Im Februar hat die Theater-AG am Schiller-Gymnasium das Stück „Ehrlich korrupt – jetzt wird ausgepackt Foto: Archiv (Erik Müller)

Das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium will sich an die Vorgaben des Kultusministeriums gegen die Corona-Pandemie halten. Das bedeutet, dass die Schüler im Herbst nicht mehr jahrgangsübergreifend in AGs zusammenkommen dürfen.

Marbach - Wie der Herbst an den Schulen wird, vermag noch niemand genau zu sagen. Doch vor Beginn der Sommerferien hat die Planung dafür längst begonnen. Weichen hinsichtlich der Corona-Pandemie müssen auch am Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) gestellt werden. Dort sind Schüler, Lehrer und Eltern in höchster Weise besorgt, ob das Angebot jahrgangsübergreifender Arbeitsgemeinschaften (AGs) aufrechterhalten werden kann. Nach Lage der Dinge droht sogar ein Kahlschlag.

Betroffen sind außer den AGs auch Musikklassen mit Schülern aus mehreren Jahrgangsstufen. „Die Gruppen sollen klein gehalten werden, um das Infektionsrisiko gering zu halten“, berichtet Helen Volz, Musiklehrerin am FSG. Bei allem Verständnis für das Ziel des Kultusministeriums, einer zweiten Pandemiewelle zu begegnen, könne sie nachvollziehen, dass Schüler nicht verstehen, warum in Vereinen und an Musikschulen in gemischten Gruppen musiziert werden dürfe, an der Schule jedoch nicht. Dort sollen die Klassenverbände möglichst eingehalten werden. „Die AGs fördern die Gemeinschaft – das betrifft nicht nur Chöre, übergreifende Bläserklassen und Schulorchester, sondern auch den Sportbereich wie etwa die Ruder-AG oder die Schulsanitäter.“ Insgesamt gibt es am größten Gymnasium Baden-Württembergs mit 2600 Schülern 75 AGs, darunter 19 im Musik- und Kulturbereich und 14 im Bereich Sport.

Eine Verarmung des Schullebens könnte also die Folge sein, weshalb sich Helen Volz der Aktion „Schule braucht Kultur – Schule braucht AGs“ angeschlossen hat, die landesweit Wellen geschlagen hat. Volz moniert, dass es wissenschaftlich nicht begründbar sei, die Musikangebote radikal einzuschränken und gleichzeitig den Sportunterricht uneingeschränkt laufen zu lassen. Volz rief die Schüler auf, mit kurzen Videobeiträgen auf die Problematik hinzuweisen. Inzwischen ist ein Video entstanden, das für den Erhalt der AG-Angebote am FSG aus Schülersicht wirbt.

Verständnis für die Aktion hat Jürgen Sauter vom Leitungsteam des Friedrich-Schiller-Gymnasiums. „Die AGs schaffen Vielfalt – und Vielfalt ist unser Ziel“, sagt der Lehrer. Es sei wichtig, die Talente der Jugendlichen zu fördern, auch für ihr Selbstwertgefühl. „Wer in Latein eine Fünf hat, kann sich trotzdem gut fühlen, wenn er cool Saxofon in einer Schulband spielt.“ So wirkten Schüler auch auf Lehrer anders, und sie erhielten in dem Umfeld eine Wertschätzung. Doch bei allen Pluspunkten spielten Corona-bedingt die Risiken des AG-Betriebs eine größere Rolle. Die Vorgaben des Kultusministeriums zum Infektionsschutz erlaubten keine jahrgangsübergreifenden Angebote. „Wir sind gehalten, nur Lerngruppen innerhalb eines Jahrgangs gemischt zuzulassen.“ Erlaubt seien zum Beispiel Französisch- oder Lateinformationen, die sich aus den festen Klassenverbänden heraus bildeten. Das Risiko, sich bei Gesangs- oder Musizierangeboten zu infizieren, sei demgegenüber größer, gibt Sauter die aktuelle Position des Kultusministeriums wieder. „Noch ist vieles im Fluss, es kann sich auch ändern“, meint er. Aber solange dies nicht der Fall sei, bleibe das Friedrich-Schiller-Gymnasium auf dieser Linie.

