Seit Generationen: Kinder sind die natürliche Zielgruppe für Kaugummiautomaten. Foto: imago /Westend61/Frank Muckenheim

Es gibt sie noch – und gar nicht mal so selten, die guten alten Kaugummiautomaten an der Hauswand. Wir haben nachgefragt, wer sie aufstellt, wo man sie findet und wer sie nutzt.

Stuttgart - Mit ihrer Tochter an der Hand läuft eine Mutter die Straße entlang. Das kleine Mädchen bleibt stehen, läuft weiter. Das, was die Aufmerksamkeit des Kindes gefesselt hat, steht leicht verrostet am Rand des Gehwegs: ein weiß-gelber Kaugummiautomat. Es ist einer dieser Automaten, die Passanten zufällig entdecken, sich kurz fragen, warum es sie noch immer gibt und dann vergessen. Das Kind dreht an der Münzscheibe, ohne das nötige Geld eingeworfen zu haben, rennt der Mutter hinterher und lässt den Kaugummiautomaten zurück.

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Paul Brühl hat die Automaten nicht zurückgelassen. Er ist seit fast zehn Jahren Geschäftsführer des Verbands der Automaten-Fachaufsteller (Vafa). Die etwa 75 Mitglieder des Vafa bieten in ihren Warenautomaten nicht nur Kaugummis, sondern auch Spielzeug, Kondome und Kaffee an. Brühl sagt, das deutsche Automatengeschäft müsse fortschrittlicher werden: „Es gibt noch immer die alte Garde, die so weitermachen möchte wie bisher. Denn beim Großvater hat’s geklappt, und beim Vater hat’s geklappt. Ich sage aber: Bei dir klappt’s nicht mehr.“ Schluss also mit den nostalgisch angemackten Geräten an der Ecke?

Automatenaufsteller klagen über Vandalismus

Laut Vafa gibt es in Deutschland zwischen 400 000 und 600 000 Kaugummiautomaten. Vor wenigen Jahren lag diese Zahl noch höher, sagt Brühl. Damals schätzten Experten den Bestand auf 500 000 bis 800 000 Automaten. Seine Hochphase hatte der Kaugummiautomat von den 1950ern bis in die 80er Jahre. Auf dem Markt änderte sich seitdem viel – was ähnlich blieb, waren die Automaten an der Hauswand. Nur die Zahl der Süßigkeitenhersteller und die Preise sind gestiegen. Kostete die Nascherei früher etwa zehn Pfennig, sind es heute zwischen 20 und 50 Cent, weiß Brühl.

Aufgefüllt werde so ein Gerät etwa alle sechs, acht oder zwölf Wochen. „Aber mindestens halbjährlich.“ Der Umsatz pro Automat liege zwischen 20 und 200 Euro im Jahr. „Um vernünftig über die Runden zu kommen, braucht man 1000 bis 2000 Automaten.“ Auch wenn es meist nicht so wirkt: Kundschaft gibt es. „Die Zielgruppe sind noch immer vornehmlich Jugendliche und Kinder“, sagt Brühl. Sie zu erreichen sei nicht mehr so leicht wie früher. „Kitas und Ganztagsschulen holen die Kinder von der Straße.“

Ein weiteres Problem für die Aufsteller laut dem Geschäftsführer: deutlich zunehmender Vandalismus gegen die Automaten. „Uns kommt es so vor, als ob die Polizei in vielen Fällen wegschaut“, sagt Brühl. Selten werde eine Beschädigung strafrechtlich verfolgt. Das Polizeipräsidium Stuttgart bestätigt eine steigende Gewalt gegen frei stehende Automaten nicht. „Diese Art von Automaten ist nicht mit einem eigenen statistischen Schlüssel belegt, daher auch nicht statistisch auslesbar“, heißt es auf Nachfrage.

Die Ausbildung zum Automatenfachmann

Von der Polizei nicht erfasst, von den Erwachsenen belächelt: Hat der Kaugummiautomat noch eine Überlebenschance? Ein Blick in die Niederlande oder nach Italien zeige, wie moderne Automatenwände aussehen könnten, sagt Brühl. Die Branche selbst gibt sich derweil Mühe, ihre Lage zu verkomplizieren, denn eine einheitliche Lobby hat sie nicht. Neben dem Vafa haben sich über die Jahre zahlreiche weitere Verbände gegründet und spezialisiert – vom Bundesverband der Deutschen Vending-Automatenwirtschaft zum Bundesverband der Warenautomatenaufsteller zum Deutschen Automaten-Verbund. Es gibt noch mehr.

Eines ist seit einigen Jahren einheitlich geregelt: Wer in das Geschäft einsteigen möchte, kann eine Ausbildung zum Automatenfachmann absolvieren. Da lernt man unter anderem die gesetzlichen Bestimmungen, etwa beim Aufhäng- oder Lebensmittelrecht. In vielen Städten gebe es strenge Verordnungen bezüglich des Platzierens von frei stehenden Automaten, sagt Brühl. In Stuttgart ist das laut dem städtischen Ordnungsamt anders. Wenn die Warenautomaten „nicht auf der Straße stehen“ und „nicht mehr als 0,30 m in den Luftraum der öffentlichen Straße hineinragen“, werde keine Sondernutzungserlaubnis fällig. „Wichtig ist, eine Genehmigung des Gebäudeeigentümers einzuholen“, sagt eine Sprecherin der Stadt.

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Außerdem gelte für Stuttgart: „Diese Automaten (z. B. Kaugummi- oder auch Zigarettenautomaten) werden nicht vom Amt für öffentliche Ordnung geprüft.“ Zeit also für einen selbstlosen Selbsttest in der Landeshauptstadt. 20 Cent lassen aus einem Automaten zwei Kaugummikügelchen in Weiß und Orange purzeln. Einmal darauf gebissen, breitet sich für einige Minuten eine geballte Süße im Mund aus. So weit so gut. Kaugummiblasen blasen: funktioniert. Fazit: Geht wie früher.