Eigentlich soll Anjani die Affen von Delhi vertreiben im Spielfilm „Eeb, Allay Ooo“, doch das ist gar nicht so einfach. Foto: Festival

Wie eine Reise auf den Subkontinent kann das Indische Filmfestival Stuttgart wirken. Corona-bedingt versuchen die Macher nun, diesen Effekt vom 14. Juli an auch Online zu erzeugen.

Stuttgart - Wenn Lebewesen vergöttert werden, können Hybris oder gar Größenwahn die Folge sein. So wie bei den Rhesusaffen von Delhi, die viele Inder als Armee des Affengottes Hanuman verehren. Im Schutz der Huldigung sind sie zur Landplage geworden, besiedeln und besudeln die gesamte Stadt, stehlen Nahrung, verwüsten Geschäfte und Büros, greifen Menschen an.

Der Ausweg aus dem religiösen Dilemma: Affenvertreiber verscheuchen die Primaten durch spezielle Laute. Die bilden den Titel des Spielfilms von Prateek Vats, der an diesem Mittwoch das 17. Indische Filmfestival Stuttgart eröffnet: „Eeb Allay Ooo“. Gleich zu Beginn versucht der frisch vom Land zugereiste Anjani (Shardul Bhardwaj), die Laute zu lernen, sein Schwager hat ihm den Job besorgt – doch Anjani merkt bald, dass er mehr Respekt vor den Affen hat als die vor ihm.

Die Affen schneiden Grimassen

Komödiantisch zeigt Vats die vergeblichen Bemühungen seines Protagonisten, der irgendwann gar ins Kostüm der härtesten Widersacher der Rhesusaffen schlüpft: Er verkleidet sich als Languren-Affe. Der Regisseur hat wunderbare Aufnahmen der Affen eingefangen, die posieren, Grimassen schneiden und fauchen, als gehöre ihnen die Welt. Zugleich schwingt im Film immer das Elend mit, von dem ein großer Teil der rund 28 Millionen Einwohner der indischen Metropole bedroht ist und das man schon aus einigen anderen Filmen kennt, die beim Stuttgarter Festival gelaufen sind.

Dieses wird nun – wie derzeit die meisten – ausschließlich Online stattfinden. 4,99 Euro kostet der Festivalpass, der über fünf Tage hinweg Zugang zu allen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen bietet. „Kumbalangi Nights“ von Madhu C. Narayanan erzählt die Geschichte von vier Brüdern, die eine Hassliebe verbindet. In „Jallikuti – Bull Fight“ von Lijo Jose Pellissery entkommt ein Büffel dem Metzger und sorgt für Chaos im Dorf, in dem sich bald diverse Abgründe auftun, „A holy Conpiracy“ von Saibal Mitra dreht sich um aggressive Hindus, die andersgläubige Inder missionieren wollen.

Viel Unterstützung

„Die Verhandlungen waren nicht einfach, unsere Mittel sind begrenzt, und wenn man Online spielt, konkurriert man plötzlich mit Netflix“, sagt der Festivalleiter Oliver Mahn. Der Hauptsponsor Andreas Lapp hat sich in dieem Jahr Corona-bedingt zurückgehalten, „aber Stadt und Land haben uns früh signalisiert, dass sie uns nicht hängen lassen werden“, sagt Mahn. Unterstützung kam auch aus der Branche: „Das Stuttgarter Trickfilmfestival war eines der ersten, die Online an den Start gegangen sind, und die Kollegen haben uns wertvolle Hinweise gegeben“, sagt Mahn, „wir mussten also nicht bei Null anfangen.“

Um ein wenig von dem indischen Flair ins Netz zu retten, das sonst vor und im Metropol-Kino vorherrscht, haben sich die Festivalmacher vom Filmbüro Baden-Württemberg diverse Formate ausgedacht. „Dish of the Day“ heißt eine Reihe von fünf Videos, in denen indische Köche ein Lieblingsrezept vorstellen. Filmemacher präsentieren sich in kurzen Clips, „Good Morning, Mumbai“ ist eine Gesprächsreihe mit Gästen aus der indischen Mega-City zu Themen wie zu Gender-Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Bildungsgerechtigkeit. Unter dem Titel „Zuhause in Stuttgart“ geben zugewanderte Inderinnen und Inder Einblick, wie sie in der Schwabenmetropole leben.

Gewandeltes Nutzerverhalten

So schön das alles klingt, so nachdenklich gibt sich Oliver Mahn: „Viele sagen: sonst komme ich dazu nicht, aber wenn es jetzt online ist, kann ich reinschauen, wann ich will. Das Nutzungsverhalten hat sich stark gewandelt, und wir Festivals müssen schon darüber nachdenken, wie wir in Zukunft unser Publikum finden. Ich glaube, wir müssen noch mehr Event-Charakter entwickeln, was natürlich wieder eine Frage des Geldes ist.“ Er ist davon überzeugt, dass die Kultur gebraucht wird, um die Gesellschaft zusammenhalten: „Wenn es nichts mehr für die Seele gibt, verrohen die Menschen.“