Die AfD polarisiert die Gesellschaft. Die meisten Gastwirte scheuen das Risiko, Räume für die Partei bereitzustellen. Foto: AFP

Wirte wollen kein Sicherheitsrisiko eingehen.

Marbach - Die Alternative für Deutschland (AfD) hat in Marbach vergeblich nach einem Lokal für einen Neujahrsempfang gesucht. Auch bei der Suche nach einem Wahlkreisbüro ist der AfD- Bundestagsabgeordnete Marc Jongen nach eigener Aussage in der Marbacher Altstadt auf Ablehnung gestoßen. Jongen bestätigte auf Nachfrage, dass er seit seiner Wahl im September im Wahlkreis Bietigheim-Bissingen suche. Potenzielle Vermieter entschieden sich jedoch aus Angst vor Beschädigungen gegen eine Vermietung.

In der Schillerstadt klopfte die AfD für ihren Neujahrsempfang bei den Marbacher Weingärtnern und dem Restaurant Schillerhöhe an. Dessen Wirt Armin Jäger lehnte ab, weil er Randale von Gegnern und Befürwortern der Partei befürchtete. „Ich habe da keine Erfahrung und möchte es auch nicht ausprobieren“, sagt Jäger aus Sorge um seine Gäste. Erst durch genaues Nachfragen bei den Personen, die vorsprachen, habe er überhaupt erfahren, dass es sich um eine Parteiveranstaltung der AfD handele. Ähnliche Erfahrungen sammelten die Marbacher Weingärtner. Dort seien Personen aufgetreten, die sich erst nicht als AfD-Vertreter zu erkennen gegeben hätten, berichtet Matthias Hammer, Erster Vorsitzender der Genossenschaft, auf Nachfrage unserer Zeitung. Eine Mitarbeiterin habe im Glauben, es sei irgendeine Versammlung, den Vertrag abgeschlossen, als sie sich gleichzeitig um den Verkauf von Wein kümmerte. „Niemand war klar, worum es eigentlich ging“, erzählt Hammer. Als er aber zwei Tage später bemerkte, dass die AfD der Vertragspartner war, habe er sich darum bemüht, den Vertrag aufzulösen. „Ich kann nicht garantieren, dass diese Veranstaltung vernünftig abläuft und nichts passiert“, erklärt Hammer, der angesichts des bereits abgeschlossenen Vertrages froh ist, dass die AfD der Genossenschaft den Rückzieher einvernehmlich ermöglichte.

Der AfD-Kreisverband habe den Vertrag aufgelöst, „weil wir nicht wollen, dass Restaurants Schaden nehmen“, betont Michael Mayer, stellvertretender Sprecher des Kreisvorstands. Er habe beim Besuch in der Kelter jedoch deutlich das Vorhaben, einen Neujahrsempfang der AfD für Mitglieder und Freunde zu veranstalten, genannt. „Die Mitarbeiterin hat es aber wohl nicht einordnen können“, vermutet er und weist darauf hin, dass im Vertrag der Name des AfD-Kreisverbands stand.

Die AfD werde in Marbach ausgegrenzt, findet Beate Maier, eine Steinheimerin, die sich in einem Offenen Brief an den Marbacher Bürgermeister Jan Trost wendet und die Recherche unserer Zeitung ausgelöst hat. Maier beklagt die verbreitete „Angst vor Anschlägen und politischer Verfolgung“, die Gastwirte und Vermieter davon abhalte, die AfD aufzunehmen. Marc Jongens Bildung und politischen Ziele hätten mit rechtsradikalem Gedankengut nichts zu tun, meint Maier – „ebenso wenig wie man ein solches im Parteiprogramm der AfD finden wird“. Maier kritisiert die Stadt Marbach, die sich mit „Intoleranz und Gewaltbereitschaft gegen einen demokratisch gewählten Abgeordneten und eine Partei“ präsentiere, „die andere gesellschaftliche Positionen vertritt“. Friedrich Schiller würde sich im Grab umdrehen angesichts der „Diskriminierung politisch Andersdenkender“.

Der angeschriebene Marbacher Bürgermeister Jan Trost weist darauf hin, dass die Stadtverwaltung selbst nicht von der AfD wegen eines Neujahrsempfangs angefragt worden sei. Jongen sei seit seiner Wahl im September noch nicht bei öffentlichen Veranstaltungen in Marbach präsent gewesen. Es obliege ausschließlich den Parteien, sich um Räumlichkeiten für ihre Veranstaltung zu bemühen. Und es sei Sache der Wirte, das Risiko einer Veranstaltung zu beurteilen. Ein Wahlkreisbüro könne Jongen auch in den 38 anderen Kommunen des Wahlkreises suchen, wenn er in Marbach keine geeigneten Räumlichkeiten finde.

Den Wirten in Marbach und anderen Städten will Marc Jongen keinen Vorwurf machen. „Sie haben Angst vor Boykottmaßnahmen, die greifen können.“ Er sehe das Problem darin, dass „Teile der Politik und der sogenannten Zivilgesellschaft meinen, uns verteufeln zu müssen“. Jongen dazu weiter: „Ich sehe darin eine Diffamierung des politischen Gegners, der etwas Kleinkariertes anhaftet.“ Die von Beate Maier gegen die Stadt Marbach erhobenen Vorwürfe hätte er allerdings so nicht erhoben. „Mir geht es eher um die allgemeine Stimmung gegen die AfD“, sagt Jongen. Immerhin sei es gelungen, für den parteiinternen Neujahrsempfang einen Veranstaltungsraum in der Umgebung von Marbach zu finden. Wo genau der liegt, will der AfD-Abgeordnete zum Schutz der Gaststätte nicht verraten.