Aus einem zweiten Grund hält der FSG-Sprecher Sauter es für unwahrscheinlich, dass AGs im Herbst gebildet werden könnten. „Es fehlt wahrscheinlich an Lehrerdeputaten.“ Denn da einige Lehrer zu den Risikogruppen zählten, fielen sie für den Präsenzunterricht aus. Kollegen müssten einspringen. Am Ende gehe das zu Lasten der freiwilligen Angebote.

Bei Kultusministerin Susanne Eisenmann hatte die Protestwelle von Chor- und Musikverbänden in der vergangenen Woche Wirkung gezeigt. Es werde an Lösungen gearbeitet, das Singen und Musizieren mit Blasinstrumenten im neuen Schuljahr zu ermöglichen, hatte die Ministerin mitgeteilt. Es sei möglich, mit großen Abständen, im Freien oder in großen, gut gelüfteten Räumen zu singen, hieß es unter Berufung auf das Institut für Musikermedizin in Freiburg.

Und wie steht es um die anderen AGs? „Wir müssen an den Schulen besonders umsichtig agieren“, sagt die Ministerin in einer Stellungnahme. „Ich denke, es ist Common Sense, dass die Schulen im Herbst wieder so gut es geht einen regulären Betrieb aufnehmen müssen, alles andere wäre für die Bildung, aber auch für die Gesellschaft und die Wirtschaft im Land ein großer Schaden.“ Es werde trotz des angestrebten Regelbetriebs aber kein normales Schuljahr wie vor der Corona-Krise sein, sondern weiterhin ein Schuljahr unter Pandemiebedingungen. Zentral sei, dass der Pflichtunterricht stattfinden könne. Schüler sollten ihre Abschlüsse geregelt ablegen können. Was darüber hinaus stattfinden könne, sei gut, aber es sei möglich, dass von Schule zu Schule abgewichen werde, da vielleicht nicht überall die Lehrer in vollem Umfang zur Verfügung stünden, auch wegen der Risikogruppenzugehörigkeit.

Bei der Diskussion um Singen und Blasmusik an Schulen habe man, so die Ministerin, stellenweise den Eindruck gehabt, „dass einige davon ausgehen, wir hätten die Krise schon überwunden“. Der Infektionsschutz müsse aber für alles, was das Ministerium in der Schule und im Unterricht zulasse, höchste Priorität haben. „Wir müssen verhindern, dass ab Herbst massenhaft Schulen wieder schließen müssen.“ Deshalb seien in dem Konzept bislang jahrgangsübergreifende Gruppenbildungen nicht möglich. Das habe den Hintergrund, dass im Falle einer Ansteckung die Infektionsketten besser unterbrochen werden können und das Gesundheitsamt dann im Zweifel nur eine Klasse zeitweise schließen muss und eben nicht die komplette Schule. Die Frage ist jedoch, ob und wie jahrgangsübergreifende Angebote dennoch ermöglicht werden können. „Das prüfen wir aktuell.“

Ziele der Petition:

Rettet die AGs, rettet die Schulmusik! Die Initiatoren der Petition wollen  folgende drei Richtlinien des Kultusministeriums abwenden:
• „Eine jahrgangsübergreifende Gruppenbildung ist grundsätzlich nicht möglich.“ 
• „Die Regelungen zur Gruppenzusammensetzung gelten auch für Arbeitsgemeinschaften beziehungsweise den Ergänzungsbereich und für den Ganztag.“ 
• „Singen in geschlossenen Räumen ist ausgeschlossen, dies gilt auch für die Verwendung von Blasinstrumenten.“

Alternativer Vorschlag Die Regelung für Musikschulen übernehmen:
• generell Gruppenunterricht nur bis 20 Personen
• Mindestabstand von zwei  Metern bei Gesang und Blasinstrumenten 
• Verhindern, dass Personen im direkten Luftstrom stehen  –  diverse weitere Regelungen für Blasinstrumente.

Alternativ wie Schulen in Rheinland-Pfalz 
• Chorgesang und Blasmusik nach Möglichkeit im Freien oder in großen hohen Räumen
• in möglichst kleinen Gruppen, der Raumgröße angepasst; große Ensembles müssen in kleinere Gruppen aufgeteilt werden
• regelmäßiges, gründliches Lüften  – Mindestabstand: drei Meter 

Das Video der Aktion „Schule braucht Kultur – Schule braucht AGs“ am Friedrich-Schiller-Gymnasium ist auf YouTube unter www.youtube.com/watch?v=FZZrAQpcsTM&t=1s zu sehen.