Vor den Wahllokalen hatten viele Gemeinden am Wahltag die Europaflagge gehisst. Foto: Symbolbild (dpa)

Die hohe Wahlbeteiligung ist ein wichtiges Signal und stärkt die Demokratie.  

Marbach/Bottwartal - Die Sonne strahlt, wie das in den vergangenen Wochen selten der Fall war. Die Temperaturen sind sommerlich, von Wolken keine Spur. Nur hin und wieder bläst ein schwacher Wind, der die vor all den Wahllokalen gehissten Flaggen zum Flattern bringt. Mal ist darauf das Ortswappen, mal sind die Sterne für Europa zu sehen. Alles wirkt irgendwie feierlich. Dazu all die Menschen, die den Gang zur Wahlurne mit einem Spaziergang verbinden, oft mit der ganzen Familie. Vor dem mir zugewiesenen Wahllokal im frisch sanierten Bürgerraum im Höpfigheimer Schlößle blühen die Blumen, der Brunnen plätschert. Ein Tag wie im Bilderbuch ist er gewesen, dieser Großwahltag am Sonntag – und das nicht nur wegen des herrlichen Wetters, sondern auch in Sachen Wahl.

Andreas Hennings

Dabei geht es mir jetzt nicht darum, ob diese oder jene Partei oder Liste hier oder dort besonders gut abgeschnitten hat. Nein, es ist die hohe Wahlbeteiligung, die für sich spricht. In vielen Wahllokalen war teils längeres Anstehen angesagt. Über Social Media tauschten sich die Menschen sogar aus, ob der Gang zum Wahllokal gerade lohnt, oder ob es nicht doch besser sei zu warten, bis die Warteschlange wieder kürzer ist. Bei der Europawahl liegt die Wahlbeteiligung in Deutschland mit 61,4 Prozent so hoch wie zuletzt vor genau 30 Jahren zu Zeiten des Mauerfalls. Zum Vergleich: Bei der Wahl vor fünf Jahren gaben 48,1 Prozent ihre Stimme ab.

Und auch bei der Kommunalwahl schossen die Werte in jeder der zwölf Städte und Gemeinden in unserem Verbreitungsgebiet in die Höhe. Die Spanne geht von 59,87 Prozent in Pleidelsheim hinauf bis auf 68,60 Prozent in Beilstein. Kurios: Vor fünf Jahren waren diese beiden Ortschaften in Sachen Wahlbeteiligung ebenfalls Schlusslicht und Spitzenreiter: Pleidelsheim mit 49,74 und Beilstein mit 61,20 Prozent. Auch in Marbach ging es um knapp zehn Prozentpunkte hoch auf 64,34 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Statt 6424 Marbacher wie vor fünf Jahren machten jetzt 7726 von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Eine bemerkenswerte Steigerung.

Als weiteres gutes Zeichen werte ich es, zwei Begriffe seit Sonntag nicht vernommen zu haben: Politikverdrossenheit und Protestwähler. Das war nach vorherigen Wahlen oft anders. Die Daseinsberechtigung von Protestwählern möchte ich hiermit keinesfalls in Frage stellen. Aber: Es ist erfreulich, wenn die Bürger wieder vermehrt das Gefühl haben, mitbestimmen und -gestalten zu können, statt nur ihren Unmut kundtun möchten. Und auch die jungen Menschen scheinen sich verstärkt für die Politik und deren Auswirkungen für die Gestaltung der Zukunft zu interessieren. Sie haben ihrer Generation eine laute, gewichtige Stimme verliehen.

Kurzum: Nicht nur die ein oder andere Partei oder Liste geht gestärkt aus dem Wahlsonntag hervor – sondern vor allem die Demokratie an sich.