Die Kosten für die Kinderbetreuung müssen gedeckt werden. Foto: KS-Images.de / /Karsten Schmalz

Die Gemeinde Murr erhöht erstmals nach zwei Jahren wieder die Kita-Gebühren. Die Kommune hatte wegen der Pandemie Rücksicht genommen.

Murr - Ein heißes Eisen in der politischen Diskussion sind regelmäßig die Kindergartengebühren in Murr. Nicht, dass sie höher wären als andernorts – im Gegenteil. Doch im Gemeinderat sind die eigentlich jährlich möglichen Anpassungen an den Landesrichtsatz stets umkämpft. Nun hat die Waage nach längerer Zeit erstmals wieder für eine Erhöhung um drei Prozent zum 1. Januar 2022 ausgeschlagen.

Der Anstieg entspricht real Mehrkosten von ein bis elf Euro pro Monat und Kind. Zwei Jahre lang hatte die mit Rücklagen in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro relativ reiche Kommune die Eltern wegen der Erschwernisse der Corona-Pandemie von Gebührenerhöhungen verschont – und damit einen sozialen Kurs eingeschlagen.

Die Eltern decken nur noch 11,5 Prozent der Betriebskosten

Die meisten anderen Kommunen orientieren sich bei den Kita-Gebühren am Landesrichtsatz. Er beträgt im Land Baden-Württemberg normalerweise 20 Prozent. Das heißt, Eltern sollten mit ihren Gebühren diesen Anteil an den Kita-Kosten abdecken. Aktuelle Anpassungen legt eine Kommission des Gemeindetags, des Städtetags sowie der Kirchen und ihrer Fachverbände jeweils mit jährlichen Empfehlungen fest. Murr jedoch setzte mehrmals aus. So betrug der Elternanteil zuletzt im Jahr 2020 mit rund 262 000 Euro nur noch rund 11,5 Prozent der Betriebskosten.

Auf steigende Kosten wies der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch in der Sitzung des Gemeinderats hin. „Wir stehen vor einer Riesenherausforderung“, sagte er und nannte die 1,6 Millionen Euro, die von der Gemeinde nach dem neuen Haushaltsrecht für alle Abschreibungen erwirtschaftet werden müssten. Die Gemeinde investiere derzeit drei Millionen Euro in den Neubau des Kindergartens Lindenweg und müsse vier Erzieherinnen einstellen, für die ein Jahresgehalt von je 60 000 Euro einzukalkulieren sei. „Wir können uns das nicht weiter leisten, es wird uns irgendwann einholen.“ Die Rücklagen dürfen nicht für laufende Betriebskosten eingesetzt werden.

Die Lage für Familien sei nicht besser geworden, argumentiert die SPD

Gegen die Erhöhung stimmten vier von zwölf anwesenden Räten, Giorgio Monteleone (CDU) enthielt sich. Die finanzielle Situation der Corona-Pandemie habe sich für Familien eher noch verschärft, argumentierte Said Benali (SPD). Die Kita sei im Grunde eine Bildungseinrichtung und müsste grundsätzlich vom Land finanziert werden, meinte auch Fraktionskollege Thomas Utz. Und Uwe Riedel von den Freien Wählern will nicht „ganz unten“ bei den Eltern anfangen, die mit 17 000 Euro zusätzlich pro Jahr nur einen kleinen Beitrag leisten würden. Im Vorfeld hatte sich auch der Gesamtelternbeirat der Murrer Kitas gegen höhere Gebühren positioniert und auf die Einbußen durch die Pandemie hingewiesen.

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Die Befürworter einer Erhöhung rekrutierten sich aus CDU, Freie Wähler und Grünen: Der Grüne Tayfun Tok sprach von einer „moderaten“ Anpassung nach der längeren Pause. Für Nachhaltigkeit im Haushalt setzte sich Gunter Eberhardt von der CDU ein und nannte auch andere Bereiche wie etwas das Friedhofswesen: „Wenn wir Gebühren nicht anpassen, haben wir unsere Rücklagen sehr schnell verbraucht.“ Marcus Leibbrandt von den Freien Wählern findet, „dass die Allgemeinheit schon viel der Kindergartenkosten trägt“. Und Florian Gärtner von der CDU sieht wirklich bedürftige Familien durch das Landratsamt Ludwigsburg abgesichert, das Kosten übernimmt.

Die Gemeinde zahlt einen Ausgleich für kirchliche Kindergärten

Ein Kind aus einer Familie mit einem Kind kostet Eltern 128 Euro im Monat, ein Kleinkind aus einer solchen Familie 267  Euro. Das Essensgeld beträgt 80 Euro. Damit Eltern im evangelischen Kindergarten Pfarrgasse nicht mehr zahlen müssen als in kommunalen Kindergärten, zahlt die Kommune bisher jährlich 1400 Euro Ausgleich.

Corona-Schnelltests an Murrer Kindergärten

Keine Testpflicht
 Bisher gilt keine Corona-Testpflicht an den Murrer Kindertagesstätten. Die Gemeindeverwaltung berichtete in der jüngsten Ratssitzung jedoch von einigen PCR-Positivtestungen bei Kindern an Kindertagesstätten und an der Lindenschule, die die Schließung einer Gruppe und weitere Testungen zur Folge hatten. Deshalb wolle man den Eltern „relativ kurzfristig“ auf freiwilliger Basis Schnelltests mitgeben, damit sie ihre Kinder zu Hause testen könnten, kündigte Bürgermeister Torsten Bartzsch an, der gegen eine Testpflicht ist. „Dies wäre ein erheblicher Eingriff, das muss uns bewusst sein“, sagte er und berief sich auf eine Empfehlung des Gesundheitsamtes, in dieser Frage genau abzuwägen.