Bei der Labag in Marbach wird das Restbrot gesammelt, auf einen Laster verladen und abtransportiert. Teilweise ist das Brot noch genießbar und lediglich einen Tag alt. Die abgepackte Ware ist oft noch tagelang haltbar, wird aber nicht mehr gekauft. Foto: Werner Kuhnle

Etwa 20 Bäckereifilialen und Discounter lassen ihre Backwaren, die nicht verkauft werden, in NRW verarbeiten. Die Sammelstelle ist bei der Marbacher Genossenschaft Labag.

Marbach - Es ist für viele ein verstörender Anblick: Auf dem Gelände der Labag in Marbach türmen sich täglich mehrere Tonnen Brot in einer Lagerhalle. Laibe in unterschiedlichen Längen und Formen purzeln übereinander, Brotanschnitte in verschiedenen Größen, in Folie abgepackte Brotscheiben und tütenweise Toastbrote werden hier täglich abgeliefert. Teilweise sind die Backwaren essbar, einen Tag alt oder ein bis zwei Wochen vor dem Haltbarkeitsverfall. Andere Teile des Brotberges sind ungenießbar – aus unterschiedlichen Gründen. Eines haben die Backwaren dabei gemeinsam: Sie werden allesamt zu Tierfutter verarbeitet, in einer Fabrik in Nordrhein-Westfalen. Jürgen Häußermann, Geschäftsführer der Labag, spricht immer wieder mit Kunden, die kopfschüttelnd vor dem Brotberg stehen und nicht verstehen können, dass mit Lebensmittel derart umgegangen wird. Er dagegen findet es nicht schlecht, dass das aussortierte Brot nicht vernichtet wird, sondern „im Kreislauf verbleibt“, wie er sagt. Er skizziert das Vorgehen: Bei der Labag Marbach wird täglich Brot von rund 20 Bäckereifilialen und Discountern im Umkreis von 40 Kilometern abgeliefert. Etwa die Hälfte der Brotabfälle falle bei der Produktion an, erklärt Jürgen Häußermann. Manchmal ist das Brot zu stark gebacken, manchmal zu fest, zu weich oder mit der Rezeptur hat etwas nicht gestimmt. Die andere Hälfte der Ware kommt von Bäckereien und Discountern und wurde dort aussortiert. Häußermann: „Gerade in Discountern wird verpacktes Brot aussortiert, obwohl es noch fünf oder sechs Tage haltbar ist, weil der Kunde diese Packungen nicht mehr kauft. Er greift nur zu, wenn das Brot noch zwei oder drei Wochen haltbar ist.“

Futter für Hühner und Schweine
25 Tonnen Backwaren kommen täglich etwa zusammen, die fast jeden Tag von einer Spedition abgeholt und nach Nordrhein-Westfalen transportiert werden. In einer speziellen Firma, so der Agraringenieur weiter, wird dort Futter für Hühner und Schweine hergestellt. Auf diese Weise lasse sich zum Beispiel Getreide und Soja sparen, das sonst für die Tierfütterung verwendet wird. Und wenn das Brot nicht weiterverwendet würde, müsste es vernichtet, also verbrannt oder kompostiert werden. Grundsätzlich möchte Häußermann niemanden wegen Lebensmittelverschwendung kritisieren, aber es sei „manchmal schon grotesk, was da abgeht“. Häußermann: „Millionen hungern, und wir haben das Glück, dass es uns supergut geht.“ Die Labag selbst, so erklärt der Geschäftsführer, handele nicht mit dem Brot, sondern trete lediglich als Dienstleister auf. Auf dem Labaggelände wird auf- und abgeladen, und der Betrieb bekommt einen Obolus von der Spedition, die das Brot abholt.

