Am Bahnhof bekommt man auch weiterhin Informationen, allerdings wohl nicht mehr auf dem analogen Weg. Foto:  

Tage des Schalters sind womöglich bald gezählt. Die Stadt will das aber nicht klaglos akzeptieren.

Marbach - Schon am Mittwoch könnten im Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS) die Weichen für ein neues Zeitalter bei der Bahn gestellt werden. Wenn das Gremium dem Vorschlag der Verwaltung folgt, werden als Pilotprojekt an sechs Standorten sogenannte Videoreisezentren eingerichtet – darunter auch in Marbach. In der Schillerstadt und in Korntal sollen im Gegenzug die bisherigen Schalter geschlossen werden. Die komplette Beratung wird dann via Bildschirm abgewickelt. Für Böblingen, Ludwigsburg, Leonberg und Waiblingen ist geplant, den digitalen Service zusätzlich zum üblichen Programm anzubieten.

Für den Kunden entstünden durch die Umstellung keine Nachteile, beteuert ein Pressesprecher der Deutschen Bahn. Das Prinzip sei denkbar einfach. Man drücke auf einen Knopf, dann erscheine ein Mitarbeiter auf dem Bildschirm, dem man sein Anliegen schildern könne. Die gewünschten Fahrkarten könnten an einem Automaten direkt neben dem Display bezahlt und herausgelassen werden. Der einzige Unterschied sei also, dass man dem Berater nicht mehr leibhaftig gegenüberstehe. Und die Servicezeiten werden laut Vorlage zur Sitzung des Verkehrsausschusses in Marbach sogar ausgedehnt. Pro Woche ist derzeit rund 41 Stunden Personal vor Ort. Nach der Umstellung auf das Videosystem können sich Pendler an 87 Stunden beraten lassen. Der Bahnsprecher betont, dass das System bereits in St. Georgen oder Triberg eingesetzt werde. „Am Anfang waren die Leute skeptisch“, sagt er. Aber das Misstrauen habe sich schnell in Wohlgefallen aufgelöst. „Das ist die einhellige Meinung“, erklärt der Mann von der Pressestelle. Mit dem System sei gewährleistet, dass trotz des wirtschaftlichen Drucks weiter vor Ort eine Beratung angeboten werden könne, und das sogar in einem größeren Umfang.

Tatsächlich sollen die nun vom VRS ins Auge gefassten sechs Städte für die Videoreisezentren auch erst der Anfang sein. Nach der Pilotphase, die bis Mitte 2020 dauern wird, könnten zehn weitere Standorte wie Winnenden, Fellbach und Kornwestheim dazukommen. Der Bahnsprecher versichert, dass die Bürgermeister bei solchen Projekten stets mit im Boot und informiert seien.

Das kann der Marbacher Rathauschef Jan Trost allerdings nicht wirklich bestätigen. „Das kommt für uns völlig überraschend“, sagt er. Man habe erst am Montagvormittag einen Anruf von der Bahn mit einer Bitte um einen Gesprächstermin erhalten, erklärt Trost. Dabei stehe die Angelegenheit schon am Mittwoch auf der Tagesordnung. „Da fühlen wir uns auf den Arm genommen“, ärgert sich der Schultes, der zudem die Begeisterung der Bahn für die Videoberatung nicht teilen kann. In der Theorie höre sich das Konzept vielleicht vorteilhaft an. Doch dazu müsse es erst mal jeder verstehen und die Geräte funktionieren. Die permanenten Probleme mit den Aufzügen an den Bahnhöfen zeigten aber, dass die Bahn die Technik nicht immer im Griff habe.

Davon abgesehen hält es Trost für inkonsequent, dass nicht alle Standorte ganz aufgelöst werden, sondern in manchen auf eine digitale und eine konventionelle Lösung gesetzt werde. „Das ist schon seltsam“, findet Trost – der das Ganze deshalb auch nicht klaglos hinnehmen mag. „Wir von der Verwaltung sehen das sehr, sehr kritisch“, fasst er zusammen. Die Stadt wolle mit den Fraktionssprechern beim VRS Kontakt aufnehmen, um darauf hinzuwirken, dass der Punkt noch einmal von der Tagesordnung genommen wird.