Heike Breitenbücher nach ihrer Wahl zur neuen Vorsitzenden des Landesruderverbandes Baden-Württemberg. Foto: privat

Der Landesruderverband Baden-Württemberg hat in Heike Breitenbücher vom Marbacher Ruderverein eine neue Vorsitzende.

Marbach - Heike Breitenbücher sitzt seit Jahren im Marbacher Gemeinderat und ist Trainerin beim Marbacher Ruderverein (MRV). Seit 20. Februar ist die 53-jährige Industriekauffrau nun auch Vorsitzende des Landesruderverbandes Baden-Württemberg (LRVBW).

Oft gelangt man ja zum Vorsitz eines Vereines oder Verbandes, weil man im entscheidenden Moment nicht schnell genug in Deckung gegangen ist. Wie war das in Ihrem Fall bei der Wahl zur Vorsitzenden des LRVBW?

Ich denke, das wird diesem Amt nicht gerecht. Das war schon etwas komplizierter. Im vergangenen Sommer sind ja neben der Marbacher Ruderregatta auch viele andere Veranstaltungen ausgefallen, darunter auch die Landesmeisterschaften. Um die Absage der Meisterschaften gab es dann einige Unstimmigkeiten, weil nicht jeder mit dieser Entscheidung einverstanden war. Zudem gab es auch Diskussionen um eine Satzungsänderung, die seit vier Jahren vorbereitet wurde. Leider kam es dabei im Juli 2020 zum Rücktritt des Vorsitzenden. Ich bin im August gefragt worden, ob ich das Amt übernehmen würde. Jeder Rücktritt gibt einem aber erst einmal zu denken. Nach zahlreichen Gesprächen mit verschiedenen Verantwortlichen im Verband sagte ich einige Wochen später meine Kandidatur zu. Coronabedingt musste der Landesrudertag dann letztendlich in den Februar 2021 verschoben werden.

Am 20. Februar sind Sie dann gewählt worden. Zuvor wurde auch die Satzungsänderung verabschiedet, die unter anderem eine Verkleinerung des Vorstandes vorsieht. Was hatte es mit dieser Satzungsänderung auf sich?

Die bisherige Satzung war 29 Jahre alt. In dieser Zeit hat sich auch in der Vereins- und Verbandswelt einiges geändert. Der Vorstand mit der neuen Satzung wurde auf sechs Mitglieder verkleinert und in seinen Ressortzuschnitten zukunftsweisend aufgestellt. Auch ein Verband kommt an Themen wie zum Beispiel Digitalisierung nicht vorbei, hier gibt es jetzt das Ressort Verwaltung für diese Aufgabenstellung. Ein Team aus Experten sowie verschiedene Fachausschüsse unterstützen zukünftig die Verbandsarbeit. Mit dieser neuen Verbandsstruktur konnte ich mir vorstellen, das Amt zu übernehmen.

Wie groß und wie bedeutend ist denn der LRVBW im nationalen Vergleich?

Wir sind ein mittlerer Landesruderverband mit insgesamt 43 Vereinen und etwa 9000 Mitgliedern. In der Traineraus- und -fortbildung sind wir sehr gut aufgestellt, im sportlichen Bereich sind wir derzeit hauptsächlich im Nachwuchsleistungssport aktiv und haben den eigenen Anspruch, unsere talentierten Ruderer in den Bundeskader zu bringen. Diese gehen dann im U23-Bereich oft an die Bundesstützpunkte in Dortmund, Berlin-Potsdam oder Hamburg-Ratzeburg. 2012 hatten wir vier Ruderer aus Baden-Württemberg im Deutschland-Achter. An diese Erfolgsgeschichte würden wir natürlich gerne wieder anknüpfen.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Wir wollen den U23-Bereich breiter aufstellen und entwickeln gerade ein neues Leistungssportkonzept für den Nachwuchsbereich. Neben dem Leistungssport gibt es aber auch einen sehr hohen Anteil an Breiten-, Gesundheits- und Fitnessruderern in unseren Vereinen. Der Breitensport soll nicht in Konkurrenz zum Leistungssport stehen. Um in Zukunft gut aufgestellt zu sein, benötigt auch der Breitensport eine angepasste Konzeption. Das würde ich gerne mit den Vorstandskollegen auf den Weg bringen.

Bringt es denn dem Marbacher Ruderverein in irgendeiner Weise Vorteile, dass die Verbandsvorsitzende nun aus den eigenen Reihen kommt?

Es bringt vielleicht für den Verein ein gewisses Renommee, wenn man im Landesvorstand vertreten ist. Wir hatten in der Vergangenheit auch schon Vorstandsmitglieder aus dem MRV. Weitere oder unmittelbare Vorteile gibt es sicherlich nicht. Jetzt muss ich mich erst einmal im Amt einarbeiten, das wird einiges an Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb werde ich auch meine Trainertätigkeit im MRV zumindest in diesem Jahr etwas zurückfahren müssen. Aber dafür werden wir eine Lösung finden. Mir ist wichtig, dass unsere Ruderer weiterhin gut betreut sind und auch erfolgreich auf Regatten starten können.

Corona hat auch den Sport hart getroffen. Wie sieht es da im Rudersport und insbesondere beim MRV aus?

