In ihrem Garten fühlt sich Claudia Nafzger nicht nur wohl – er ist auch der Startpunkt für viele Kräuterführungen durch Höpfigheim. Foto: Werner Kuhnle

Seit zwölf Jahren arbeitet Claudia Nafzger als Kräuterpädagogin. Corona hat ihr eine Auszeit verschafft, für die sie rückblickend dankbar ist.

Steinheim-Höpfigheim - Die Nähe zur Natur begleitet sie schon seit der Kindheit. In einem Kuhnest in der Rhön sei sie aufgewachsen, erzählt Claudia Nafzger und lacht. Und in der Landwirtschaft und auf dem Feld groß geworden. Die Berufswahl führte die junge Frau aber zunächst als Restaurantfachfrau in die Gastronomie. „Das war sozusagen mein erster Beruf“, lässt Nafzger die eigene Biografie Revue passieren. Der zweite führte in die freie Wirtschaft. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personalwirtschaft und Organisation arbeitete die Höpfigheimerin als Abteilungsleiterin in einem Wirtschaftsunternehmen. Dann kamen die Kinder.

„Der Einstieg nach der Elternzeit war schwierig“, erinnert sich die heute 55-Jährige. „Als Akademikerin halbtags eine passende Stelle zu finden, ist nicht einfach. Für das eine ist man überqualifiziert, beim anderen passen dann die Arbeitszeiten nicht. . .“

Rückblickend waren diese kleinen und größeren Hürden jedoch entscheidend für eine berufliche Neuorientierung, die Claudia Nafzger nie bereut hat. „Ich bin mit meinen Kindern immer raus in die Natur gegangen – und anfangs mit vielen Fragen heimgekommen. Ist die Pflanze giftig? Oder kann man sie essen? Und so weiter“, erinnert sich die Höpfigheimerin. Das Erleben der Natur in den verschiedenen Jahreszeiten bildete den Grundstein für den weiteren „Kräuterweg“, wie es Nafz-ger formuliert: Entdecken, fragen, lesen, ausprobieren – das macht sie nach der Qualifizierung zur Kräuterpädagogin und einer Fortbildung im Bereich der naturheilkundlichen Medizin und zum Nachhaltigkeitsguide jetzt schon seit zwölf Jahren.

Nafzgers Terminkalender war prall gefüllt – mit Kräuterwanderungen, Vorträgen, Schulprojekten, Workshops. Außerdem verkaufte sie ihre selbst hergestellten Produkte auf Märkten. Dann kam Corona und alles war anders. „Mitte März hat es nur noch so an Absagen gerasselt“, erinnert sich Nafzger. „Ich dachte eigentlich, ich bin breit und damit gut aufgestellt, weil ich so viele unterschiedliche Dinge mache, aber plötzlich ging gar nichts mehr.“

Zwei Monate hielt Nafzger, die auch Geschäftsführerin der Kräuterpädagogen Baden-Württemberg ist, die Füße still. „Dann wollte ich endlich wieder etwas tun – auch für meine Kollegen, bei denen ich eine immer größer werdende Frustration spürte. Ich rief permanent beim Landratsamt an und fütterte die Zuständigen mit Infos, denn ich konnte es irgendwann nicht mehr einsehen, warum vieles gelockert wurde, aber ich mit Menschen nicht in die Natur raus durfte.“

Seit zwei Wochen darf Claudia Nafzger wieder arbeiten. Natürlich mit Auflagen und unter Einhaltung des Hygienekonzeptes. Ihre Wahrnehmung: Die Teilnehmer sind sehr diszipliniert. Gruppen bis zu 99 Personen könnte sie durch die Natur führen, sie begrenzt die Gruppen aber auf zehn. „Ich darf nichts mehr verteilen, der Abstand muss eingehalten werden und ich muss die Leute die Kräuter selbst suchen lassen – da macht eine größere Gruppe keinen Sinn.“ Für die Arbeit nach dem Shutdown entwickelte Nafzger ein neues Konzept. „Die Teilnehmer müssen selbst aktiver werden als vor Corona. Und ich erkläre mehr – auch die Zusammenhänge.“ Die Menschen, die sich für eine Führung mit ihr anmelden, sind interessierter an dem Phänomen Natur und stellen auch mehr Fragen, hat die 55-Jährige beobachtet. Was macht der rote Farbstoff in den Früchten? Warum ist er gut für unser Immunsystem und die Zellerneuerung? Fragen, auf die die Kräuterpädagogin Antworten weiß.

Die Natur erlebt die Höpfigheimerin in diesem Jahr als extrem blühfreudig. „Sie gibt alles im Überfluss, als ob sie um Aufmerksamkeit buhlen würde in einer Zeit, in der viele Menschen sich in der Natur bewegt haben“, sagt Claudia Nafzger. Auch sie selbst hat die Zeit genutzt. „Ich habe Kräuter gesammelt und Neues ausprobiert.“ Etwa eine Wildkräuterpaste mit Blüten des Gundermanns, mit Schafgarbe und Gänseblümchen drin. Auch wenn es aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine schwierige Zeit gewesen ist, empfindet Claudia Nafzger eine große Dankbarkeit. „Wir werden gestärkt aus dieser Zeit gehen“, ist sie sicher. „Die Menschen werden mehr Interesse an der Natur und der Naturheilkunde zeigen und haben durch die Zeit ein anderes Bewusstsein für das, was wichtig ist, entwickelt. Wir müssen mehr im Kontext denken – so wie die Natur. Da kann man viel von ihr lernen“, ist die55-Jährige überzeugt.