Gut 1500 Boxen voller Dokumente und Bänden betreut Heidemarie Bücker. Foto: Petra Mostbacher-Dix

Seit 21 Jahren bringt die ehrenamtliche Archivarin Heidemarie Bücker den Menschen von Oberstenfeld sowie den Teilorten Prevorst und Gronau Geschichte und Geschichten nahe.

Die weißen Handschuhe sind griffbereit. Heidemarie Bücker streift sie über, bevor sie bedächtig einen gebundenen Band aufschlägt. „Gronau Beilsteiner Oberamt“ ist in Sütterlin zu lesen. Gefolgt von „Renovation des Heiligen Ciriaci Ewiger Zins und anderer Gefälle .... Anno 1791“. Damit ist Sankt Cyriakus gemeint, die ehemalige Wehrkirche war ihm geweiht. „Ein Zinsbuch“, so Bücker. Gronau habe einst zu Beilstein gehört, weiß sie, ab 1810 zum Oberamt Marbach – und ab 1938 zum Kreis Heilbronn.

Bis zum 1. Januar 1972: Da ließ sich Gronau mit Prevorst in Oberstenfeld eingemeinden. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeugt davon: Darauf sind Heinz Heeger und Manfred Läpple zu sehen, die damaligen Bürgermeister, den Vertrag unterzeichnend. Eine Historie, mit der sich die Endsiebzigerin 2021 intensiv beschäftigt hat. Nicht nur, weil sich die Eingemeindung zum 50. Mal jährte. Heidemarie Bücker zeichnet auch für das Heimatarchiv in Oberstenfeld verantwortlich – ehrenamtlich. Unter anderem zusammen mit Mitarbeitern des Kreisarchivs Ludwigsburg konzipierte sie zum Jubiläum eine Wanderausstellung.

Seinen Anfang nahm alles im ehemaligen Bahnhof

Der Vergangenheit auf der Spur ist Bücker bereits seit 21 Jahren. Sie archiviert Gemeinderatsdokumente und Zeitungsartikel, bearbeitet Anfragen, recherchiert, schreibt Texte für das Mitteilungsblatt .  „Mich fasziniert Geschichte, vor allem die Geschichten, Menschen und Schicksale“, sagt Bücker.

„Wenn ich Bürgerinnen und Bürgern, gerade auch Kindern ihre Heimat nahebringen und ein Bewusstsein schaffen kann, wie man früher lebte, wie gestern und heute zusammenhängen, dann freue ich mich“, erklärt Heidemarie Bücker. Man könne viel aus der Geschichte lernen, um die Demokratie zu bewahren, betont sie.

Das Heimatarchiv wurde 2020 vom Rathaus in die Lichtenbergschule umquartiert. Dort lagern gut 1500 Boxen mit Akten, Bänden und losen Blätter. Für die Ludwigsburgerin, die 1984 mit ihrem Mann Bernd nach Oberstenfeld zog, begann die Arbeit andernorts: im ehemaligen Bahnhof der Bottwartalbahn. Der Bau wurde 1986 hergerichtet: Ernst Schedler, früherer Schulleiter und Heimatarchivar, brachte Gegenstände des ländlichen Alltagslebens vom 18. bis zum 20. Jahrhundert dort unter. Es war der Beginn der heimatkundlichen Sammlung. Und des Engagements der Bückers: Schedler fragte das Paar, ob sie die rund 2000 Einzelstücke sortieren, fotografieren und katalogisieren könnten. Sie konnten. „Das war 2001“, so Heidemarie Bücker, die vor der Rente im Literaturarchiv in Marbach tätig war.

Anfragen sorgen für Abwechslung

Mit den Findbüchern, also schriftlichen Archiv-Verzeichnissen, habe sie seit 2014 zu tun. „Ernst Schedler bat mich das ‚Eiserne Buch der Gemeinde abzutippen“, erzählt sie. „Das entstand nach dem Ersten Weltkrieg, enthält Briefe von hiesigen Soldaten, die den schrecklichen Krieg aus persönlicher Sicht schildern, was nicht in Geschichtsbüchern steht. Da hat mich motiviert weiter zu recherchieren.“ Fakten, die in die Ausstellung „Unser Dorf im Krieg“ im Rathaus einflossen.

Man merkt, Unbekanntes aus der Heimat aufzudecken, ist Bückers Leidenschaft. Dazu zählen auch die Anfragen, die eingehen: „Frühere Gewerke finden, aber auch Persönliches: Häuser von Vorfahren, Hochzeitsdaten, Baujahre.“ Fundstück, wie betagte Schilder, versucht sie zu „verorten“. Das gilt auch für manche Verwandtschaftsverhältnisse: „Aus dem Elsass fragte eine Kanzlei an, die auf Nachkommensuche spezialisiert ist. Die hatten Geld zu vererben.“