Von der Erde aus beobachtet ist der Anblick nicht weniger spektakulär. Fotografin Carolin Liefke staunte vor allem über den Schweif, der einige Tage lang immer heller leuchtete. Foto: Carolin Liefke/Haus der Astronomie Heidelberg

Der Komet Neowise ist in diesen Tagen auch abends sichtbar – und am Nachthimmel gut mit bloßem Auge zu erkennen. Hier kommen die besten Beobachtungstipps von Astronomen.

Heidelberg/Stuttgart - Arbeitende Menschen stellen sich normalerweise nur sehr ungerne mitten in der Nacht den Wecker. Doch zurzeit ist das ausnahmsweise anders. Der Grund: Komet Neowise. Sein Auftritt am Nachthimmel lässt gerade sehr viele Menschen in Deutschland nachts voller Vorfreude aufstehen. Und die Begeisterung über das Schauspiel ist groß. Denn seit dem Besuch des Kometen Hale-Bopp vor 23 Jahren gab es Experten zufolge keinen Kometen mehr, der so gut mit bloßem Auge zu beobachten war wie der jetzige Besucher.

Ein unerwarteter Lichtblick

Am 27. März ist Neowise entdeckt worden, seither wird er von Astronomen beobachtet. Vor knapp zwei Wochen, am 3. Juli, kam er auf seiner Bahn der Sonne am nächsten – er flog mit 43 Millionen Kilometer Abstand an ihr vorbei und wurde dabei unerwartet hell. Manche Beobachter befürchteten deshalb, dass er nach der Umrundung nicht mehr sichtbar sein würde. Denn Kometen sind Überreste aus der Entstehungszeit des Sonnensystems und bestehen aus Eis, Staub und lockerem Gestein. Je näher sie auf ihrer Flugbahn durchs kalte All einem heißen Stern kommen, desto mehr Staub löst sich. Dabei entsteht der typische sichtbare Schweif – und dazu noch ein unsichtbarer Schweif aus Ionen, der viel länger ist. Dieser Prozess lässt die Gesteinsbrocken manchmal auch zerbrechen. Doch Neowise ist noch immer zu sehen. Einer Studie zufolge misst sein Kern etwa fünf Kilometer im Durchmesser. Am Himmel leuchtet er wie ein mittelheller Stern, der Schweif ist etwa so lang wie vier Vollmonde. Allerdings lässt seine Leuchtkraft inzwischen nach, da er wieder ins äußere Sonnensystem unterwegs ist. Dafür steigt er am Nachthimmel zunehmend höher, was die Sichtbarkeit wiederum verbessert. Wer ihn unbedingt sehen will, sollte sich beeilen. Mit dem Fernglas ist der Komet auf jeden Fall ein spektakulärer Anblick – und zwar einer, der nun auch schon in den Abendstunden ab etwa 23 Uhr zu sehen ist. Man muss also nicht mehr den Wecker stellen, sondern einfach nur länger wach bleiben.

Tief am Horizont suchen

Die Vereinigung der Sternfreunde hat eine Karte erstellt, mit der auch ungeübte Beobachter den Schweifstern am Himmel finden dürften. Wichtig ist, dass man einen freien Blick auf den nordwestlichen Horizont hat. Dort steht der Komet augenblicklich relativ tief, wandert aber im Lauf der nächsten Tage immer höher, wie Sven Melchert sagt. Der Vorsitzende der Vereinigung hat den Kometen vom Stuttgarter Westen aus sogar mit leuchtenden Nachtwolken fotografiert. Am 23. Juli kommt er der Erde am nächsten. Die meisten Beobachter gehen deshalb davon aus, dass er noch einige Tage zu sehen sein wird.

Warum man übrigens keine genauen Uhrzeitangaben zur Flugbahn des Kometen findet, erklärt Carolin Liefke vom Haus der Astronomie in Heidelberg: „Die genauen Zeiten richten sich nach dem Standort: Der Breitengrad, auf dem man sich befindet, bestimmt die Höhe, die der Komet über dem Horizont erreicht“, schreibt Liefke, die den Komet zwischen Heidelberg-Grenzdorf und Eppelheim mehrfach fotografiert hat. „Weiter im Norden steigt er höher. Gleichzeitig geht dort allerdings die Sonne früher auf und später unter – wann genau, richtet sich zusätzlich nach dem Längengrad“. Wer ganz sicher gehen will, sollte deshalb – wie zum Beispiel vom unter anderem von Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) empfohlen – eine Sternbeobachtungs-App benutzen. So schnell wird es jedenfalls keine zweite Gelegenheit zu einem Wiedersehen geben. Denn Neowise kehrt wahrscheinlich erst in etwa 7000 Jahren zurück.