Mit dem MRV sind wir bislang recht gut durch die Krise gekommen. Wir hatten vergangenes Jahr jeweils 20 Ab- und Zugänge. Über das Land gesehen gab es allerdings einen Schwund. Die natürliche Fluktuation konnten die meisten nicht ausgleichen. Die Mitgliedergewinnung läuft im Rudern normalerweise ja über die Grundausbildung, über Schul-AGs – das ist in den vergangenen Monaten alles weggefallen. Wobei es im Jugendbereich insgesamt wohl ganz gut aussieht. Es gab ja sonst um diese Jahreszeit immer die Ergo-Cups. Das lief diesmal virtuell, und die Teilnehmerzahlen waren auf dem gleichen Niveau wie sonst auch.Finanziell gesehen haben die Rudervereine in der Regel den Vorteil, dass sie nicht auf die Einnahmen aus Kursen oder vereinseigenen Fitnessstudios angewiesen sind, wie das bei großen Mehrspartenvereinen oft der Fall ist.

Wie läuft denn der Trainingsbetrieb derzeit ab?

Im MRV haben wir das Onlinetraining so organisiert, dass es jeden Tag ein Angebot gibt. Und zum Teil wird auch auf dem Wasser trainiert, soweit es die Auflagen zulassen. Die Regelungen sind hier ja sehr inhomogen. Der Verband hat sich dazu entschieden, hier keine einheitliche Lösung anzustreben. Denn das Ergebnis wäre unter Umständen der kleinste gemeinsame Nenner gewesen. Wenn also zum Beispiel in einem Ruderverein nur eine Kaderathletin aufs Wasser darf, dann wäre das im schlimmsten Fall auch auf andere Vereine übertragen worden, die vielleicht schon großzügigere Regelungen hatten. Das kann dann aber auch bei der Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs dazu führen, dass die Voraussetzungen sehr unterschiedlich sein werden.

Gibt es denn auch Dinge, die sich in der Corona-Zeit etabliert haben und die man beibehalten wird?

Also im Training sicherlich nicht. Ich denke, wir sind alle genug vor dem Computer, Laptop oder Tablet gesessen. Gefühlt spreche ich ja nur noch mit meinem Bildschirm. Das Onlinetraining wird sich bestimmt nicht dauerhaft etablieren. In der Vorstandsarbeit ist es wie in vielen anderen Bereichen auch, dass man nun nicht mehr zu jeder Sitzung eine Stunde anreisen muss. Ich denke, da wird wohl auch in Zukunft vieles über Zoom laufen. Auch der Landesrudertag ist ja eine Hybridveranstaltung gewesen: 15 Vorstandsmitglieder und Referenten waren persönlich im Stuttgarter „SpOrt“ anwesend, die Vereinsvertreter wurden online zugeschaltet. Das hat sehr gut funktioniert. In der Trainerausbildung werden wir das hingegen nicht etablieren. Es gab ja im nationalen Verband komplette C-Trainer-Kurse, die online stattfanden. Aber da sind wir im Landesverband der Meinung, dass Praxis und Präsenz nicht zu ersetzen sind. Einzelne Seminarteile oder Vorträge wird man dagegen sicherlich auch künftig online durchführen können.

Die Saison 2020 ist wie bereits erwähnt nahezu vollständig ins Wasser gefallen. Wie beurteilen Sie die Aussichten für 2021?

Auch die Saison 2021 wird nicht normal stattfinden. Es wird Limitierungen geben. Wir haben zum Beispiel eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Durchführung der Landesmeisterschaften beschäftigt. Da gibt es dann verschiedene Szenarien: Wie kann es laufen, wenn 500 Personen auf die Anlage dürfen, wie bei 1000? Auch für die Marbacher Ruderregatta gibt es solche Überlegungen, ebenso für alle anderen geplanten Veranstaltungen. Die Heidelberger Regatta ist bereits vom Mai in den Juni verschoben worden. In den meisten Fällen gibt es eine Deadline, bis zu der dann die Entscheidung fallen muss, ob die Veranstaltung tatsächlich stattfinden kann oder eben nicht.

Wann ist diese Deadline für die Marbacher Ruderregatta?

Die Marbacher Regatta findet in diesem Jahr am 2./3. Oktober statt. Spätestens im August muss wohl entschieden werden. Ich gehe davon aus, dass die Marbacher Regatta stattfindet. Wir wissen eben nur noch nicht wie. Ebenso gehe ich davon aus, dass die Landesmeisterschaften stattfinden, wir wissen nur noch nicht wie.

Rudern ist ja olympisch. Auch da gibt es ja die Frage, ob und wie die Spiele in Tokio stattfinden können. Die Veranstalter haben ja verlautbaren lassen, dass aus ihrer Sicht eine nochmalige Verschiebung nicht in Frage kommt, die Spiele also 2021 stattfinden oder gar nicht. Letzteres würde bedeuten, dass zwischen den letzten Spielen und den nächsten acht Jahre liegen.

Das wäre fatal. Viele Sportler haben sich dazu durchgerungen, sich jetzt noch einmal ein Jahr auf die Spiele vorzubereiten. Würde Tokio nun komplett ausfallen, würde der Sport insgesamt wohl eine ganze Generation verlieren.