„Was sind Silvesterfeiern öde“, sagt sich Frank Wewoda. Nichts wie weg! Foto: privat

„Was sind Silvesterfeiern öde“, sagt sich Redakteur Frank Wewoda. Nichts wie weg nach Malle!

Marbach/Bottwartal - Prosit! So zufrieden wie mit den Feiern an Silvester in meiner Kindheit war ich danach nie mehr, muss ich gestehen. Das ist leider so, seit die seligen Tage vorbei sind, als Knallfrösche, Feuerfontänen, Kracher oder – besonders toll: Luftheuler – mein Herz höher schlagen ließen. Von da ab wurde der Silvesterabend immer zäher. Raclette, Bleigießen, Siedler von Catan und andere Brettspiele – ich habe wirklich alles versucht.

Besonders schlimm habe ich eine Teenagerfeier in Murr in Erinnerung. An deren Ende schloss sich ein Mädchen wegen eines Kumpels von mir heulend im Bad ein, die Kelly Family schallte aus den Lautsprecherboxen, das Flaschendrehen (ich hoffe, die Jüngeren machen da heute irgendetwas Besseres im Internet) wollte die Zeit nicht so recht ausfüllen. Daher standen eben romantische Verwicklungen im Vordergrund, die mich noch im Rückblick so quälen, dass ich lieber voraus schaue.

Weil es mit den Silvesterabenden nicht so richtig besser wurde – okay, nett war es in meinen Zwanzigern einmal im Stuttgarter Westen, als die rauchenden Gäste, während sich die Sekt- und Bierflaschen immer schneller leerten, trotzig beschlossen, im neuen Jahr so viel zu rauchen wie nie zuvor. Doch wer hält das schon Jahr für Jahr durch! So habe ich vor sieben Jahren einen radikalen Schnitt gemacht. Seit damals buche ich zum Jahreswechsel einen Flug nach Mallorca, verbringe Silvester – nein, nicht am Ballermann –, sondern bei Spaniern in der Hauptstadt Palma.

Dort beginnen die Feiern regelmäßig erst um 22 Uhr mit einem mehrgängigen Essen. Es besteht da bei eher konservativen Spaniern praktisch Krawattenzwang. Aber was für eine Befreiung (!) vom deutschen Feierzwang ab 19 Uhr! Pünktlich zum Dessert werden zwölf abgezählte und in Folie eingewickelte, einzelne Trauben für jeden Gast an den Tisch gebracht. Da dachte ich beim ersten Mal verdutzt: Was soll das nun? Doch wie gebannt starren alle in den Minuten direkt vor Mitternacht auf den ohnehin durchgängig eingeschalteten Fernsehapparat. Und dann kommen plötzlich die Trauben ins Spiel.

Wird das Ziffernblatt des Madrider Rathauses eingeblendet, wickeln alle ihre zwölf Trauben aus und zählen sie ab (es müssen, um Himmels willen, genau zwölf sein). Sobald sich der große Zeiger über den kleinen legt, gibt es kein Halten mehr: Mit jedem Glockenschlag wird eine Traube verspeist. Natürlich leidet das Glück im neuen Jahr, wenn man zu früh anfängt, sich bei den Glockenschlägen vertut – Achtung, es gibt erst Glockenschläge für die volle Stunde – oder verschluckt.

Dazu schickt es sich, Eheringe in den gefüllten Cavagläsern zu versenken und rote Unterwäsche zu tragen. Das ist übrigens auch in Italien der Fall, wie ich später erfahren habe.