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Einige Gemeinden treiben Neubauten voran.

Marbach/Bottwartal - Der Druck auf die Pflegeplätze nimmt zu. Das ist kürzlich im Oberstenfelder Gemeinderat deutlich geworden. „Man müsste ein weiteres Heim bauen“, schlug Hanns-Otto Oechsle (SPD) vor und verwies darauf, dass es außer der im Ort präsenten Kleeblatt-gGmbH noch weitere Träger gebe. „Wenn ein Einheimischer in ein Pflegeheim müsste, käme er nicht unter“, meinte Oechsle, der auch als Vorsitzender des Fördervereins für das Oberstenfelder Kleeblatt-Heim fungiert.

Einen großen Bedarf erkennt auch Markus Kleemann, Bürgermeister der Gemeinde. „Viele Menschen werden von jetzt auf gleich pflegebedürftig“, weiß er. Die Suche nach freien Plätzen führe dann die Angehörigen meistens auch zu Heimen in der näheren Umgebung. „Unser Ziel ist es, dass der Bedarf an Pflegeplätzen auch in Zukunft gedeckt werden kann.“ Die Gemeinde müsse sich über weitere Plätze in Oberstenfeld Gedanken machen. Er habe deshalb Gespräche mit der Kleeblatt-gGmbH und privaten Investoren geführt.

Ein Blick in den Kreispflegeplan bestätigt: In Oberstenfeld gibt es bis zum Jahr 2020 bei 30 bestehenden Pflegeplätzen ein Manko von 44 zusätzlichen Plätzen, bis zum Jahr 2030 sogar von 64 neuen. Aber auch in anderen Kommunen im Raum Marbach und im Bottwartal ist der Mangel offensichtlich. Steinheim etwa weist bei aktuell 78 Pflegeplätzen ein Minus von 28 bis 2020 auf, was der Bürgermeister Thomas Winterhalter für die Zukunft als „Riesenthema“ ansieht. Baugrund sei knapp, „aber warum sollte man darauf nicht auch ein Pflegeheim bauen?“, ermutigt Winterhalter Investoren.

In Marbach entstehen zwar in Rielingshausen 30  neue Pflegeplätze zu den 86 in Marbach vorhandenen, doch müsste die Stadt laut Kreispflegeplan eigentlich bis zum Jahr 2020 136 Plätze vorweisen. Der Marbacher Rathauschef Jan Trost erkennt trotzdem „keinen dringenden Handlungsbedarf“. Im Nachbarort Erdmannhausen gebe es mit dem Neubau des großen Pflegeheims in der Bahnhofstraße künftig „deutlich mehr Platzangebote als rechnerische Nachfrage aus dem Ort“. Tatsächlich weist Erdmannhausen mit dem Neubau im Jahr 2020 dann 72  Plätze mehr auf, als es selbst benötigt, was die Bürgermeisterin Birgit Hannemann wegen des demografischen Wandels in der Region für „angemessen“ hält. Für Jan Trost ist der Erdmannhäuser Überhang trotzdem kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen: „Im Gespräch ist momentan noch, dass im neuen Gesundheitscampus Marbach auch eine Pflegeeinrichtung als ein Baustein geschaffen werden könnte.“

Deutlich im Plus steht übrigens auch Oberstenfelds Nachbarkommune Großbottwar mit drei Pflegeheimen und insgesamt 164 Plätzen – was einem Überangebot von 90 Pflegeplätzen im Jahr 2020 entspricht. „Diese Zahlen sind für uns erfreulich“, sagt der Bürgermeister Ralf Zimmermann. Die Statistik werde aber auch ein wenig dadurch beeinflusst, dass im Haus am Wunnenstein vorwiegend Menschen mit einer schwierigen Krankheitsgeschichte betreut würden.

Gegensteuern wird die Gemeinde Murr, wo das Kleeblatt-Heim erweitert wird. Zu den 25 aktuellen kommen dann noch 20 neue Plätze. „Wir sind froh, dass wir uns deutlich steigern“, sagt der Bürgermeister Torsten Bartzsch. Der Kreispflegeplan, nach dem Murr 2020 dann immer noch neun Plätze zu wenig aufweist, sei nicht „gemeindescharf“ zu sehen, da es Überhänge in anderen Kommunen gebe, doch strebe man mit dem Kleeblatt-Konzept eine Versorgung im Wohnort an und sei für weitere Projekte offen.

Auf die Zahlen des Kreispflegeplans sollte man nicht „ängstlich wie das Kaninchen auf die Klapperschlange“ schauen, meint Helmut Wiedenhöfer, Leiter des Marbacher Seniorenzentrums Schillerhöhe. Neue Heime seien schnell errichtet, doch komme es vor allem darauf an, das Personal dafür zu finden. Er selbst registriere „deutlich mehr“ Anfragen als noch vor zehn oder 20 Jahren, doch liege das daran, dass ältere Menschen nach Stürzen oder Schlaganfällen zunächst Kurzzeitpflegeplätze benötigten. „Diese Menschen bleiben dann in der Regel länger.“ Eine gewisse Entlastung für Heime biete die Möglichkeit von Angehörigen, in den eigenen vier Wänden osteuropäisches Pflegepersonal anzustellen. Allerdings erschöpfe sich die Willigkeit des Personals, wenn der zu Pflegende an Demenz erkranke. „Wir haben zu 80 Prozent demente Menschen auf den Pflegestationen – früher lag diese Quote bei 20 Prozent.“

Die Gewinnung von Personal ist für Helmut Wiedenhöfer „der Flaschenhals des Pflegenotstands“. Wo er die Lösung sehe? „Es ist ein komplexes Problem“, sagt der Heimleiter. Aus anderen europäischen Ländern könne man nur bedingt Pflegepersonal gewinnen. Wiedenhöfer spricht sich klar für ein soziales Pflichtjahr nach der Schule aus. Nur wer die Erfahrung sammele, dass der Beruf ihn erfüllen könnte, trete die Ausbildung an. „Ich muss die Wertschätzung spüren, die mir entgegengebracht wird.“

Personalnot und fehlende Pflegeplätze stellten ein doppeltes Problem dar, bestätigt Heike Dierbach, Leiterin des Fachbereichs Soziales, Pflege und Versorgungseinrichtungen im Landratsamt Ludwigsburg. Die Kommunen sollten den weiteren Ausbau anstreben. Es müssten nicht unbedingt Heime sein, es könnten auch Wohngemeinschaften für Pflegebedürftigen eingerichtet werden. Angehörigen könnten sich einbringen und damit Kosten sparen. „Bei solchen Quartierlösungen könnten Kommunen etwa in Neubaugebieten Initiative zeigen“, sagt Dierbach. Es gebe derzeit zwei Projekte in Gerlingen.