Waren zum Teil noch wochenlang haltbar
Großes Unbehagen bereitet der Anblick des Brotberges Christine Löbner-Stark aus Erdmannhausen. Sie hatte sich kürzlich an die Reaktion dieser Zeitung gewendet und ihrer Fassungslosigkeit Ausdruck verliehen. „Welch ein Wahnsinn und welch eine Umweltbelastung in Zeiten des Klimawandels! Welch eine sinnlose Verschwendung von Getreide, Energie, Arbeit, Material!“, schreibt sie. Brotpackungen hatte sie selbst aus dem Stapel gezogen und gesehen, dass die Ware noch etwa zwei Wochen haltbar ist. Die Haltbarkeit könne also nicht „Grund für diese unglaubliche Verschwendung“ sein, schreibt Christine Löbner-Stark weiter. „Ich stehe vor einem Rätsel. Wahnsinn, Dekadenz!?“ Und sie fragt sich: „Welche Alternativen gibt es?“

Bäcker sind der Tafel wohlgesinnt
Diese Frage stellt sich auch Ewald Pruckner, Erster Vorsitzender der Marbacher Tafel. Die Tafel ist auf Brotspenden von Bäckereien angewiesen – meist vom Vortrag, manchmal gibt es auch frisches Brot. „Wir könnten mehr Brot bekommen, als wir verkaufen können“, sagt Pruckner. Die Bäcker seien der Tafel wohlgesinnt, berichtet er. Und falls in der Tafel etwas nicht verkauft werde, gebe man das Brot einem Bauern für die Tiere. Grundsätzlich hält er es für sinnvoll, dass das Brot zu Futter verarbeitet werde. Er mahnt aber an, dass mit Lebensmitteln sorgsamer umgegangen werden müsse. „Jeder muss bei sich anfangen.“ Man solle deshalb nur das kaufen, was man selbst brauche.

Kritik an Überproduktion
Kritisch äußert sich auch der Benninger Karl-Heinz Hassis. Er engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich mit Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung. Er kreidet die Überproduktion an, die besonders bei den Bäckerfilialen im Eingangsbereich der großen Vollsortimenter betrieben werde. „Da wird abends noch das ganze Sortiment angeboten“, beklagt er. Grundsätzlich hält er es für sinnvoll, wenn Restbrot zu Tierfutter wird, lobt aber ausdrücklich das Vorgehen eines Bäckers in Ludwigsburg: Dieser hat zum Abverkauf seiner Backwaren des Vortags 2019 die neue Filiale „Rebäck“ eröffnet.

Was unternehmen Lebensmittelretter in Marbach?
 

Was machen die Betriebe vor Ort mit ihrem unverkauften Brot?
Bei der Bäckerei Hofmann in Murr holt ein Bauer mehrmals in der Woche die nicht verkauften zehn bis zwölf Prozent Brotwaren – für seine Schweine. „Das ist sinnvoll“, sagt Eugen Hofmann. Er weist darauf hin, dass die Kundschaft auch abends noch eine Auswahl wünsche. Sein Verpächter im Edeka Großbottwar übe keinen Druck auf ihn aus, was die Auswahl am Abend betrifft. In anderen Supermärkten laufe das aber anders.

Bei der Bäckerei Katz wird Restbrot aufgeteilt: Teile werden im eigenen Laden verwertet, Tafeln dürfen sich bedienen, ein Bauer holt Brot ab für die Tiere, und was dann noch übrig ist, landet bei der Labag zum Abtransport nach Nordrhein-Westfalen. Das berichtet Felix Krohmer von der Katz-Qualitätssicherung.

Die Bäckerei Übele mit Sitz in Aspach setzt auch auf die Weiterverwertung. Ein Bauer holt das Brot ab und macht es zu Futter. Grundsätzlich, so Friedrich Übele, sei ein Brot vom Vortrag am nächsten Tag genießbar. „Ein Brot muss reifen.“

Die Bäckerei Holzwarth, „der obere Beck“ in Erdmannhausen, macht Knödelbrot und Weckmehl aus Resten. „Bei allen weiteren Gebäcken achten wir auf regionale und sinnvolle Weiterverwertung“, so Bianca Gehweiler. Tiere aus der Umgebung bekämen es zu fressen. sjo -