Übrig geblieben von der Kola-Bohrung: eine Industrieruine (Foto links). Derweil blickt der 35 Meter große Alyosha über Murmansk (rechts). Ein fahrendes Zuhause für Ruth und Jürgen Haberhauer: der Land Rover Foto: Ruth und Jürgen Haberhauer

Ruth und Jürgen Haberhauer zeigen in der Reihe „Kunst im MZ-Treppenhaus“ Fotos aus Russlands Norden. Am Samstag ist Vernissage.

Marbach - Sechs Monate haben sich Ruth und Jürgen Haberhauer Zeit genommen. Sechs Monate, um zu reisen und zu fotografieren. Ihr Ziel: Russlands Norden – und so ist auch der Titel der neuen Ausstellung in der Reihe „Kunst im MZ-Treppenhaus“. Wobei: Auch aus Finnland ist das eine oder andere Bild zu sehen, denn die Region Karelien hatte es dem Marbacher Ehepaar angetan.

Überhaupt das Fotografieren und das Reisen – es sind die großen Leidenschaften von Ruth und Jürgen Haberhauer. „Das lief jahrelang so ein bisschen nebenher“, sagt der 40-Jährige heute. Doch dann fasste Jürgen Haberhauer einen Entschluss: Der Designer und Grafiker machte sich mit der Fotografiererei selbstständig. Die Reise in Russlands Norden war so etwas wie sein erstes großes eigenes Projekt.

„Eigentlich wollten wir in die Mongolei“, berichtet Ruth Haberhauer, die nach wie vor als Lehrerin arbeitet – ein Job, den sie liebt und nicht aufgeben möchte. Es sollte aus „familiären Gründen“ dann aber doch nicht so weit weg sein. Also entschieden sich die Haberhauers für das Gebiet rund um die finnisch-russische Grenze. Spannend unter anderem deshalb, weil die Gegend nicht gerade touristisch erschlossen ist. Reiseführer Fehlanzeige. Und weil dort die Kola-Halbinsel liegt, über die Jürgen Haberhauer schon vor Jahren einmal etwas gelesen hatte. Dort fand nämlich die so genannte Kola-Bohrung statt, eine für wissenschaftliche Zwecke durchgeführte geologische Bohrung in den 1970er und 80er Jahren, die bis in eine Tiefe von mehr als zwölf Kilometern reichte. Die Bevölkerung befürchtete damals, dass die Hölle angebohrt worden sei, berichtet der Marbacher.

Heute ist das Gelände verlassen. Jürgen und Ruth Haberhauer haben es auf ihrer Reise gesucht, gefunden und fotografiert. Die verlassenen Industrieruinen verströmen einen ganz eigenen Charme – wie so vieles, was die beiden unterwegs entdeckt und mit der Kamera festgehalten haben.

Denn: Die Region ist nicht unbedingt ohne Wenn und Aber schön. „Die Gegend ist sehr kaputt“, berichtet Ruth Haberhauer. „Durch den Nickelabbau ist das schon übel teilweise.“ So mischt sich dann Industrieruine mit strahlend blauem Himmel oder auch Containerhafen mit Sonnenuntergang, in Murmansk grüßt der 35 Meter hohe Alyosha vom Hügel, auf der Klosterinsel Walaam reicht der Blick auf den Ladogasee, der einem Meer gleicht, da er immerhin 30-mal so groß wie der Bodensee ist. Dort haben Haberhauers nicht nur die heiligste Kirche des orthodoxen Russlands fotografiert – sondern auch atemberaubende Landschaft.

Ebenso übrigens wie an der Grenze zwischen Russland und Finnland – wobei es dort nicht nur die Landschaft in sich hat, sondern auch ihre Bewohner: Braunbären. Auch diese haben Haberhauers vor die Linse bekommen – und zwar, indem sie mehrere Nächte in einer kleinen Hütte gesessen und gewartet haben. „Da oben gibt’s zuhauf Braunbären“, sagt die Lehrerin.

Die meisten Nächte auf ihrer Reise hat das Ehepaar aber im eigenen Auto verbracht. Die komplette Reise sind sie mit ihrem Land Rover Defender gefahren – mit jeder Menge Kisten und Dachzelt. Letzteres stammt übrigens noch vom VW Bus von Jürgen Haberhauers Eltern. „Mit dieser Ausrüstung sind wir eine Weile autark“, sagt der Marbacher. Zumal es in Russland auch erlaubt ist, sich mit dem Auto einfach irgendwo hinzustellen, um dort ein Feuer zu machen und zu übernachten. Ruth Haberhauer: „So ein Auto mit Dachzelt ist super, um mit den Leuten in Kontakt zu kommen.“ Immer wieder mal waren die beiden Marbacher auch bei Einheimischen zu Gast. So haben sie auch viele Infos bekommen, wie ihre Reisestrecke weitergehen oder was man noch anschauen könnte.

Und natürlich, was man noch fotografieren könnte. Wer übrigens letztlich welches Foto gemacht hat – Ruth oder Jürgen Haberhauer – lässt sich im Nachhinein nicht mehr unbedingt sagen. Die beiden reisen mit mehreren Kameras. „Bei manchen Bildern können wir es zuordnen, bei manchen nicht.“