Foto: dpa-Zentralbild

Die Täter haben sich als Polizeibeamte ausgegeben.

Heilbronn/Ludwigsburg - Die Polizei hat mehrere Mitglieder einer Trickbetrügerbande verhaftet, die als angebliche Polizisten ihre älteren Opfer um knapp 500.000 EUR geschädigt hatten.

In der Nacht zum Mittwoch erfuhr die Polizei mithilfe von verdeckten Ermittlungen, dass zwei Mitglieder der Bande, ein 20-jähriger aus Viernheim stammender Deutscher und eine 19-jährige, ebenfalls aus Viernheim stammende Deutsche bei einer im Kreis Bergstraße wohnenden 72-jährigen Frau Schmuck und Bargeld im Wert von ca. 200.000 Euro betrügerisch erlangt haben. Im Rahmen der weiteren Sofortmaßnahmen konnten die Ermittler beobachten, dass der 20-Jährige Tatverdächtige sich in die Innenstadt von Mannheim in ein Schmuckgeschäft begab, um dort die bei der 72-Jährigen erbeuteten Goldbarren und -münzen zur weiteren Verwertung zu übergeben. Sowohl der 20-Jährige als auch der Betreiber des Schmuckgeschäfts, ein 23-Jähriger aus Ludwigshafen, konnten hierbei festgenommen werden. Im Anschluss erfolgten die Festnahmen der 19-Jährigen Mittäterin sowie zweier weiterer Mitglieder der Bande, einem 21-jährigen Italiener und einem 26-jährigen Libanesen, welche ebenfalls aus Viernheim stammen.

Kriminelle betrieben Arbeitsteilung

Die Täter und Täterinnen waren bestens organisiert. Im Rahmen des arbeitsteiligen Vorgehens agierte beispielsweise der 20-Jährige aus Viernheim als Logistiker, Resident und auch als Abholer von Vermögenswerten an der jeweiligen Wohnung. Die 19-Jährige nahm in den meisten Fällen das Bargeld und die Wertgegenstände als falsche Polizeibeamtin in Empfang oder holte die vor der Wohnung abgelegten Gegenstände ab. Der 23-jährige Betreiber des Schmuckgeschäfts in Mannheim, der von der Herkunft der Schmuckstücke wusste, nahm sie zur weiteren Verwertung entgegen. Die eigentlichen Anrufer, die sich am Telefon als Polizeibeamte ausgeben, saßen in Call-Centern in der Türkei. Ein Großteil der Gewinne wurde nach bisherigem Stand der Ermittlungen auch mit Finanztransaktionsdiensten oder durch Kuriere in die Türkei transferiert. Die Identifizierung dieser Personen und die Sicherstellung der entsprechenden Strafverfolgung bilden einen Schwerpunkt der weiteren Ermittlungen. Ziel der eingerichteten Ermittlungsgruppe und der Staatsanwaltschaft Heilbronn ist es, in Zusammenarbeit mit den türkischen Strafverfolgungsbehörden auch die dortige Gruppierung zu zerschlagen und so weitere Straftaten dauerhaft zu unterbinden.

Am Donnerstag wurden fünf vorläufig festgenommene Personen auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn dem Jugendrichter als Haftrichter beim Amtsgericht Heilbronn vorgeführt. Drei Haftbefehle wurden in Vollzug gesetzt und die Beschuldigten in verschiedene Haftanstalten eingeliefert. Bei zwei Beteiligten wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Der Tatbeteiligung des einen Beschuldigten war eher untergeordneter Art. Aufgrund eines gefestigten sozialen Hintergrundes konnte der Haftbefehl gegen einen weiteren Beschuldigten außer Vollzug gesetzt werden. Ein Bandenmitglied aus Nordrhein-Westfalen ist derzeit noch flüchtig.

Immer mehr Ältere werden betrogen

In den letzten Jahren sind die Betrugsdelikte zum Nachteil älterer Mitbürger stark angestiegen. Insbesondere seit dem Jahr 2016 nahm die Zahl der Telefonbetrugsfälle durch sogenannten "falsche Polizeibeamte", signifikant zu. In Baden-Württemberg wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 über 5.000 Fälle (inklusive Versuchstaten) zur Anzeige gebracht.

In zum Teil stundenlangen, bedrohlichen Gesprächen in der Nacht erwecken die vermeintlichen Polizisten den Eindruck, die Angerufenen seien im Visier von gewaltbereiten Einbrechern, welche es auf ihr Geld und ihre Wertgegenstände abgesehen haben. Durch die angeblichen Amtsträger wird den Geschädigten mitgeteilt, dass ihre Wertsachen weder zu Hause noch auf der Bank sicher seien, weshalb Gelder von den Konten entweder durch die Opfer selbst oder aber auch durch die angeblichen Polizeibeamten abgehoben werden müssen. Im weiteren Verlauf kommt ein zivil gekleideter "Polizeibeamter" vor Ort, welcher das Geld und sämtliche Wertsachen abholt, um sie "in Sicherheit" zu bringen.

Ermittlungsgruppe  für "falsche Polizeibeamte"

Die Staatsanwaltschaft Heilbronn und das Polizeipräsidium Heilbronn haben auf die Entwicklung dieser Kriminalitätsform reagiert. Bei der Kriminalpolizeidirektion wurde im Oktober 2018 eigens eine Ermittlungsgruppe gegründet und beim dortigen Arbeitsbereich für Bandendelikte und Organisierte Kriminalität der Kriminalinspektion 4 angesiedelt. Im Rahmen von umfangreichen, personenbezogenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen konnten durch die Ermittlungsgruppe bislang 20 Beschuldigte identifiziert werden, welche spätestens seit Oktober 2018 arbeitsteilig, konspirativ und hochprofessionell zusammenwirken, um gutgläubige, ältere Menschen mit ihrer Betrugsmasche ganz erheblich zu schädigen. Zum jetzigen Zeitpunkt können dieser Gruppierung 12 Einzeltaten des banden- und gewerbsmäßigen Betruges und der Amtsanmaßung mit einem Gesamtschaden von knapp 500.000 Euro nachgewiesen werden. Die hochmobile Gruppierung agierte in den Bereichen Heidelberg, Heilbronn, Hohenlohekreis, Karlsruhe, Kreis Bergstraße, Ludwigsburg, Mannheim, Pforzheim, Speyer und Sinsheim.