Die Fenster des neuen Ladens am Dorfplatz sind schon beklebt. Foto:  

Von Ende August an kann am Dorfplatz an sieben Tagen in der Woche eingekauft werden. Und zwar von morgens 5 bis nachts um 23 Uhr.

Großbottwar - Wenn das kein gutes Omen für den neuen Lebensmittelladen im Großbottwarer Stadtteil ist. Zur Infoveranstaltung am Freitagabend strömten die Winzerhäuser Richtung Kelter. Weil aufgrund der Corona-Verordnung aber nur 60 Personen in das Gebäude dürfen, wurde kurzerhand eine zweite Runde eine Stunde später anberaumt. Angesichts des großen Interesses wundert es nicht, dass sowohl Bürgermeister Ralf Zimmermann als auch Ortsvorsteher Friedrich Link mit guter Laune in das Wochenende starteten. Vor zehn Jahren sei man angetreten, eine Nahversorgung im Stadtteil zu etablieren, blickte Link zurück. Doch es fehlte an Räumlichkeiten. Das habe sich durch den Erwerb der Immobilie am Dorfplatz im Zuge der Sanierung und Erneuerung der Dorfmitte geändert. „Aber viele Versuche, einen Bäcker nach Winzerhausen zu bekommen, liefen ins Leere“, so Link. Dass die beiden Ortschaftsrätinnen Susanne Pantle und Marlene Gerstberger sich des Problems angenommen haben sei ein Glücksgriff, freute sich Link.

Und auch Christian Maresch, der Geschäftsführer der Chrisma GmbH und Gründer der Tante-M Läden, lobte die beiden für ihren Einsatz und ihre Zähigkeit bei den Verhandlungen. Denn die Tante-M-Läden sind begehrt. Der erste wurde im vergangenen September in Grafenberg eröffnet. Einer Gemeinde mit rund 2600 Einwohnern im Landkreis Reutlingen. Es folgten Geschäfte in Kohlberg und Ende des Monats öffnet sich die Ladentür in Frickenhausen-Tischardt. „Aktuell warten 30 Ortschaften darauf, dass wir einen Laden aufmachen“, berichtete Maresch und erklärte auch gleich, warum die Nachfrage so groß ist. In vielen Orten mit 1000 bis 4000 Einwohner rechnet sich die Eröffnung eines herkömmlichen Geschäftes oder eines kleinen Supermarktes für einen Betreiber nicht. Die Personalkosten seien zu hoch, das Sortiment zu klein, die Öffnungszeiten nicht zeitgemäß. „Das ist einfach nicht wirtschaftlich – was aber nicht nur an den Bürgern hängt.“ Der Bedarf der Kunden sei anders geworden, so Maresch. „Junge Familien haben keine Zeit morgens zwischen 9 und 11 Uhr oder nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr einzukaufen.“

Etwa 1500 Ortschaften in der Größenordnung Winzerhauses haben das Problem einer fehlenden Nahversorgung. „Das sind 15 Prozent der Bevölkerung“, rechnete Maresch vor. Deshalb habe er das Tante-M-Konzept entwickelt – in Anlehnung an die alten Tante Emma Läden. Aber mit entscheidenden Unterschieden, denn in Mareschs Tante-M-Geschäften gibt es kein Verkaufspersonal. Der Kunde bedient sich sozusagen selbst und rechnet auch selbst ab. „Zwei Mal am Tag sieht jemand nach dem Sortiment im Laden, aber wann ist egal.“ Außerdem ist von 5 bis 23 Uhr geöffnet – an sieben Tagen in der Woche. Beliefert werden die Läden von Edeka – auch der in Winzerhausen. Die Preise sind die marktüblichen Edeka-Preise. Allerdings wird auf Centbeträge verzichtet.

Am 27. August soll Tante-M in Winzerhausen eröffnen. Mit einem Stammsortiment an Obst, Gemüse, abgepacktem Fleisch und Wurst, Backwaren, Milchprodukten, Schreibwaren, Drogerieartikeln et cetera. Wert werde auf regionale Lieferanten gelegt, betont Christian Maresch. „Wir sind gerade in Gesprächen, welcher lokale Bäcker uns beliefern wird und von wo aus der Region das Fleisch sowie Obst und Gemüse kommen werden.“ Ob das Sortiment verändert wird liege auch an den Winzerhäusern. Im Laden werden Wunschlisten ausgelegt. „Wir wollen Sie mit ins Boot nehmen. Ein Stück weit ist es auch Ihr Laden. Sie schauen sich an, was Ihrer Meinung nach fehlt und wir schauen, ob es Sinn macht, das Sortiment anzupassen. Ladenhüter braucht keiner.“ Klar sei aber, dass der Tante-M keinen Vollsortimenter ersetzen könne. Der Einkauf in den Selbstbedienungs-Läden soll die leicht zu erreichende tägliche Nahversorgung sein.

Die Basis des Konzeptes ist das Vertrauen in die Kunden. Denn jeder bedient sich selbst und jeder rechnet an der Kasse selbst ab. Bezahlt wird an der so genannten Self-Check-Out Kasse bar oder elektronisch. Alle Produkte, die einen Barcode haben, werden vom Kunden gescannt, bei Obst oder Gemüse wird auf dem Display des Monitors auf die ausgezeichneten Feldern gedrückt. „Wenn sie drei Karotten kaufen, dann drücken Sie einfach drei Mal auf das Feld Karotte“, erklärte Maresch und zeigte zur Veranschaulichung einen Film von einem anderen Standort. In den ersten Tagen der Eröffnung werde Personal zu kommunizierten Zeiten im Laden sein, um über mögliche erste Hürden hinweg zu helfen. Das Bargeld werde in eine Art Tresor geworfen. Und zwar möglichst passend, denn Wechselgeld gebe es nicht. Die Anschaffung eines entsprechenden Automaten sei zu kostenintensiv, so Maresch. „Und wenn Sie mal ein Zehnerle zu wenig oder zu viel reinwerfen, dann stört uns das auch nicht“, sagte Maresch schmunzelnd. Das Zauberwort sei auch hier: Vertrauen. Für das Bezahlen mit EC-Karte gebe es keinen Mindestumsatz. „Sie können theoretisch auch das Päckchen Butter mit Karte bei uns bezahlen.“ Apropos Umsatz. Mindestens 30 Kunden brauche man an einem Tag. Ein Problem sei das aber nicht. „Anderswo haben wir im Schnitt zwischen 30 und 90 Kunden.“ Umsatzstärkster Tag ist laut Maresch übrigens der Sonntag.