Auch beim Einkaufen im Supermarkt müssen mittlerweile FFP2-Masken getragen werden, die in der Regel teurer als medizinische Masken sind. Foto: dpa/Sven Hoppe

Marbach erwägt, den Mundschutz kostenlos an Bedürftige herauszugeben. Ludwigsburg hat das nicht im Sinn, während eine andere Kommune das längst so handhabt.

Marbach - Die Zügel sind vor Kurzem von der Politik nochmals angezogen worden. Um das Coronavirus einzudämmen, muss inzwischen in geschlossenen Räumen eine FFP2-Maske getragen werden, also auch im Supermarkt, im Fitnessstudio oder beim Bummel durch ein Einkaufszentrum. Der Marbacher Puls-Stadtrat Hendrik Lüdke gab nun im Verwaltungsausschuss zu bedenken, dass die strengeren Vorgaben den ohnehin schon schmalen Geldbeutel von Bedürftigen überstrapazieren könnten. Denn wirtschaftlich schlechter Gestellte könnten die Anschaffung der teureren FFP2-Masken nicht ohne Weiteres schultern. Vor dem Hintergrund regte er an, dass die Stadt den Mundschutz für Inhaber des Kultur- und Freizeitpasses kostenlos zur Verfügung stellt.

Rund 160 Personen hätten Anspruch

Ein Vorschlag, den die Verwaltung prüfen möchte, wie Bürgermeister Jan Trost versicherte. „Wir eruieren gerade, wie die Kosten für die Masken wären“, erklärte er. Es solle auf jeden Fall vermieden werden, minderwertiges Material zu erwerben. Trost schätzt, dass ungefähr 160 Personen bedacht werden müssten, die wegen ihres geringen Einkommens den Kulturpass in Anspruch nehmen. Angesichts dieser recht niedrigen Zahl wären die Ausgaben wohl relativ überschaubar und müssten nicht eigens im Gemeinderat diskutiert werden. Das Thema soll stattdessen jetzt aufbereitet und dann im Ältestenrat besprochen werden. Sollte sich die Waage am Ende zugunsten der kostenlosen Verteilung des Mundschutzes neigen, würde das Hendrik Lüdke sehr begrüßen. „Wir wollen doch alle nicht, dass die ärmere Bevölkerung Masken so lange trägt, bis sie keinen Sinn mehr machen. Masken müssen auch mal gewechselt werden“, erklärte er.

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Gezielt in Unterkünften verteilt

Das ist auch den Verantwortlichen bei der Stadt Kornwestheim bewusst, weshalb in der Vergangenheit ganz gezielt FFP2-Masken in Unterkünften für Obdachlose und Geflüchtete verteilt worden seien, wie Pressesprecherin Marion Blum berichtet. „Auch im Tafelladen, in dem ausschließlich Menschen mit einem niedrigen Einkommen einkaufen dürfen, sind FFP2-Masken zur Mitnahme ausgelegt worden“, fügt Blum hinzu. Nicht angedacht sei indes aktuell, den Mundschutz weiteren Personengruppen kostenlos zur Verfügung zu stellen wie zum Beispiel den Beziehern wirtschaftlicher Jugendhilfe. „Allerdings ist es durchaus denkbar, erneut FFP2-Masken an Geflüchtete, Obdachlose und die Kunden des Tafelladens zu verteilen“, erklärt die Pressesprecherin.

In Ludwigsburg derzeit kein Thema

Anders die Lage in Ludwigsburg, wo vonseiten der Stadt keine Anstalten gemacht werden, Bedürftigen in der Hinsicht unter die Arme zu greifen. „Derzeit gibt es in Ludwigsburg keine Überlegungen, kostenlos FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen“, konstatiert Pressesprecherin Meike Wätjen.

Steinheim schöpft aus einem Fundus

Dafür ist es in Steinheim längst Usus, dieses Mundschutz-Modell denjenigen auszuhändigen, die knapp bei Kasse sind. „Wir haben die Masken seit einem Jahr in der Vorhaltung“, sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter. Man habe 1000 Exemplare gespendet bekommen, um sie an finanziell Schwächere ausgeben zu können. Die Masken würden in Unterkünften für Geflüchtete und Menschen, die sonst in die Obdachlosigkeit rutschen könnten, verteilt. Außerdem erhalte man den Mundschutz auch bei der Verwaltung auf Nachfrage. Dieses Vorgehen sei auch nicht an die Spende gekoppelt, betont Winterhalter. Sollte der Vorrat erschöpft sein, werde man auf dem kurzen Dienstweg neue Masken anschaffen, erklärt der Bürgermeister. „Wir versuchen hier, unbürokratisch zu helfen“, sagt er. Im Gemeinderat müsste man erst damit aufschlagen, wenn das Ganze größere Dimensionen annehmen würde. „Im Moment ist die Nachfrage aber relativ gering“, stellt der Rathauschef fest.

Land hofft auf den Bund

Auch das Land Baden-Württemberg beteuert, bei der Abgabe von Masken nicht knausrig zu sein. Man habe schon „mehrfach in verschiedenen Aktionen Masken kostenfrei an unterschiedliche Zielgruppen verteilt, unter anderem auch an Pflegeheime, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Einrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe“, berichtet Pascal Murmann, Pressesprecher im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration. Gleichwohl würde sich sein Chef Manfred Lucha wünschen, dass der Bund bei der Sache in die Bresche springt. Er appelliert an den Arbeitsminister, solche Coronamehrausgaben über eine Erhöhung der Sozialhilfe abzufedern.

Brief an den Arbeitsminister

Warten
  Neben Städten, verschiedenen Verbänden und Parteien treibt auch das Land die Frage um, wie garantiert werden kann, dass Bedürftige an die mittlerweile in vielen Bereichen obligatorischen FFP-2-Masken kommen. Sozialminister Manfred Lucha hat in der Sache am 14. Januar einen Brief an Arbeitsminister Hubertus Heil geschrieben mit der Bitte, einen finanziellen Ausgleich zu leisten.

Argumente
 Lucha appelliert an Heil, den „sozialhilferechtlichen Bedarf rasch auf diese Situation anzupassen“. „Möglich wäre dies über eine Einmalzahlung, eine abweichende Regelsatzfestsetzung oder einen Zuschlag für den coronabedingten Mehrbedarf“, erklärt der Sozialminister, der daran erinnert, dass FFP-2-Masken deutlich teurer als medizinische seien. „Es darf aber keine Frage des Geldbeutels sein, ob man sich an vorgeschriebene Maßnahmen halten kann oder nicht“, betont Lucha – der jedoch bis Stand Montagmittag keine Antwort auf sein Schreiben aus Berlin erhalten hatte