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Die Anhänger einer Legalisierung weisen auf die Rolle in der Medizin hin – allerdings sind die Wirkungen der Droge nicht von der Hand zu weisen.

Marbach/Bottwartal - Ist Cannabis giftig – und welche Risiken birgt der Konsum wirklich? Diese Fragen beschäftigen viele Zeitgenossen. Das haben die Reaktionen auf unserer Facebook-Seite zum Artikel „Ein Joint ist 30-mal giftiger als eine Zigarette“ gezeigt. In dem Beitrag vom 18. März wurde die Drogenprävention der Marbacher Polizei an der Anne-Frank-Realschule beschrieben. Unmittelbar nach der Veröffentlichung äußerten sich die Facebook-Nutzer empört und warfen unserer Zeitung schlampige Recherche und sogar das bewusste Verbreiten von Lügen vor.

Der Hauptvorwurf an die Polizei und damit an das Medium: Im Gegensatz zu den Volksdrogen Alkohol und Tabak sei Cannabis nicht derart toxisch, man dürfe den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) nicht als „Nervengift“ bezeichnen, wie es der Polizist im Unterricht getan habe – viel mehr werde Cannabis von Medizinern als Heil- und Schmerzmittel eingesetzt.

Zunächst einmal steht die Polizei in Marbach zu den Aussagen, die der Mitarbeiter im Unterricht gemacht hat – denn hier gehe es um die Wirkungen von Cannabis auf Jugendliche, und die reagierten viel empfindlicher auf Drogen als Erwachsene, erklärt Michael Bokelmann von der Drogenprävention am Polizeirevier Marbach. „Ob THC ein Nervengift ist oder nicht – dazu gibt es im Internet alle Arten von Ergebnissen“, sagt der Polizist und verweist auf teilweise widersprüchliche Forschungsberichte. Zwar könne er die Aussage seines Kollegen Michael Leins „Ein Joint ist 30-mal giftiger als eine Zigarette“ vor Siebtklässlern der Anne-Frank-Realschule nicht direkt belegen – da jedoch ein Joint eine Mischung aus Cannabis und Tabak sei, werde beim Rauchen die schädliche Wirkung beider Drogen verstärkt, zumal man nicht wisse, was Dealer alles in den „Shit“ hineinmischten und welche Stoffe vor allem beim Verbrennen der Tabak-Cannabis-Mischung auf den Organismus einwirkten.

Als Quelle für die Vorträge der Polizei gibt Bokelmann die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) an. In deren Internetauftritt heißt es zur Wirkungsweise: „THC verschwindet aus der Blutbahn relativ schnell; in den Fettgeweben und in verschiedenen Organen wie Leber, Lunge, Milz und Herzmuskel kommt es dagegen zu einer Ablagerung und Anreicherung der Substanz bzw. ihrer Stoffwechselprodukte. Hierdurch kann der Abbau bis zu 30 Tage dauern.“ Das hatte auch Bokelmanns Kollege Leins sinngemäß behauptet und unter anderem auf eine verzögerte Wahrnehmung im Straßenverkehr sowie Probleme beim Erwerb des Führerscheins hingewiesen. Ebenfalls im Unterricht behandelte er übrigens den Einsatz von Cannabis in der Medizin und dessen Legalisierung für Patienten mit Erkrankungen (siehe dazu das „Nachgefragt“ auf dieser Seite). Dies war im Bericht unserer Zeitung über die Prävention nicht extra erwähnt worden, weil Leins noch auf viele andere Drogen eingegangen war und die Risiken für Jugendliche im Fokus standen.

Eine pauschale Antwort auf die möglichen gesundheitlichen Risiken von Cannabis ist laut Wikipedia-Artikel und Deutscher Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung letztlich nicht möglich. Bei Wikipedia werden eine Reihe von Studien genannt: „Es gibt Belege, dass regelmäßiger Konsum bei Erwachsenen und Heranwachsenden zu Hirnveränderungen führen kann; einige Studien haben zum Ergebnis, dass diese Veränderungen bei Heranwachsenden irreversibel sein könnten“, heißt es im Abschnitt zur Wirkung bei Jugendlichen. Einige Studien mit Erwachsenen hätten hingegen gezeigt, dass Cannabiskonsum das Hirn vor Degeneration schützen kann, heißt es im selben Artikel später.

Die Deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung äußert sich zurückhaltend. „In der Wissenschaft gibt es aber bislang noch keine Einigkeit darüber, ob es tatsächlich zu dauerhaften Hirnschäden mit anhaltenden kognitiven Beeinträchtigungen kommt.“ Dennoch beschreibt die Bundeszentrale die Wirkung von THC durchaus kritisch: „Bekannt ist, dass im Cannabisrausch das Kurzzeitgedächtnis stark beeinträchtigt wird. Im bekifften Zustand vergessen Konsumierende mitunter, was sie vor fünf Minuten gesagt haben oder wissen mitten im Satz nicht mehr, was sie sagen wollten. Unter dem Einfluss von THC nimmt sich das Gedächtnis gewissermaßen eine Auszeit.“