Amber Heard (Mitte) mit ihren Anwälten. Foto: AFP/ELIZABETH FRANTZ

Drei Wochen lang hörte die Jury Johnny Depps Sicht auf seine Beziehung mit Amber Heard. Am Mittwoch saß erstmals die 36-Jährige im Zeugenstand. Unter Tränen schilderte sie, wie ihre Ehe mit dem Superstar verlief.

 Amber Heard wendet sich der Jury zu, während sie spricht. Manchmal kommen ihr die Tränen. Sie redet schnell, vor allem im Vergleich zu ihrem Ex-Mann Johnny Depp, der bei seiner Aussage sehr bedächtig sprach, sich alle Zeit ließ. Als könne sie kaum erwarten, dass die Welt auch ihre Version der Beziehung hört, die sie am Boden und traumatisiert zurückgelassen haben soll. Der Verleumdungsprozess im US-amerikanischen Fairfax läuft seit Mitte April, aber erstmals hörte man am Mittwoch Amber Heards Stimme im Gerichtssaal – live und nicht von Tonaufnahmen, die abgespielt werden.

„Ich bin hier, weil mein Ex-Ehemann mich verklagt hat“, sagt Heard zum Auftakt in der Befragung durch ihre Anwältin. Es sei „schrecklich“ für sie, hier über Wochen hinweg „alles wieder zu erleben“ und über ihr vergangenes Kapitel mit Depp zu sprechen. „Dies ist die schmerzlichste und schwierigste Sache, die ich je durchgemacht habe.“

Schlug er sie, weil sie lachte?

Unter Tränen beschreibt die heute 36-jährige Schauspielerin dann, wie Johnny Depp sie das erste Mal geschlagen haben soll. Unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen sei er bei dem Vorfall aus dem Jahr 2012 gestanden. Sie habe über sein Tattoo gelacht, das (wie schon oft über Johnny Depp geschrieben wurde) einst „Winona forever“ lautete und das der Schauspieler nach dem Ende seiner Liebe zu Winona Ryder in „Wino forever“ abändern ließ. Was etwa so viel bedeutet wie „Säufer für immer“. Plötzlich, so beschreibt es Heard, habe ihr Depp daraufhin eine Ohrfeige verpasst. Sie habe es nicht fassen können, im Schock weiter gelacht – auch als ihr Ex-Mann noch zwei Mal mehr zugeschlagen habe. „Das hat mein Leben verändert.“

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Depp habe sich danach unter Tränen bei ihr entschuldigt und Besserung beteuert – wie er das immer wieder getan habe, nachdem er (unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol) immer wieder handgreiflich geworden sei. Auch von sexueller Gewalt und verbalen Entgleisungen berichtet die Schauspielerin in ihrer zwei Stunden langen Aussage. Er habe sie ständig verdächtigt, Affären zu haben, habe sie als „Hure“ beschimpft und gedroht, sie umzubringen. Um ihre Aussagen zu untermauern, legen Heards Anwälte Fotos vor, die beispielsweise blaue Flecke zeigen.

Warum sie Depp nicht verlassen habe? In nüchternen Phasen habe er beteuert, jetzt werde sich alles ändern, schildert Heard im Zeugenstand. Dann sei er für ein paar Wochen „wie ein Traum“ gewesen, „absolut magisch“. Er habe der netteste, aufmerksamste, großzügigste und lustigste Mensch sein können, bis seine „angsterregende“ Seite wieder zum Vorschein gekommen sei.

Depp stellt die Beziehung ganz anders dar

Johnny Depp hörte seiner Ex-Frau fast regungslos zu, hatte den Blick meist gesenkt und sah Heard nicht an. Der 58-jährige Hollywood-Superstar und seine Anwälte stellten die 15-monatige Ehe zu Amber Heard ganz anders da. Er habe seiner Ex-Frau nie Gewalt angetan, sagte Depp in seiner Aussage. Vielmehr sei sie es gewesen, die immer wieder handgreiflich geworden sei, die aus dem Nichts völlig eskalierende Streits vom Zaun gebrochen habe. Seine Ex-Frau habe ein „Bedürfnis nach Gewalt. Es bricht aus dem Nichts hervor.“

Der 58-Jährige gab zu, dass er ein Problem mit Alkohol und Drogen habe. „Aber niemals bin ich an den Punkt gekommen, Miss Heard auf irgendeine Weise zu schlagen, noch habe ich jemals in meinem Leben eine Frau geschlagen.“ Sein jahrelanger Alkohol- und Drogenmissbrauch habe vor allem einem Menschen geschadet – ihm selbst: „Die einzige Person, die ich in meinem Leben misshandelt habe, bin ich selbst.“

Etliche Zeugen hatte Depps Team in den ersten drei Prozesswochen geladen. Sie alle sollten bezeugen, dass die Aggression stets von Heards Seite ausgegangen war und Depp nie gewalttätig gegen die Schauspielerin geworden war. Eine von Depps Seite bestellte Psychologin sagte aus, Amber Heard leide unter einer Borderline-Störung. Im anstehenden Kreuzverhör werden Depps Anwälte die 36-Jährige vermutlich gehörig in die Zange nehmen.

Musk und Franco treten wohl nicht in den Zeugenstand

Heards Team wird indes versuchen, ein anderes Bild zu zeichnen. Auch sie werden Zeugen aufführen. Zunächst hatte es geheißen, der Tesla-Gründer Elon Musk und der Schauspieler James Franco würden für die Schauspielerin aussagen – inzwischen verlautete aber, die beiden hätten dies abgelehnt. Vermutlich wird auch Heards Familie, beispielsweise ihre Schwester Whitney, in den Zeugenstand treten.

Für beide geht es in dem Prozess um viel. Nicht nur um Geld (Depp hat Heard auf rund 50 Millionen US-Dollar verklagt, seine Ex-Frau will im Gegenzug 100 Millionen von ihm), sondern auch um ihre weitere Karriere: Seine Rolle als Gellert Grindelwald in der Filmserie „Fantastische Tierwesen“ musste Depp 2020 auf Druck des Produktionsstudios abgeben. Und auch Heards Karriere hat der Skandal geschadet. Die Schauspielerin, bekannt aus Filmen wie „The Danish Girl“ oder „Aquaman“, wirft ihrem Ex-Mann vor, er habe sie in Hollywood unmöglich gemacht.

Bei der Schlammschlacht vor Gericht kämpfen Amber Heard und Johnny Depp auch um ihr Bild in der Öffentlichkeit: Ist er ein Schläger? Oder sie eine psychisch gestörte Narzisstin? Darüber streitet inzwischen auch ganz Amerika. Das Interesse ist riesig: Der Prozess wird von allen großen US-Sendern im Livestream übertragen.