Jürgen Fink prüft den Boden – er wäre mit seinem Mähdrescher gerne schon weitergekommen. Foto: Werner Kuhnle

Jürgen Fink wird bei der Weizenernte vom schlechten Wetter ausgebremst. Wie andere Bauern im Kreis Ludwigsburg hatte er sich mehr erhofft.

Kreis Ludwigsburg - Mit seinem Mähdrescher ist Jürgen Fink während der Ernte schon mal 16 Stunden am Stück im Einsatz. In diesem Jahr ruht das 280 PS starke Gerät aber öfter als sonst. Die Nässe und der feuchte Boden hindern den Koloss und seinen Fahrer: „Dieses Jahr ist nervenaufreibend“, erzählt der Landwirt aus Hof und Lembach bei Großbottwar, der auch bei sieben Kollegen die Felder aberntet – und die Arbeit nach einigen Unwettern nun wegen der vielen Regentage oft unterbrechen muss.

Auf der Zielgeraden drohen den Landwirten im Kreis Ludwigsburg Ernteeinbußen. Während Wintergerste, Sommergerste, Dinkel und Raps schon größtenteils gedroschen sind, steht der Weizen noch etwa zur Hälfte auf dem Feld. Und dort sieht es derzeit alles andere als rosig aus. „Nach dem Regen dauert es bei feuchter Luft zwei bis drei Tage, bis die Ähren wieder trocken sind“, weiß Fink. Die restlichen Touren gleichen einem Wettlauf mit der Zeit: Bleibt der Weizen zu lange feucht, keimt er – dann wandelt sich sein Eiweiß in Zucker um. Das Getreide kann nur noch als Futter verwendet werden. Dem Bauer droht so ein 50-prozentiger finanzieller Verlust.

Der viele Regen kann die gute Laune des Fahrers nicht verderben

Die gute Laune lässt sich der 35-jährige Fink trotzdem nicht verderben – auch wenn er nachts noch spät um Mitternacht den Mähdrescher für den nächsten Tag putzt. „Man erlebt auf der Maschine doch viel“, sagt der Landwirt, der die Riesenmaschine seit 15 Jahren fährt. Seine Routine helfe ihm, das Fahrzeug so einzustellen, dass das Korn effektiv aus den Ähren entfernt wird. Bei feuchtem Wetter sei das schwieriger, das Material werde stärker abgenutzt. Der Dieselverbrauch sei mit 28 Litern pro Hektar hoch.

Das Fahren fällt Jürgen Fink in diesem nassen Jahr schwerer als sonst. „Der Mähdrescher ist schon ein oder zweimal weggesunken.“ Normalerweise ernte er den Weizen eher am Nachmittag oder in den Abendstunden – doch das sei jetzt schwer durchzuhalten: „Wir hoffen auf das Verständnis von Nachbarn, weil wir abends Lärm machen – aber es geht um Nahrungsmittel.“ Auch werde er öfter länger auf Straßen fahren müssen und dabei Autofahrer aufhalten.

Im schlechtesten Fall landet das Getreide in der Biogasanlage

Im Endergebnis werde die Ernte aber wohl genauso durchschnittlich ausfallen wie im Vorjahr, schätzt Philipp Mayer, Pflanzenproduktionsberater im Landratsamt Ludwigsburg. „Uns hat ein Stück weit die Sonne gefehlt“, sagt er. Innerhalb des Landkreises sei der nordwestliche Bereich um Erligheim und Bönnigheim immer etwas wärmer als der östliche, zu dem auch das Bottwartal zähle. Das führe zu einem Vorsprung von einigen Tagen. Wiederum einige Tage später dran als der Osten des Landkreises seien der Westen und Südwesten mit etwas höheren Lagen. „Dort steht auch noch die meiste Sommergerste.“ Von diesem Getreide seien noch etwa zehn Prozent zu ernten.

Die Hoffnungen der Landwirte ruhen nun auf der nächsten Woche. „Es soll sonniger werden“, sagt Jürgen Häußermann, Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Absatzgenossenschaft (Labag) in Marbach. Noch Anfang Juli hätten die Bauern nach einem warmen Juni mit Rekorderträgen gerechnet, doch dann fiel jede Menge Regen, es kamen Unwetter, und zu wenig Wärme ließ das Korn vier Wochen lang nicht mehr gut reifen. Jetzt fürchtet Häußermann, das restliche Getreide auf den Feldern könnte am Ende in Biogasanlagen verfeuert werden. Das sei vor etwa zehn Jahren bei ähnlichem Wetter schon einmal vorgekommen.

Die Sommergerste ist nicht so stark beschädigt wie die Wintergerste

Die Qualität der bisher geernteten Ackerfrüchte ist unterschiedlich. Die Wintergerste blieb laut dem Marbacher Labag-Chef im Ertrag unterdurchschnittlich und reifte im Juni unter starker Hitze zu schnell ab. Von guter Qualität sei hingegen die Sommergerste, der die Juni-Hitze nicht so stark geschadet habe. Ihr Ertrag liege jedoch unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre.

Der Dinkel ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden

Der Dinkel ist in den vergangenen acht Jahren immer beliebter geworden und erreichte eine Anbaufläche von 400 Hektar. In diesem Jahr musste er wegen seiner um 30  Prozent längeren Halme als der Weizen größere Sturmschäden hinnehmen, erreichte aber laut Labag-Chef Häußermann mit sechs bis sieben Tonnen pro Hektar einen durchschnittlichen Wert. Gut getan hat der viele Regen zum Beispiel den Mais, der hoch geschossen auf den Feldern steht. Aber auch der brauche in der jetzigen Wachstumsphase mehr Wärme und Sonne.

Die Feuchtigkeit dezimierte laut Häußermann zudem die Raps-Ernte. Sie blieb mit etwa vier Tonnen pro Hektar zwar im Durchschnitt, doch drückten Schädlinge den Ertrag auf zwei Tonnen pro Hektar.

Der Weizenpreis ist angestiegen

Das Preisniveau
des Weizens ist um 15 bis 20 Prozent höher als im Vorjahr. Eine Tonne wird mit rund 180 Euro gehandelt, im Vorjahr lag der Preis auf der Börse bei 150 Euro pro Tonne.

Die Gründe
für den Preisanstieg sind vielfältig. Zum einen hat das Wetter weltweit zu Ertragsminderungen geführt. China hat zudem seinen Importstopp gegenüber US-amerikanischem Weizen aufgehoben. Vermehrt handeln Fondsgesellschaften mit Agrarrohstoffen, die damit zu Spekulationsobjekten werden.