Kommunale Mitteilungsblätter – und mittendrin die dort erschienene Anzeige der AfD. Foto: Sabine Armbruster

Die AfD wirbt in Mitteilungsblättern in der Region dafür, die Corona-Einschränkungen zu beenden.

Marbach/Bottwartal - Die Anzeige war Mitte Mai in fast allen Amts- und Mitteilungsblättern der Region zu finden. Die baden-württembergische Landesgruppe der AfD-Fraktion im Bundestag stellte darin unter der Überschrift „Die Corona-Krise vernünftig meistern“ folgende Forderungen auf: Shutdown sofort beenden, Grund- und Freiheitsrechte wieder herstellen und strikte Grenzkontrollen durchführen. Zudem spricht sie sich gegen eine Impfpflicht und eine Überwachung durch Corona-Apps aus.

Nun ist Parteienwerbung in Amtsblättern, auch außerhalb von Wahlkampfzeiten, an sich nichts Ungewöhnliches. Das bestätigt der Nussbaum-Verlag, bei dem die meisten der Mitteilungsblätter hergestellt werden, auf Anfrage. Die Anzeige der AfD hat aber Nikolai Häußermann, SPD-Ortschaftsrat in Rielingshausen, auf den Plan gerufen. Seiner Meinung nach sind die Informationen in der Anzeige grenzwertig. Wenn man sich gegen eine gar nicht im Raum stehende Impfpflicht ausspreche oder das Gespenst eines Überwachungsstaats heraufbeschwöre, sei das Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern. Deshalb plädiert er dafür, auf politischer und moralischer Ebene kritisch zu hinterfragen, wem hier eine Plattform geboten wird. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Ortschaftsrat sich dafür ausgesprochen habe, im Mitteilungsblatt nur Informationen und keine Parteienwerbung aufzunehmen.

Der Rielingshäuser Ortsvorsteher Jens Knittel erklärt indes, bei dieser Entscheidung sei es nur darum gegangen, ausführliche Berichte über Parteiveranstaltungen einzudämmen. Die Anzeigen, die für den Nussbaum-Verlag eine wichtige Einnahmequelle seien, seien davon nicht betroffen. Deshalb sei auch keine entsprechende Information an den Verlag gegangen, was dessen Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, Andreas Tews, bestätigt. Im Übrigen, betont Tews, sei man bei den Amtsblättern nicht Herausgeber und dürfe zudem in Wahlperioden Wahlwerbung nicht ablehnen.

Knittel verweist darüber hinaus auf den Grundsatz der Gleichbehandlung. Immerhin sei die AfD eine demokratisch gewählte Partei. Man habe zwar in der Vergangenheit deren Ersuchen abgelehnt, die Gemeindehalle anzumieten, dies sei jedoch vor dem Hintergrund geschehen, dass die Halle ausschließlich Parteien vorbehalten sei, die auch im Ort vertreten seien. Das stehe so ausdrücklich in der Vermietvereinbarung.

Auch in den anderen Gemeinden sind zwar redaktionelle Statuten festgelegt, das heißt, es wird geregelt, worüber berichtet wird, aber Vorgaben im Hinblick auf Anzeigenschaltungen werden nicht gemacht. „Es gibt da keine offizielle Regelung“, sagt etwa Hanna Selig vom Kirchberger Hauptamt. „Es muss halt seriös sein und nichts Rassistisches, und kurz vor der Wahl darf auch nichts mehr geschaltet werden.“ Benningens Bürgermeister Klaus War-thon weist darauf hin, dass in der Anzeige niemand verunglimpft werde, und betont: „Die Gleichbehandlung ist ein demokratischer Grundsatz, der gilt. Unabhängig davon, dass das Thema gar nicht so einfach ist.“ Zum Hintergrund der Anzeigenschaltung versichert der Sprecher derAfD-Landesgruppe, Marc Bernhard, es gehe nicht etwa darum, dass die AfD in der Wählergunst gesunken sei und deshalb jetzt mit Corona-Protest punkten wolle: „Wir hatten monatelang keine Gelegenheit, mit Veranstaltungen über unsere Arbeit im Bundestag zu informieren. Deshalb wollten wir das auf diesem Weg tun.“ Und auch, dass die AfD die Corona-Krise bislang verschlafen habe, treffe nicht zu: „Wir haben schon im Februar im Bundestag beispielsweise Fiebermessungen von Flugreisenden, eine ausreichende Zahl von Isolierbetten und eine nationale Hygieneaufklärungskampagne gefordert.“

Die kritischen Nachfragen zur Anzeigenschaltung in Amtsblättern haben inzwischen dazu geführt, dass man in einigen Gemeinden zusammen mit dem Nussbaum-Verlag nochmals über das Thema diskutieren möchte. In Affalterbach gibt es laut Aussage von Bürgermeister Steffen Döttinger zwar Redaktionsstatuten, die Wahlwerbung untersagten, doch: „Im konkreten Fall war das im Anzeigenteil und auch keine Wahlwerbung.“ Man erwäge dennoch, gemeinsam mit dem Verlag zu überlegen, wie man mit so einer politischen Meinungsäußerung in Zukunft umgehe. Und Klaus Warthon meint: „Es ist gut, dass man auf diese Art mal für das Thema sensibilisiert wird, sich die Anzeigen genauer anzuschauen.“ Zuvor habe es dafür keinen Anlass gegeben.