Verschiedene Gremien – wie etwa auch der Kreistag – haben die digitale Teilnahme an Sitzungen bereits möglich gemacht. Foto: Archiv (dpa/Finn Winkler)

Die Marbacher Stadträte verwehren der Presse die Bitte, sich digital in Sitzungen zuschalten zu können. Sich selbst gestehen sie den Gesundheitsschutz aber zu.

Marbach - Es gibt Nachrichten, die muss man zwei Mal lesen – und kann sie am Ende doch nicht glauben. Das Marbacher Ratsgremium verweigert Pressevertretern die Bitte nach einer Online-Teilnahme an Sitzungen – trotz der technischen Möglichkeit. Journalisten sollen, anders als sie selbst, in Präsenz teilnehmen. Er habe das Thema angesprochen, doch die Räte seien mehrheitlich nicht begeistert gewesen, lässt Hauptamtsleiter Jürgen Sack wissen. Die Presse soll vor Ort sein, um auch die Stimmungen und das Abstimmungsverhalten der einzelnen Räte besser einfangen und „würdigen“ zu können. Zudem lege man Wert darauf, bei Bedarf persönlich ins Gespräch kommen und die Sicht der Dinge unmittelbar darstellen zu können. Der Vollständigkeit halber: Nur vor oder nach den Sitzungen – und auch da nur im Fall einer Pause vor dem nicht öffentlichen Teil – gibt es diese Möglichkeit. Und wenn überhaupt, bleibt es beim Smalltalk.

Verwaltung lässt Räte entscheiden

Etwas verwundert bin ich darüber, dass die Marbacher Verwaltung sich nicht in der Lage sieht, selbst zu entscheiden, ob die Presse digital zu einer Sitzung zugeschaltet werden kann oder nicht. So wie auch der Landrat vor einiger Zeit dem Wunsch der Vertreter der Presse nachgekommen ist, dass es in ihrer eigenen Entscheidung liegt, ob sie die Kreistagssitzungen digital verfolgen, oder sich dem Risiko der Präsenz aussetzen wollen.

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Wir gehen bald ins dritte Jahr der Pandemie. Dass immer noch nicht alle Kommunen Hybridformate umsetzen, ist traurig genug. Selbst wenn das Frühjahr und der Sommer uns durchschnaufen lassen, weiß keiner von uns, wie sich die Situation im nächsten Winter darstellt. Rechtzeitige Weichenstellung sieht anders aus. Wütend und fassungslos macht es mich aber, dass die Stadt Marbach die technische Möglichkeit hat, Journalisten von ihrer Nutzung aber ganz bewusst ausschließt. Das sagt viel über das Selbstverständnis und die Haltung der Bürgervertreter aus. Die lokalen Zeitungen berichten aus den Kommunen und leisten damit einen Beitrag zur Information und Meinungsbildung der Bürger – trotz des Infektionsrisikos, trotz steigender Inzidenzen, trotz stundenlanger Sitzungen.

Gesundheitsschutz spielt untergeordnete Rolle

Aus dem Marbacher Votum lässt sich jedenfalls nur eines schließen: Der Schutz der Gesundheit der Pressevertreter – und letztlich auch ihrer Familien – spielt für das Gros der Räte und die Verwaltungsspitze eine untergeordnete Rolle. Die Argumentation und die Entscheidung der Schillerstädter fühlt sich jedenfalls wie ein Schlag ins Gesicht an.