Das E-Reisemobil sieht von außen ganz normal aus. Foto: Knaus Tabbert

Die HWA-Ingenieure in Affalterbach feiern im Rennsport Weltmeistertitel – mit dem Bau des ersten E-Wohnmobils in Serie wollen sie Geschichte schreiben.

Affalterbach - Bisher feiern HWA-Ingenieure vor allem Siege im Motorsport. Jetzt sind die High-Tech-Asse aus Affalterbach stolz darauf, ein elektrisch betriebenes Wohnmobil für die Knaus Tabbert AG entwickelt zu haben. Das Knaus EPower Drive gilt als innovativ und wird von beiden Unternehmen als technologischer Meilenstein angesehen. Der Prototyp soll nach einer Testphase als erstes E-Wohnmobil voraussichtlich in 2024 oder 2025 in einer größeren Serie gebaut werden.

Wohnmobilisten sind gewohnt, längere Strecken und gerne auch direkt zu innerstädtischen Sehenswürdigkeiten zu fahren. Doch immer mehr Städte errichten Umweltzonen – und auch in Naturschutzgebieten bekommen die Mobilheime auf vier Rädern mehr und mehr die Rote Karte gezeigt, weil es aus ihren Auspuffen unangenehm qualmt. Trotz Megaboom ist die Branche also langfristig zum Umdenken gezwungen. Das wurde beim Caravan Salon in Düsseldorf sichtbar, als Knaus Tabbert mit HWA das E-Wohnmobil präsentierte.

HWA will auch auf anderen Tech-Feldern Fuß fassen

Die E-Mobilität bei Wohnmobilen der 3,5-Tonnen-Klasse einzuführen, gilt als technische Herausforderung. Denn die von Knaus gewünschten 600 Kilometer Reichweite lassen sich eigentlich nur mit einem riesigen Akku realisieren. Der ist aber nicht nur extrem schwer und drückt die so wichtige Nutzlast auf ein Minimum, sondern verlangt auch nach langen Ladepausen. Ein Teufelskreis. Dabei legen gerade Wohnmobilisten Wert auf viel Urlaubsgepäck und die Möglichkeit, große Strecken ohne lästige Tank- oder Ladestopps zurücklegen zu können. „Wenn ich von Stuttgart aus an den Gardasee fahren und schon nach 200  Kilometer nachladen müsste, wäre das mit Erholung im Urlaub schwer zu vereinbaren“, sagt Martin Marx, Vorsitzender der HWA AG.

Der HWA-Leitwolf setzte vor etwa einem Jahr eine Gruppe von Entwicklern an, das Problem zu lösen. Marx, dessen Ingenieure sonst schon mal zu GT3-Teams im Kundenrennsport um die Welt jetten, um ihnen mit Ersatzteilen und Knowhow aus der Patsche zu helfen, war von Anfang an zuversichtlich: „Wir sind im Rennsport gewohnt, schnell Lösungen zu finden.“ Insbesondere nach einem schwierigen Corona-Jahr 2020 sei es für HWA wichtig, auch auf anderen technologischen Feldern Fuß zu fassen.

Das Range-Extender-System bringt eine Reichweite von 600 Kilometern

Die Ingenieure in Affalterbach haben das Ladestopp-Problem mit der Range-Extender-Technologie (REX) gelöst. Dahinter verbirgt sich eine Kombination aus einer Batterie mit 35 Kilowattstunden Energie und einem Verbrennungsmotor, der wie eine Art integriertes Notstromaggregat funktioniert. Das Prinzip: Der Benzinmotor treibt einen Generator an, der den so produzierten Strom zur Batterie oder direkt zum elektrischen Antriebsmotor leitet. Bei abgeschaltetem Motor und voller Batterie kann das Reisemobil „made in Affalterbach“ bis zu 90 Kilometer weit fahren – etwa in Umweltzonen.

Auf großer Fahrt wird die Reichweite lediglich durch das Tankvolumen begrenzt. Die geforderten 600 Kilometer sind für den Knaus-Prototypen also kein Problem. Am Urlaubsort angekommen, reicht der vorrätige Strom aus der Batterie rund fünf Tage lang für einen autarken Betrieb von Kühlschrank, Herd und Co. Ist der Stromvorrat aufgebraucht, reicht es, den Motor für etwas mehr als 30  Minuten laufen zu lassen, um die Batterie wieder komplett zu laden. Natürlich geht das auch über eine klassische Ladestation.

Der Stresstest steht auf dem Silvrettapass bevor

Einen selbst definierten Stresstest haben die HWA-Ingenieure und ihr Range-Extender-Gefährt noch vor sich: Die Fahrt über die 63,9 Kilometer lange Silvretta-Hochalpenstraße vom Paznauntal in Tirol zum Montafon im Vorarlberg. „Es gilt, diese steile Strecke komplett mit der Energie aus der Batterie, ohne laufenden Verbrennermotor, zu bewältigen“, erzählt der HWA-Projektleiter Michael Bernard. Läuft alles nach Plan, muss der Motor auch nach der Passhöhe auf dem Weg ins Tal nicht eingeschaltet werden. Denn während der sogenannten Rekuperationsphase wird die Energie des bergabrollenden Fahrzeugs genutzt, um den Generator anzutreiben und so die weitestgehend leere Batterie wieder zu laden.

Die komplexe Technik fällt ins Gewicht, was durchaus wörtlich zu nehmen ist. Allein die Batterie wiegt mehr als 200 Kilogramm. Auch für dieses Problem haben sich die HWA-Entwickler etwas einfallen lassen. Ein spezieller Wandler macht aus den 400 Volt der Batterie 230 Volt und ermöglicht es so, dass im Knaus-E-Wohnmobil nicht nur elektrisch gekocht, sondern auch geheizt und Warmwasser aufbereitet werden kann. Die Installation einer schweren Gasanlage ist somit hinfällig.

Campingplätze und E-Technologie

Das Aufladen
von E-Fahrzeugen ist an vielen Campingplätzen in Baden-Württemberg schon möglich, sagt Kurt Bonath, Landesvorsitzender des Bundesverbands der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) in Baden-Württemberg mit 138 Plätzen im Ländle. Von ihnen seien die Hälfte mit drei bis fünf Sternen klassifiziert. Damit gehe eine Stromabsicherung von 16 Ampere einher. „Zwar kommen die meisten mit ihrem Caravan mit einem Verbrennermotor, doch es sind schon viele E-Autos unterwegs.“ Die Campingplätze seien innovativ und sicher schneller vorbereitet als andere potenzielle Ladestellen.

Zunahme von Plätzen
Der Camping-Urlaub sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagt Knaus-Tabbert-Sprecher Stefan Diehl. „Jede zweite Anfrage ist von Menschen unter 40 Jahren.“ Er rechne damit, dass die Zahl der Campingplätze in Deutschland steige – und damit auch die Möglichkeiten, die mit 230-Volt-Haushaltsstrom ausgestatteten E-Wohnmobile schnell aufzuladen. „Bei uns in Niederbayern wird jetzt ein Acht-Loch-Golfplatz zum Campingplatz umgebaut – das ist der richtige Weg.“