Die Räte waren sich einig darin, dass man genauer Bescheid wissen müsse über die Folgen des Beitritts zur Seebrücke. Foto: dpa/Marius Becker

OGL und SPD wollten der Initiative, die sich für die Rettung von Flüchtlingen einsetzt, beitreten, die Verwaltung nicht. Nachdem in der Gemeinderatssitzung zuerst zwei Meinungen aufeinanderprallten, waren sich am Ende aber doch alle wieder einig.

Pleidelsheim - Menschlich sein und Notsuchenden helfen – das war die Intention von OGL und SPD, die deshalb im Januar einen Antrag zum Beitritt der „Seebrücke“ eingereicht hatten. Die Initiative protestiert gegen das Sterben von Flüchtlingen im Mittelmeer und setzt sich dafür ein, dass sich Kommunen zu so genannten sicheren Häfen erklären. Über diesen Antrag wurde nun am Donnerstag in der Sitzung des Gemeinderats abgestimmt. Oder besser gesagt: eigentlich nicht. Denn anders als von OGL und SPD gewünscht, lautete der Beschlussantrag der Gemeinde zu diesem Thema nur, dass sich die Gemeinde weiterhin besonders stark für Geflüchtete einsetzen und soweit Kapazitäten vorhanden seien, man auch weiterhin mehr Flüchtlinge als über den Verteilungsschlüssel vorgesehen aufnehmen wolle. Denn: Formell könne man über den Antrag gar nicht abstimmen, da das Thema Seenotrettung nicht im Aufgabengebiet eines Gemeinderats liege, machte Bürgermeister Ralf Trettner klar. SPD-Rätin Brigitte Faaß sagte jedoch: „Wir bestehen darauf, dass über den Antrag abgestimmt wird. Wir wollen wissen, wie unsere Kollegen darüber denken.“

Noch bevor es in die Diskussionsrunde ging, erklärte Bürgermeister Ralf Trettner die Haltung der Verwaltung: „Wir finden den Gedanken grundsätzlich nicht falsch, da steckt sicher sehr viel Sinnvolles drin. Aber wir wollen darauf hinweisen, dass wir als Gemeinde schon jetzt bereits deutlich mehr tun als viele andere. Wir haben aktuell rund 150 Menschen, die über den Asylantrag bei uns gelandet sind. Da müssen wir uns als Gemeinde Pleidelsheim nicht verstecken“, betonte er. Weiter fügte Trettner an: „Das Zweite ist, dass ich immer auch der Auffassung bin, dass wir auch nur Dinge behandeln sollten, die auch in unserem Zuständigkeitsbereich liegen.“ Das sah Brigitte Faaß anders und griff erst einmal den Schultes an.

„Wir Sozialdemokraten hätten schon erwartet, dass Sie, Herr Trettner, eine andere, eine menschlichere Argumentation auf unseren gemeinsamen Antrag gefunden hätten. Sie verstecken sich hinter nationaler und europäischer Politik und so bleibt es nur bei Lippenbekenntnissen. Die EU soll sich gefälligst um die Ertrinkenden kümmern, es ist nicht Aufgabe kommunaler Ebene, deshalb ist der Antrag auch nicht formell zu beschließen. Juristisch mag das sogar richtig sein, doch menschlich muss die Seebrücke in das politische Vakuum der Abschottungspolitik stoßen“, sagte sie. Außerdem betonte Faaß: „Wir sind ja nicht Fantasten und wissen, dass weitere und überschaubare Kosten auf uns zukommen. Marbach hat sich bereits positiv erklärt. Das sollten wir auch, denn es geht darum, Menschen vor dem Ertrinken zu retten und ihnen einen sicheren Hafen zum Ankommen zu geben.“

Die Brandrede von Faaß schmeckte nicht jedem. So unter anderem CDU-Rat Frank Breuer. „Wenn jetzt das Menschliche ins Spiel kommt, dann finde ich das ein bisschen übertrieben. Laut Antrag ist nicht abzuschätzen, was da für Kosten auf uns zukommen. Man verpflichtet sich damit, komplett alles abzudecken. Das können wir uns im Vergleich zu anderen Kommunen nicht leisten. Wir können nicht unbegrenzt Geld in ein Projekt stecken. Das ist eine europäische Angelegenheit“, sagte er. Christel Staudenmaier von der WIR-Fraktion konnte die Argumentation von Breuer, aber auch die von Faaß verstehen. „Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Aber ich finde, es kann nicht sein, dass man sich zu einer Sache entschließt, bei der man überhaupt nicht weiß, wie sie am Ende aussieht. Es muss ja auch funktionieren. Wir können ja nicht sagen, wir nehmen Leute auf und wissen später gar nicht, wie wir es handeln.“ Sie fand, das Ganze müsse eher wie eine Art Petition laufen. Eine, bei der sich Städte und Gemeinden dann über den Gemeindetag oder Städtetag an die Bundesregierung oder an die europäischen Gremien wenden. „Ich habe ein Problem damit zu sagen, dass ist jetzt unsere Aufgabe als Pleidelsheim“, gab sie zu.

Für Giulia També (SPD) ging es mit dem Antrag vor allem darum, ein Zeichen zu setzen. „Ein Zeichen gegen das Wegschauen und das tatenlose Zuschauen, während Menschen im Mittelmeer ertrinken“, sagte sie. Ähnlich sah es Ulrike Bender (OGL), die den Antrag mit unterschrieben hatte. „Ich muss jedoch gestehen, ich habe mich nicht wahnsinnig damit beschäftigt. Ich hatte es auch als Zeichen gesehen. Aber man müsste vielleicht doch genauer Bescheid wissen“, räumte sie ein. Für Frank Breuer (CDU) war klar: „Entweder wir beschließen den Beitritt und stehen dazu. Oder wir lassen es bleiben. Aber nur um ein Zeichen zu setzen, das kommt für mich nicht in Frage.“

Für Sigrid Wildermuth (WIR) ist das ganze Thema einfach nur ein „grundsätzliches Versagen der großen Politik“. Damit sprach sie der Ratsrunde aus der Seele. Die war sich am Ende im Übrigen doch wieder ganz einig. Selbst Brigitte Faaß (SPD) konnte schließlich „beide Seiten verstehen“, wie sie kundtat. So einigte man sich schließlich fast einstimmig – es gab nur eine Enthaltung von Sigrid Wildermuth – darauf, sich in der eigenen Gemeinde weiter stark für Geflüchtete einzusetzen und zu tun, was nötig ist. Und Ralf Trettner machte noch einmal ganz klar: „Einen Schuh ziehe ich mir nicht an: Dieser Gemeinderat, diese Bevölkerung, diese Stadt muss sich nicht nur einen Millimeter damit beschäftigen, unsozial zu sein oder sonst irgendwas. Wir leisten Herausragendes in dieser Gemeinde. Wir brauchen uns nicht verstecken.“