Auch für die IFC-Schüler war es ein besonderes Jahr. Foto: privat

Die Internationalen Klassen (IFC) am Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium trotzen den Herausforderungen der Pandemie.

Marbach - Im Dschungel der Corona-Vorgaben noch den Überblick zu behalten, ist teilweise schon alleine in den Bundesländern kompliziert. Wer das nun für mehr als zehn Länder auf dem gesamten Erdball versucht, der hat wirklich alle Hände voll zu tun – so wie Natalia Sipos und Felix Brenner. Die beiden Lehrkräfte leiten die Internationalen Klassen (IFC) am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach und standen 2020 mit so vielen Ämtern, Behörden und Botschaften in Kontakt wie nur selten, erinnert sich Sipos: „Doch das Projekt abzusagen, stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte.“

Doch gehen wir erst einmal zurück ins Frühjahr des Jahres 2020: Die IFC war in vollem Gange, die Gastschüler hatten sich schon gut bei ihren Familien eingelebt. Und plötzlich schwebte die Corona-Pandemie als große Unbekannte über den Köpfen aller Beteiligter. Wie sich diese konkret auf das Schuljahr auswirken wird, das wusste auch bei der IFC vorher niemand, so Natalia Sipos: „Uns ging es da so wie allen. Erst als die Schulschließungen verkündet wurden, waren wir wie alle ganz direkt betroffen.“ Wie alle anderen Schüler des FSG wurden die Gäste aus der Ferne, oder auch „Internationals“ genannt, ins Homeoffice geschickt – zum Teil spontan noch mit geliehenen Laptops, Tablets und Co. ausgestattet. „Wir hatten den Vorteil, dass alle Teilnehmer der IFC älter als 16 sind und daher nicht mehr ständig betreut werden müssen“, so Sipos. Dennoch sei es für die Gastfamilien schon eine Umstellung gewesen, nun eine Person mehr rund um die Uhr bei sich und um sich zu haben: „Es haben aber ausnahmslos alle gerne mitgezogen.“

Fast alle Schüler blieben trotz der Krise und den Corona-Einschränkungen im Bottwartal. Nur ein Mädchen sei von ihrer Stiefmutter kurz zuvor noch nach Hause geholt worden, erzählt Natalia Sipos: „Sie kam aber dann später wieder zurück.“ Ein anderer Jugendlicher saß ganz plötzlich in der Schweiz im Exil, nachdem er dort Verwandte besucht hatte und nicht mehr nach Deutschland einreisen durfte. Ein anderer Junge wollte über Ostern gerne seine Familie in Bulgarien besuchen: „Aber da ihm dadurch Quarantäne drohte, haben wir ihm deutlich davon abgeraten.“ Situationen, mit denen die Lehrkräfte im Bezug auf ihre Schüler in dieser Form noch nie konfrontiert waren, fasst es Sipos zusammen: „Die Corona-Pandemie ist belastend, aber ja nicht nur für die IFC, sondern für uns alle.“

Umso schöner sei es gewesen, dass durch Lockerungen im Sommer wenigstens der Abschied ein wenig Normalität mit sich brachte. Die Feier zum Ende des Schuljahrs wurde dieses Mal im Freien mit dem IFC-Konzert begangen, „was wichtig und gut war“. Die Jugendlichen der IFC hatten trotz aller Hindernisse fest zusammengehalten und an einem Strang gezogen. So hatten beispielsweise Schüler, die vorzeitig in die USA zurückkehren mussten, trotz Zeitverschiebung mitten in der Nacht an gemeinsamen Videochats teilgenommen. Zwei Argentinierinnen fühlten sich sogar so wohl, dass sie einen angebotenen Flug in die Heimat zunächst ablehnten: „Da haben wir dringend darum gebeten, in Anbetracht der Situation die nächste Gelegenheit wahrzunehmen.“

Zum Schuljahresende war die nächste Auflage der IFC auch bereits eingetütet, „also stand es außer Frage, dass wir das im Herbst dann weiter durchziehen“, betont Natalia Sipos. Insgesamt zwölf Anmeldungen aus aller Welt hatte es für das besondere Projekt am FSG gegeben.

Zwei Jugendliche aus Nepal hatten vor Beginn des Schuljahres aber noch absagen müssen, da sie zunächst eine wichtige Prüfung in ihrer Heimat ablegen mussten. Aufgrund von Schulschließungen war der weitere Zeitplan unklar.

Nach den Ferien sind sieben von zehn Schülern da

Nicht das erste Mal, dass es Probleme mit Nepal gegeben hatte, erinnert sich Sipos: „2019/2020 war das Visum unserer Gastschüler bei der Ausreise durch das Militär grundlos abgelehnt worden.“ Zum Start nach den Ferien waren dann immerhin sieben von zehn Schülern der IFC in Marbach angekommen. Die übrigen drei Jugendlichen aus Montenegro, Tadschikistan und dem Kosovo bekamen erst einmal die deutsche Bürokratie zu spüren: Das Auswärtige Amt wollte ihnen aufgrund der Pandemie kein Visum ausstellen. Nach Tadschikistan war sogar der Postverkehr ganz eingestellt worden. Das Verhalten der Behörden ärgerte Natalia Sipos: „Ihnen war es absolut egal, dass die Jugendlichen hier nicht Urlaub machen, sondern in Familien unterkommen und damit einen festen Wohnsitz haben.“

Brenner und sie starteten eine Petition: 1608 Unterschriften kamen zusammen. Das Anliegen der IFC schaffte es so in die verschiedenen Ministerien und durch den Abgeordneten Eberhard Gienger bis in den Bundestag. Nach zweimonatigem Kampf konnten die fehlenden Schüler endlich die Flugzeuge besteigen.

Zumindest fast alle: „Unser letzter Schüler aus dem Kosovo darf im Januar einreisen.“ Damit ist die Internationale Klasse nun zur Freude der Lehrer, der Gastfamilien und der Teilnehmer endlich komplett. Auch dass viele Traditionen wie die Berlin-Fahrt, die Welcome-Party oder der Stand auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Burgplatz ausfallen müssen, tat dem keinen Abbruch: „Wir improvisieren einfach und waren beispielsweise gemeinsam Äpfel pflücken.“ Einige Gastschüler sind dieses Mal auch direkt über die Weihnachtsfeiertage geblieben.

Planungen für 2021/22 in vollem Gange

Kaum sind die Klassen komplett, sind auch schon die Planungen für das Schuljahr 2021/22 in vollem Gange. Erste Anfragen sind bei den Projektleitern eingegangen – erstmals aus Irland. „Wir wursteln uns so durch und fahren auf Sicht“, zeigt sich Natalia Sipos kämpferisch: „Obwohl wir da manchmal weder etwas sehen noch fahren.“ Kollege Felix Brenner und ihr sei nämlich gerade in der derzeitigen Krise sehr wichtig, die Internationale Klasse weiter am Laufen zu halten: „Die Grenzen werden wieder geschlossen und der Rechtspopulismus gewinnt an Zulauf. Wir wollen einen klaren Kontrapunkt setzen.“ Die IFC stehe seit 2003 für Weltoffenheit, internationale Kompetenzen und einen Blick über den Tellerrand: „Zwischen den Jugendlichen entsteht dabei ein ganz besonderes Band, das beständig ist.“