Wenn jugendliche Angelfreunde den amerikanischen Signalkrebs aus der Murr fischen, dann artet das schon mal in einen kleinen Wettstreit aus Foto: KS-Images.de / Karsten Schmalz

Jugendliche Angelfreunde fischen den amerikanischen Signalkrebs aus der Murr.

Guck mal, Mama, der brutale Typ, der steckt richtig mit der Schere in dem Schwanz von dem anderen drin!“ Der zehnjährige Max Strobel ist fasziniert. Tatsächlich sieht es so aus, als ob sich zwei der braunen Schalentiere, die sich in seinem weißen Plastikeimer befinden, einen Kampf „bis auf die Schere“ liefern. Zumindest scheint einer davon erbost zu sein. Immerhin hat man ihn gerade aus der Murr geholt. Ein mit einem Stück Fisch als Köder versehener Krebsteller, der Ähnlichkeit mit einem Kescher hat, ist ihm zum Verhängnis geworden.

Rund 30 Jugendliche gehen unter der Aufsicht des Angelsportvereins Kirchberg seit neun Uhr früh an beiden Murrufern auf die Jagd nach solchen „brutalen Typen“. Die stammen ursprünglich aus Amerika und sind sogenannte Signalkrebse. Und für sie, erklärt Enrico Wendt, „besteht eine Entnahmepflicht“. Wendt beaufsichtigt die Jugendlichen beidseits der Brücke und steigt mit seiner wasserdichten Wathose auch mal direkt in die Murr, wenn sich einer der Krebsteller verfangen hat.

Was Tierschützer erschrecken mag, ist für die Natur wichtig. Denn der amerikanische Eindringling mit den auffälligen weißen Flecken an den Scheren überträgt die Krebspest. Er selber ist dagegen immun, seine einheimischen Verwandten wie Edelkrebs, Steinkrebs oder Dohlenkrebs nicht, weiß Achim Megerle, der Kreisvorsitzende des Landesfischereiverbands Hohenlohekreis, der für den Theorieteil des Tages zuständig ist: „Wenn das Gewässer erst einmal infiziert ist, sterben die einheimischen Krebse in zwei bis drei Wochen unwiederbringlich.“ Mehr noch: Der Amerikaner ist auch aggressiver und vermehrt sich schneller. „Das ist seit etwa zehn Jahren ein Riesenproblem“, sagt Megerle. Und zwar eines, das man nicht mehr ganz loskriegt, wie er betont. Dennoch versuchen Fischer zusammen mit Naturschützern, die Bestände zumindest zu dezimieren, damit die Tiere wenigstens nicht in die kleineren Bäche vordringen.

Wie stark sich der Signalkrebs schon ausgebreitet hat, sieht man an den Mengen, die die Jugendlichen in kürzester Zeit aus einem vergleichsweise kleinen Abschnitt der Murr holen. Patrick Vogel, Mick Heuschele, Jorell Thielacker, Fabian Huber und Peter Exler, die zusammen mit drei weiteren jungen Sportfischern aus Benningen gekommen sind, überschlagen schnell ihren Fang: „200 werden es etwa sein, und das in zwei Stunden“, meinen sie. Vlado Pajurin vom Kirchberger Angelsportverein, der selber in Benningen wohnt, hatte sie beim Straßenfest gefragt, ob sie nicht Lust hätten, bei der Aktion mitzumachen, und sie waren gleich Feuer und Flamme. „Wir haben noch nie Krebse gefischt, das ist richtig cool!“, findet etwa der 15-jährige Peter. Und sie sind überrascht, dass das so schnell geht: „Zehn Minuten, dann hat man meistens schon ein paar Stück“, hat der gleichaltrige Fabian festgestellt. Ansonsten sehen sie das massenweise Auftreten der Tiere kritisch: „Das einzig Gute an den Viechern ist, dass man sie essen kann.“ Carl-Hannes Wagner, der wie einige andere extra aus Sternenfels gekommen ist, meint: „Krebsfischen macht Spaß, das ist mal was anderes als mit der Rute“, und sein Kumpel Till Strobel ergänzt: „Und die sind auch nicht so schleimig wie Fische.“

Dabei entsteht schon mal ein kleiner Wettstreit. Wer hat mehr, und vor allem: Welche Technik ist die beste? Soll man lieber den Krebsteller zwanzig Minuten ungestört im Wasser lassen oder alle fünf Minuten kontrollieren? Jeder hat da so seine eigene Theorie.

Einig sind sich die meisten dagegen später an der Hütte des Angelsportvereins. Dort wird die Beute gekocht und gemeinsam verspeist: „Die schmecken lecker“, loben die jungen Fischer. Und ein paar stimmen gleich das Lied „An der Nordseeküste“ an, weil das Öffnen der Schalentiere irgendwie an Krabbenpulen erinnert.

Die siebenjährige Kirchbergerin Maylin will aber keinen der Krebse essen, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester Yara gefangen hat. Anders als die 15-jährige Cindy vom Fischereiverein Leintal, die sich hör- und sichtbar gruselt, als ihr der ein Jahr ältere Lars eines der noch lebenden Tiere mit den Scheren voraus entgegenhält, hat sie immerhin mal einen der Signalkrebse angefasst: „Der war ganz hart und hatte rote Scheren“, berichtet sie. Inzwischen, nach dem Kochen, sind die Tiere komplett rot – „krebsrot“ eben.

Wem das Aufbrechen der harten Schalen zu umständlich ist oder wer der ungewohnten Speise doch nicht so recht traut, für den hat der Angelsportverein Kirchberg Würste auf den Grill gelegt. Die übrigen Krebse landen am Ende des Tages in der Bratpfanne. „Das ist dann die Steigerung des Geschmacks“, schmunzelt Vlado Pajurin. Und die einheimischen Krebse haben dank der Aktion eine bessere Überlebenschance.