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Sich im Traum bewusst werden, dass man träumt, ist erlernbar, sagt die Expertin Clare Johnson.

Marbach - - In den Vereinigten Staaten weckt das Thema Klarträumen schon lange Interesse. In Deutschland tut man sich noch etwas schwer mit dem Phänomen des luziden Träumens. Also mit der Vorstellung, dass der schlafenden Person plötzlich bewusst wird, dass sie träumt und ihre Träume auch steuern kann.

Die erste Doktorarbeit über das Thema Klarträumen stammt aus der Feder von Clare Johnson. Gebürtig in Seattle in den USA ist Johnson schon viel auf der Welt herumgekommen. Nach Lebensstationen in Portugal, Spanien und Frankreich lebt sie jetzt seit drei Jahren in Marbach. In Deutschland, aber eben vor allem auch in der Schillerstadt, fühlt sie sich sehr wohl.

Im Jahr 2007 schrieb Johnson ihre Doktorarbeit. Darüber hinaus sind schon sieben Bücher von ihr auf dem Markt. Ein achtes ist gerade in Arbeit. Es gibt viele Podcasts mit ihr und sie war schon in unzähligen Radiosendungen in den USA zu Gast. Auch ein asiatisches Fernsehteam brachte sie vor die Kamera, und die deutschen Medien sind inzwischen ebenfalls neugierig auf die sympathische, quirlige Frau geworden, die seit Sommer 2018 Präsident der International Association for the Study of Dreams (IASD) ist.

Der Titel ihres wissenschaftlichen Werkes „Klarträume als kreatives Werkzeug“ verbindet ihre beiden Studiengänge kreatives Schreiben und Psychologie. „Beim Träumen geht es um innere Bilder“, so Johnson. „Und das ist unglaublich spannend.“ Lange Zeit galt das „luzide Träumen“ als esoterische Spinnerei. Erst Anfang der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde es wissenschaftlich nachgewiesen.

„Jeder Mensch träumt – mindestens sechs Mal in der Nacht“, sagt Clare Johnson. „Das bedeutet, in einem Jahr haben wir mehr als 2000 Träume.“ Viele erinnern sich ganz konkret an sie, viele aber auch nicht. Dabei sagen Träume etwas über das Innerste aus und können helfen, Probleme zu lösen und Ängste zu überwinden, betont die Marbacherin und erzählt die Geschichte einer Frau, die immer wieder Albträume hatte. In ihren dunklen Träumen wurde sie von Männern verfolgt. Eine angsteinflößende und bedrohliche Vorstellung. „In dem Moment, in dem ihr jedoch bewusst geworden ist, dass sie im Bett in Sicherheit liegt und die Bedrohung lediglich in ihrer Vorstellung existiert, konnte sie die Männer fragen, was sie von ihr wollen und sich mit ihnen auseinandersetzen“, erzählt Johnson. Die Antwort der Akteure habe die Frau zum Nachdenken gebracht und letztlich ihr Leben verändert. „Sie sagten ihr: Du brauchst uns doch für deine Angst.“

Im Grunde, so Clare Johnson, biete das Klarträumen die Möglichkeit einer psychologischen Heilung. „Träume stellen eine enge Beziehung zwischen Geist und Körper dar und geben uns einen Zugang zu unserem Unterbewusstsein.“ Häufig sehe man im Traum auch Dinge, bevor sie in der Realität einträten. „Eine Frau sah immer wieder ein blaues Licht in ihrem Kopf – kurz darauf wurde ein Hirntumor bei ihr festgestellt.“ Ein nicht seltenes Phänomen, wie die Marbacherin weiß. „Sehr oft wissen wir im Traum, dass wir krank werden bevor eine Krankheit diagnostiziert wird.“ Neben der heilenden Wirkung könne luzides Träumen aber auch einfach nur Spaß machen und die Kreativität fördern. „Das Gehirn kann im Traum eine eigene Welt erschaffen, in der man beispielsweise große Abenteuer erlebt.“

Als Dreijährige träumte Clare Johnson, in einem Schwimmbad zu sein. „Es war superschön, aber dann bekam ich Panik unterzugehen und fiel aus dem Bett. Meine Mutter versuchte mich zu beruhigen und sagte, dass es nur ein Traum gewesen ist. Doch schon damals hab’ ich gespürt, dass es zwei Welten gibt und beide wahr sind“, erinnert sich die heute 45-Jährige. Als Kind habe sie häufig und sehr lebendig geträumt, doch die Eltern konnten nicht viel mit den Erzählungen der Tochter anfangen. In Collagen versuchte der Teenager das Erlebte auszudrücken. Die erwachsene Clare hilft inzwischen vielen Menschen, Klarträumen zu erlernen. Denn durch regelmäßiges Üben und achtsamen Umgang mit sich selbst ist es erlernbar, betont sie.

Tipps? Da hat die 45-Jährige gleich mehrere. „Man sollte sich täglich mehrmals fragen, ob das, was man im Moment gerade erlebt, nicht alles ein Traum ist. Und man sollte aufmerksam und achtsam durch den Tag gehen und sich bewusst machen, was man gerade tut. Desto öfter man sich frägt, ob man wach ist oder träumt, desto öfter macht man das dann auch im Traum.“ Clare Johnson rät hier zu einem sogenannten Realitycheck: Mund zu, Nase zu. Im Traum kann man weiter atmen, in der Realität nicht. „Auch regelmäßiges Meditieren kurz vor dem Einschlafen und ein bewusstes Wahrnehmen der Bilder, die vor dem inneren Auge auftauchen, hilft.“

Ihre Träume sind für die 45-Jährige längst wie eine vertraute Freundin. Eine, die ihr zur Seite steht und ihr einen anderen, wichtigen Blick auf sich selbst gibt. „Klarträume bieten einem die Chance, sein Leben zu ändern.“