Viel Glas, viel Licht – zumindest der Firmensitz der Grenke AG in Baden-Baden vermittelt reichlich Transparenz. Foto: dpa/Uli Deck

Ein Investor wirft dem Leasingunternehmen aus Baden-Baden vor, Bilanzen seit Jahren systematisch falsch dargestellt zu haben. Die Aufsicht Bafin will die Anschuldigungen rasch aufklären. Grenke selbst sieht keinen Grund, sein Amt als Präsident das Baden-Württembergischen IHK-Tages ruhen zu lassen.

Stuttgart - Der Präsident des Baden-Württembergischen IHK-Tages sieht keinen Grund, seine Ämter wegen der Ermittlungen der Bafin gegen sein Unternehmen ruhen zu lassen. „Wolfgang Grenke ist gewählter Präsident des Baden-Württembergischen Industrie und Handelskammertags und nimmt als solcher seine Amtsgeschäfte wahr“, heißt es in einer kurzen Erklärung der Spitzenorganisation der zwölf Industrie- und Handelskammern im Südwesten. Seine Stellvertreter sind die Präsidentin der IHK Region Stuttgart, Marjoke Breuning und Christian Erbe, Präsident der IHK Reutlingen. Grenke steht seit 2016 an der Spitze der baden-württembergischen Kammern. Auch als Präsident der IHK Karlsruhe will er sein Amt weiterführen

Das Gebäude, in dem der 1951 in Baden-Baden geborene Grenke residiert, ist lichtdurchflutet, große Fenster, auch im Innern zwischen den einzelnen Büros gibt es viel Glas. Alles macht einen sehr transparenten Eindruck. Doch wie transparent die Geschäfte des Selfmademans sind, das muss jetzt die Aufsichtsbehörde Bafin prüfen. Am Dienstag waren Vorwürfe bekannt geworden, die fatal an den Skandal um den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard erinnern. Der britische Investor Fraser Perring wirft Grenke vor, die Bilanzen seit Jahren systematisch falsch dargestellt zu haben.

Wetten auf sinkende Kurse

Perring hatte 2016 unter dem Namen Zatarra Research und Investigations auch Wirecard Betrug unterstellt. Damals jedoch hatten die Aufsichtsbehörden und die meisten Finanzmarktakteure das Vorgehen der bis dahin unbekannten Firma als sogenannte Short-Attacke abgetan. Perring hatte damals – wie auch jetzt bei Grenke – in größerem Umfang Aktien ausgeliehen und sie an andere Investoren verkauft. Dabei setzen die „Short-Seller“ darauf, dass der Kurs deutlich fällt, damit sie sich die benötigten Papiere zu einem deutlich niedrigeren Preis kaufen können. „Short-Sellern“ wird oft unterstellt, dass sie gezielt falsche Informationen verbreiten, um den Kurs zu drücken.

Was an den Vorwürfen gegen Grenke zutrifft, will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die sogenannte „Bilanzpolizei“ DPR nun erst einmal genau prüfen, bevor sie entscheidet, ob sie weiter gegen Grenke oder aber gegen Perring, beziehungsweise dessen Firma Viceroy Research, konkreter ermittelt. Zusätzlich wollen die Aufseher prüfen, ob vor dem Erscheinen des Reports Insiderhandel betrieben wurde. Hierfür gibt es erste Indizien – im Bundesanzeiger sind zwischen Anfang August und Anfang September mehrere Leerverkaufspositionen der Investmentfirmen Gladstone Capital und Black Rock gemeldet.

Die liquiden Mittel sollen da sein

Grenke reagierte umgehend, konnte einen deutlichen Kurssturz jedoch nicht verhindern. Der Bericht enthalte „Unterstellungen, die Grenke auf das Schärfste zurückweist“, teilte die im Börsenindex M-Dax notierte Gesellschaft mit. „Ein zentraler Vorwurf lautet, dass von den im Halbjahresfinanzbericht 2020 ausgewiesenen 1,078 Milliarden Euro liquiden Mitteln ein substanzieller Anteil nicht existiere. „Dies ist nachweislich falsch“, stellte Grenke fest. „849 Millionen Euro, also fast 80 Prozent der liquiden Mittel, befanden sich zum 30.06.2020 auf Konten der Deutschen Bundesbank – wie im Halbjahresfinanzbericht veröffentlicht. Per heute beträgt das Guthaben bei der Bundesbank 761 Millionen Euro“, hieß es weiter.

Bereits als Student Geschäftsmann

Schon als Student des Wirtschaftsingenieurwesens in Karlsruhe hat Grenke Geschäftssinn bewiesen: Er vermietete Drucker, Schreibtische oder Computer – und weil das alles recht gut lief, gab der passionierte Schachspieler das Studium zugunsten des Geschäftslebens auf. Im Gründungsjahr 1978 hatte er seinen Schreibtisch im Schlafzimmer stehen, mit zwei Mitarbeitern wurden 21 Fachhändler und 198 Leasingverträge betreut. Zwölf Jahre später wurde mit der ersten Niederlassung in Ostberlin der Aufbau des Vertriebsnetzes in Deutschland begonnen. Inzwischen ist das Unternehmen in mehr als 30 Ländern tätig und hat mit mehr als 1700 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro erzielt.

Kulturmäzen und KSC-Aktivist

Die Grenke Leasing ging 2000 an die Börse, fünf Jahre später wurde die Produktpalette um Factoring, also den Aufkauf von Forderungen anderer Unternehmen, erweitert. 2009 kaufte Grenke eine Hamburger Privatbank auf und ist seither auch im Bankgeschäft aktiv. 2016 schließlich firmierte die Leasing AG in die Grenke AG um und ist im M-Dax gelistet. Der Firmengründer, der offenbar immer noch die Mehrheit hält, zog sich 2018 aus dem operativen Geschäft zurück und ist seitdem Mitglied des Aufsichtsrates. In einem Gespräch mit unserer Zeitung nannte er einmal die Förderung von Start-ups und eine flächendeckende Breitbandverkabelung als seine wichtigsten Anliegen beim IHK-Tag. Grenke ist in Baden-Baden auch als Kulturmäzen bekannt, außerdem ist er Aufsichtsratschef des Karlsruher SC.