, 45-prozentige Lösung. „Damit bekommt man so ziemlich alles aufgelöst“, sagt Franck. In der Fernsehserie „Breaking Bad“ benutzen die Hauptcharaktere den Stoff beispielsweise, um einen ihrer Widersacher spurlos verschwinden zu lassen. Mit Flusssäure lassen sich aber auch Glas und Metalle ätzen – daher wird sie in der Produktion von optischen Gläsern oder Halbleitern verwendet.

Die Sauerstoffreduktion im Lager soll verhindern, dass durch solche heiklen Substanzen ein Brand entstehen kann. Lagerleiter Franck zückt ein Feuerzeug und demonstriert: Er bekommt keine Flamme zustande. Draußen funktioniert das Zippo wieder. Für den Fall des Falles gibt es im Lager zwei rote Knöpfe. Wird der gedrückt, schließen sich Schutzklappen, die verhindern sollen, dass Stoffe in die öffentliche Kanalisation gelangen. „Die ganze Halle steht in einer Wanne aus Beton und einer Folie, bei Tankstellen ist das ähnlich“, erklärt Franck.

Die Häffner GmbH ist in der Distribution und Vermarktung von Chemikalien tätig, der Hauptsitz liegt in Asperg. „In den nächsten drei bis vier Jahren wollen wir aber von dort nach Marbach umziehen“, sagt Thomas Dassler, der als Geschäftsführer für Vertrieb und Einkauf zuständig ist. Der Asperger Bau von 1977 sei in die Jahre gekommen. „Außerdem liegt dicht neben einem Wohngebiet. Und wohl niemand möchte neben einem Chemiebetrieb leben“, räumt Dassler ein. Das High-Tech-Gebäude im Technologiepark Marbach biete da bessere Voraussetzungen. Auch wenn das riesige Bauwerk anderes vermuten lässt: Im Lager selbst arbeiten gerade einmal drei Menschen die moderne Technik macht’s möglich.

Dazu kommen noch Mitarbeiter von zwei Tochterfirmen, insgesamt arbeiten 30 Leute am Standort Marbach. Durch den Umzug von Asperg werden ein paar neue Mitarbeiter dazu kommen. Wer im Lager arbeiten will, muss aber einiges leisten. „Ich vertraue meinen Leuten mein Leben an“, sagt Kai-Uwe Franck. Er und seine Kollegen haben deswegen eine Höhenretterausbildung. Dafür mussten sie nicht einmal weit weg: Eine Firma im Marbacher Technologiepark, direkt gegenüber, bietet solche Schulungen zufällig an.