Die Stadt hat die Bäume auf der Streuobstwiese schon roden lassen. Dabei läuft das Bebauungsplanverfahren noch, moniert der BUND. Foto: Christian Kempf

Umweltverband kritisiert die Planungen zur Erweiterung des Gewerbegebiets und verweist auf geschützte Arten.

Marbach - Joachim Lösing ist schon lange im Geschäft. Deshalb ahnt der Vorsitzende des BUND Marbach-Bottwartal, dass er die von der Stadt angestrebte Erweiterung des Energie- und Technologieparks nicht mehr stoppen kann. Klaglos hinnehmen wollen er und seine Mitstreiter allerdings auch nicht, dass dafür eine rund ein Hektar große Streuobstwiese zugepflastert werden soll. Lösing und Co. fordern im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens, wenigstens einen angemessenen ökologischen Ausgleich zu schaffen. Zur Hilfe könnte den Naturschützern bei ihrer Mission kommen, dass offenbar zwei Arten im Gewerbegebiet heimisch sind, die unter besonderem Schutz stehen: Zauneidechsen und Wechselkröten. „Da hat die Stadt jetzt Hausaufgaben zu machen“, sagt Joachim Lösing. Unter Umständen könne das auch zu Verzögerungen führen, weil die Stadt Marbach sich überlegen muss, wie sie auf das Vorkommen der Tiere reagieren kann.

Beschwerde bei der Landesregierung

Lösing hat sich in der Angelegenheit auch an die Umweltmeldestelle der Landesregierung gewandt. Er beschwert sich dort, dass weder die Kröten noch die Echsen im Umweltbericht der Kommune auftauchen, „wiewohl die Stadt davon Kenntnis hatte“. Zudem moniert der BUND, dass die Streuobstwiese schon im Januar gerodet wurde, „obwohl sich der Bebauungsplan-Entwurf erst in der Anhörung befindet“. Die geschützten Arten seien also wohl bereits getötet und ihre Habitate komplett zerstört worden. „Durch die Fällung der 48 Bäume wurden irreversible Tatsachen geschaffen“, fasst Lösing zusammen.

ENBW findet geschützte Tiere

Bei der artenschutzrechtlichen Begehung, die die Stadt in Auftrag gegeben hatte, waren die Eidechsen und Wechselkröten nicht entdeckt worden. Auf diese stießen dann aber Gutachter, die im Auftrag der EnBW unterwegs waren. Der Energieriese habe das Gelände erkunden lassen, um das Feld für das anvisierte Notkraftwerk am Neckar zu bereiten, erläutert Joachim Lösing. Dabei seien Zauneidechsen in mittlerer Zahl und einzelne Wechselkröte nachgewiesen worden. Ein Umstand, den nun auch die Stadt bei ihrem eigenen Bebauungsplanverfahren nicht ignorieren könne, sagt Lösing. Zwar hätten sich die Eidechsen nicht direkt auf der Wiese getummelt, die zur Gewerbefläche werden soll, sondern auf den gepflasterten Parkstreifen in der Nähe. „Aber sie müssen sich ja auch von etwas ernähren können“, gibt der BUND-Vorsitzende zu bedenken. Und Nahrung gebe es für Echsen und Kröten auf der Wiese.

„Das ist für beide eine Futterquelle“, betont er. Insofern sei die Grünfläche Teil ihres Habitats. Ihren Laich legten die Kröten vermutlich nur wenige Meter entfernt in einer Senke vor der Firma Leopold ab, sagt Lösing, der auch die bislang geplanten ökologischen Ersatzlösungen als unzureichend brandmarkt. „Die Mindestpflege von brachgefallenen Obstbaumwiesen, die nach Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz sowieso Pflicht des Eigentümers wäre, ist weder mit einer ökologischen Aufwertung verbunden noch ein Ersatz für die verloren gegangenen Lebensräume.“ Mehrere weitere Maßnahmen auf ökologisch weniger intakten Flächen seien notwendig. Zudem bestehe ad hoc Handlungsbedarf.

