Auf der weitläufigen Bühne wurde in angemessenem Abstand zueinander diskutiert. Foto: KS-Images.de

Kandidaten sind uneins, ob man für Nachhaltigkeit neues Personal braucht. Verkehr wird auch diskutiert.

Marbach - Spontane Beifallsbekundungen, zustimmendes Murmeln oder kleine Lacher als Belohnung für schlagfertige Aussagen: Solche Reaktionen aus dem Publikum, die man sonst vom Leser Forum der MZ kennt, blieben notgedrungen bei der Veranstaltung zur Marbacher Bürgermeisterwahl am Mittwoch aus. In der Stadthalle waren coronabedingt keine Besucher zugelassen. Und doch entwickelte sich auf der Bühne unter der Moderation von Karin Götz, Leiterin der Lokalredaktion der Marbacher Zeitung, mit den Bewerbern Jan Trost, Timo Jung, Edwin Kubotat, Tobias Möhle und Andreas Freund eine muntere Diskussion, bei der die Aspiranten auch mal dazwischengrätschten, wenn sie ihren Standpunkt verteidigen wollten oder sich angegriffen fühlten.

Vor den Zuschauern, von denen die Gesprächsrunde via Live-Stream oder zeitversetzt bis Redaktionsschluss rund 1800-mal aufgerufen wurde, entspann sich vor allem zum Thema Nachhaltigkeit eine kontroverse Debatte – bei der speziell Timo Jung auch in die Offensive ging. Der Leiter der Stabsstelle Zentrale Dienste beim Städtetag Baden-Württemberg machte sich für die Einstellung eines Klimamanagers stark. Man solle sich Expertise ins Rathaus holen, dann könne man beispielsweise neue Baugebiete CO2-neutrale ausschreiben, gezielt nach ökologischen Potenzialen suchen und als Stadt eine Vorreiterrolle einnehmen. Andere Städte hätten beispielsweise einen Fuhrpark entwickelt, in dem der Fokus auf alternativen Antrieben liege. Damit reagierte der 31-Jährige auf die Ausführungen des Amtsinhabers Jan Trost, der zuvor erläutert hatte, warum die Kommune bislang auf keine E-Flotte setzt. Trost hatte betont, dass der Bauhof sich aus praktischen Erwägungen heraus für andere Modelle entschieden habe. Beim restlichen Fuhrpark sei die Zeit noch nicht reif, um eine Neuanschaffung in die Wege zu leiten. Was den Klimaschutzmanager anbelangt, zeigte er sich skeptisch. Man solle das Geld direkt in die Sanierung von Gebäuden stecken. „Damit wir direkt etwas für das Klima tun und nicht noch weiteres Personal aufbauen“, erklärte Trost.

Mehr zum Thema: Markt in Marbach-Süd in der Diskussion

Rückendeckung erhielt er dabei von dem 51-jährigen Dozenten Edwin Kubotat, der davon ausgeht, dass weiteres Personal alles nur noch komplizierter macht, weil noch mehr Leute mitreden. Der 42-jährige Betriebsrat Andreas Freund ist dagegen davon überzeugt, dass das Einstellen eines Klimamanagers nicht falsch wäre. Wichtig sei aber vor allem, schon den Kindern das Einmaleins der alternativen Energieerzeugung beizubringen. Außerdem regte er an, Solarenergie in Wasserstoff umzuwandeln und damit Busse zu betreiben. Der Betriebsrat Tobias Möhle legt überdies Wert darauf, dass einzelne Projekte auf mehreren Ebenen nachhaltig sind, also auch ökonomisch. Man müsse beispielsweise das Neckarufer so gestalten, dass es über die Gartenschau 2033 hinaus einen Mehrwert hat. Über einen längeren Zeitraum würden die Bürger überdies davon profitieren, wenn die Stadt sozialen Wohnraum schafft, betonte Möhle, der auch eine Lanze für energetische Sanierungen brach.

Mehr zum Thema: Auf der Spur Schillers und eines Mega-Trends

Klare Kante zeigten die Bewerber zudem beim Thema Verkehr. So hob Timo Jung bei der Frage nach Sinn und Unsinn einer Querspange zwischen der Affalterbacher Straße und der Poppenweiler Straße hervor, dass hier ein ökologisches Erholungsgebiet durchpflügt würde. Das müsse bei der Abwägung berücksichtigt werden. Zumal die Entlastung laut Gutachten wohl überschaubar wäre. Wichtiger ist seiner Ansicht nach, über LKW-Fahrverbote, die Reaktivierung der Bottwartalbahn und die Stärkung des Radverkehrs nachzudenken, um Marbach von der Verkehrslast zu befreien.

Jan Trost gab allerdings zu bedenken, dass die Bottwartalbahn im Bereich der Affalterbacher Straße eher weniger weiterhelfe, sondern die Situation an der Bottwartalstraße entzerren könnte. Aber im Hinblick auf die Südtangente wies auch der 45-Jährige darauf hin, dass man zunächst alle Parameter untersuchen müsse. Die Verkehrsverlagerungen, die man dadurch provoziere, spielten ebenso eine Rolle wie der Umstand, dass man zunächst den nötigen Grund sichern müsste. Edwin Kubotat sprach sich indes direkt für den Bau der Umgehung aus, sobald das geplante Neubaugebiet an der Affalterbacher Straße realisiert ist. „Wenn die Kreuzäcker kommen, dann brauchen wir sie auf jeden Fall“, sagte er. Tobias Möhle erinnerte daran, dass sich die Bewohner in Marbach-Süd und im Hörnle sorgen, dass der LKW-Verkehr mit dem Bau der Südtangente bei ihnen aufschlägt. „Meiner Meinung nach muss man noch weiter Richtung Süden in Richtung Neckarweihingen gehen und dann auch südlich vom Lemberg“, empfahl er eine Verschwenkung der Trasse – so das machbar wäre.

Mehr zum Thema: Knifflige Fragen

Andreas Freund plädierte dafür, nach der Wurzel des Problems Ausschau zu halten und mit der Firma AMG ins Gespräch zu gehen, für die über die Strecke ein LKW-Lieferverkehr laufe. Außerdem müsse die Affalterbacher Straße saniert werden. „Dann geht da erst mal nichts mehr. Und in dem Moment haben wir auch die Möglichkeit, in die Diskussion zu gehen, wie wir den Verkehr lenken“, sagte er.

Das Leser Forum hier zum Nachschauen

Dagegen riet der 42-Jährige nicht dazu, die Innenstadt für den Verkehr zu sperren. Um die Zahl der Autos zu reduzieren, könne aber ein Parkleitsystem weiterhelfen. Timo Jung machte sich ebenfalls dafür stark, die City zu entlasten. „Vielleicht durch ein Pilotprojekt in einer Straße“, meinte er. Andernfalls lasse sich das Zentrum kaum beleben. Edwin Kubotat denkt allerdings, dass man derzeit an den meisten Tagen keine autofreie Innenstadt bräuchte, da ohnehin nichts los sei. Jan Trost hält wie seine Mitbewerber nichts von einem kompletten Tabu für Fahrzeuge in der Altstadt. Es brauche einen gesunden Mix, denn Einzelhandel und Anwohner müssten die Zone weiter ansteuern können. „Ich kann mir das ebenfalls nicht vorstellen“, ergänzte Tobias Möhle zum Thema autofreie Innenstadt. Besucher oder Anlieger müssten das Gebiet ansteuern dürfen. Für eine Entspannung könnten Parkplätze am Rand wie in einem Parkhaus an der Stadtmauer sorgen.

Zur Themenseite "Bürgermeisterwahl in Marbach"