Die Familie Evers hat sich im Bauernhaus in der Kirchgasse 12 den Traum vom Eigenheim verwirklicht. Foto: Werner Kuhnle

Die Sanierung der Murrer Ortsmitte schreitet voran. Dort sind jetzt zwei sehenswerte Objekte fertig geworden: Das alte Pfarrhaus und die Kirchgasse 12.

Murr - W

ie an einer Perlenschnur reihen sich die Häuser in der Murrer Ortsmitte an der Hindenburgstraße aneinander. Manches wirkt baufällig, anderes frisch saniert. So auch das ehemalige Pfarrhaus gegenüber vom alten Rathaus. Das schmucke weiße Haus ist nach 18 Monaten Bauzeit fast bezugsfertig. „Es hat uns gefreut, dass wir für dieses besondere historische Gebäude einen Investor gefunden haben“, sagt der Bürgermeister Torsten Bartzsch am Dienstag beim Pressetermin.

Das alte Pfarrhaus und das Haus Kirchgasse 12 sind Beispiele für die Sanierung von alten Kulturdenkmälern. Darauf habe die Gemeinde im Sanierungsgebiet Ortskern III einen Schwerpunkt gelegt, erklärt Bartzsch. Neben den beiden frisch sanierten Gebäuden sei etwa auch die Zehntscheuer in der Mühlgasse mit Fördermitteln grundlegend wiederhergestellt worden. Die Gemeinde fördere den Ausbau von Kulturdenkmälern mit 40 Prozent der förderfähigen Kosten – statt wie sonst üblich mit 30 Prozent. Insgesamt schieße das Land 1,7 Millionen Euro ins gesamte Murrer Sanierungsgebiet, die Gemeinde 1,1 Millionen Euro – und das bis 2023.

Das störungsfreie Zusammenspiel zwischen Förderstellen, Bau- und Denkmalämtern sowie dem Investor und den Baufirmen sei zentral, erklärt der Investor Helmut Ruf. „Wenn wir den Eindruck haben, dass es auch nur an einer Stelle hakt, ziehen wir uns zurück.“ Doch in Murr hat offenbar alles gepasst. Bester Laune präsentiert Ruf das alte Pfarrhaus, in dem fünf Mietwohnungen entstehen. „Als ehemaliger Ministrant wusste ich sofort, dass ein Pfarrhaus von besonderer Qualität ist“, sagt Ruf schmunzelnd. Ihm gehe es nicht um das schnelle Geld durch einen Weiterverkauf, sondern darum, dauerhaft bezahlbaren Mietwohnraum zu schaffen und darum, dass mithilfe solcher Sanierungen das Ortsbild schön bleibe.

Tatsächlich erscheint auch das Innere des alten Pfarrhauses wohnlich hochwertig. Der Eingangsbereich wirkt geräumig wie eine Aula, und das Erdgeschoss kann barrierefrei bewohnt werden. Auf drei Geschossen bieten sich auf 430 Quadratmeter Wohnfläche immer wieder interessante Momente, etwa wenn historische Holzbalken die Räume durchziehen. Die Vermarktung laufe zurzeit, berichtet Vincent Bücher von der Firma VIW, die Helmut Ruf beauftragt hatte. „Wir verzeichnen eine hohe Nachfrage.“ Im Oktober oder November werde das Haus bezugsfertig.

Unweit vom alten Pfarrhaus steht an diesem Vormittag die Besichtigung des zweiten Kulturdenkmales an. Es ist das frei stehende Haus an der Kirchgasse 12. Wer von der Murrbrücke in Richtung Kirche geht, erkennt es sofort. „Wir sehen immer wieder, wie die Leute stehen bleiben und es anschauen“, freut sich Katrin Evers, die mit ihrem Mann Mathies das alte Bauernhaus 2019 erwarb. „Wir haben dann gleich losgelegt“, erzählt die zweifache Mutter. Die Sanierung ging flott voran, weil Ehemann Mathies in einem Stuttgarter Büro für Bauphysik arbeitet und vom Fach ist. Seit Juni leben die beiden Eheleute mit Sohn Lenni und Tochter Lara in dem historischen Haus, das bisher auf das Jahr 1634 datiert wurde, aber wohl noch älter ist, wie die neuen Eigentümer herausgefunden haben.

Bei der Hausführung gibt es dann auch viel zu erzählen über die Entdeckungen, die während der Sanierung gemacht wurden. Etwa der Sandstein, der hinter einem Putz versteckt lag und jetzt ein Fenster einfasst. Oder eine alte Pferdetüre, die vor einem Glasfenster am Eingangsbereich hängt und jederzeit geöffnet werden kann, um Licht hereinzulassen. Es sind diese Details, die Mathies Evers herausfordern. „Wir brauchten aber auch starke Nerven“, sagt er im Rückblick, denn einige Materialien, wie etwa die Fliesen aus dem coronageschüttelten Italien, kamen in letzter Minute. „Das Bad war erst einen Tag vor dem Einzug fertig“, blickt Katrin Evers auf die aufregenden Monate bis zum Einzug zurück. Das Haus war lange Zeit als Gerippe eingepackt. „Wir galten schon als Christo von Murr“, scherzt ihr Mann Mathies im Rückblick.

Gelohnt hat sich die Mühe alle Male. Denn die Evers genießen es, dass sie auf die große Kastanie direkt neben dem Haus und die nahe Kirche blicken können. Im Innern haben sie viele Ideen verwirklicht – und konnten die historische Bausubstanz des Gebäudes erhalten. Allein zwei Drittel der Balken mussten die Evers aber auswechseln. „Da ist zum Teil in den 1970er oder 1980er-Jahren Fichtenholz zum Ausbessern von Schäden verwendet worden – das haben wir gegen Eiche ausgetauscht.“ Mathies Evers kostete das langwierige Abschmirgeln der Balken viel Schweiß. Knifflig waren auch die Probleme, die mit der Treppe im Eingang und dem Gefälle im Hausinnern zu tun hatten. Doch auch dafür gab es Lösungen.

Der Bürgermeister Torsten Bartzsch weiß den Fleiß zu schätzen. Er hatte die Projekte im Vorjahr beim Tag der Städtebauförderung vorgestellt. Im September möchte er die beiden Häuser bei einem Tag der offenen Tür wieder zeigen.