Der Biologe betont, dass mit der Streuobstwiese ein wertvolles Naturgut verschwinde. Vor Jahren, als das Gewerbegebiet eingerichtet wurde, sei die Fläche, die sich heute zwischen Leopold und Lila Logistik befindet, noch als ökologisches Sahnestück eingestuft worden. Nun heiße es plötzlich, das Areal sei für die Landschaft quasi bedeutungslos – was Joachim Lösing vehement abstreitet. Fast in jedem der Bäume seien die Höhlen besetzt gewesen. Es hätten sich mehrere Spechtarten dort aufgehalten, aber auch Vögel auf dem Durchzug wie der Trauerschnäpper. Die Wiese selbst sei nicht gut gepflegt worden, aber im Boden schlummere durch Samen noch eine enorme Artenvielfalt, betont Joachim Lösing.

Zu Details aus der Stellungnahme des BUND könne er sich nicht äußern, sagt dazu der Bauamtsleiter Dieter Wanner. Man sei gerade dabei, die verschiedenen Einlassungen zu sammeln und zu sichten und von einem Fachbüro prüfen zu lassen. Das Ergebnis werde man dann im Ausschuss für Umwelt und Technik präsentieren, frühestens allerdings im April.

Stadt weiß erst seit kurzem von Bericht der ENBW

Was die Bäume auf der Wiese anbelangt, redet Dieter Wanner nicht lange um den heißen Brei herum. „Das ist richtig, die sind gefällt worden“, sagt der Bauamtsleiter. Das liege daran, dass solche Arbeiten am Gehölz nur bis Ende Februar erlaubt seien. Zudem sei für das Vorhaben eine Zeitspanne mit gefrorenem Untergrund gewählt worden, damit die Bodenstruktur nicht unnötig leidet, ergänzt sein Stellvertreter Ralf Lobert. Der Oberboden solle schließlich später abgetragen und auf Flächen mit geringer Erdqualität aufgebracht werden. „Es gab aber auch nichts, was dagegen gesprochen hätte“, betont Dieter Wanner. Fachleute hätten ja eine Begehung gemacht und auf dem Plangebiet keine Wechselkröten oder Zauneidechsen gefunden. Und die Experten, die im Auftrag der EnBW unterwegs waren, hätten im Rahmen ihrer Analyse nicht die Erweiterungsfläche der Stadt unter die Lupe genommen, sondern ein Areal, das an keinem Punkt näher als 28 Meter an die Streuobstwiese heranrücke, erklärt Ralf Lobert. „Es ist also nur eine Mutmaßung, dass die Tiere auf der Streuobstwiese vorkommen“, betont Dieter Wanner. Davon abgesehen habe das Bauamt bis vergangenen Donnerstag nicht gewusst, was in der Expertise der EnBW steht. „Erst da haben wir die Gebietsabgrenzungspläne bekommen“, sagt Dieter Wanner. Wahrscheinlich sei es aber so, dass nun ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben werden müsse, um Klarheit zum Vorkommen der Tiere zu erhalten.

Landratsamt kritisiert Vorgehen

Etwas anderes wird der Kommune wohl auch nicht übrig bleiben. Ihr sitzt nämlich das Landratsamt Ludwigsburg im Nacken. Bei der Behörde sind die Artenschutzuntersuchungen der Stadt Marbach erst nach der Rodung der Streuobstwiese eingegangen. „Es zeigt sich, dass die Arten Zauneidechse und Wechselkröte hätten untersucht werden müssen. Dies muss nun ohne die Bäume noch in diesem Jahr nachgeholt werden“, erklärt Markus Klohr, Pressesprecher im Kreishaus. Aus Sicht des Landratsamts wäre es auch „richtig und zielführend im Sinne einer Berücksichtigung der Belange des Artenschutzes gewesen, wenn die Stadt, nachdem ihr im Juni 2017 die Habitatpotenzialanalyse vorlag, die untere Naturschutzbehörde eingebunden und die weiteren Untersuchungen mit uns abstimmt hätte“, betont Markus Klohr. Aus besagter Analyse hätte man schon ablesen können, dass Wechselkröten und Zauneidechsen im Gewerbegebiet vorkommen und deshalb untersucht werden sollten, ergänzt er.