Das Investitionsprogramm ist gewaltig. Doch was die Stadt nach der Corona-Krise tatsächlich umsetzen kann, muss sich erst zeigen. Foto: Werner Kuhnle

Der Haushalt fürs laufende Jahr ist vom Marbacher Gemeinderat in Windeseile abgesegnet worden. Wegen der Corona-Krise wurden die Anträge zum Etat noch nicht diskutiert. Das soll geschehen, wenn man die Pandemie im Griff hat.

Marbach - In der Tat, das hat es noch nicht gegeben. Der Marbacher Haushalt wird verabschiedet – ohne Reden, ohne Diskussion und Entscheidung über Anträge. Nach zwei Minuten ist alles durch. Es sei ein Novum, erklärte Bürgermeister Jan Trost zu Beginn der Ratssitzung am Donnerstagabend in der Stadthalle, dass das Ratsgremium lediglich den Grundhaushalt beschließe und über die zwölf Anträge später spreche. „Angesichts dieser extremen Situation werden wir das tun, wenn die gesundheitlichen Zustände wieder andere sind“, betonte der Rathauschef.

2020 sei das Jahr der großen Wirtschaftskrise, einer Weltwirtschaftskrise, zu der es auch unabhängig vom Virus gekommen wäre, schreibt Ulrich Frech (CDU)
in seiner Haushaltsrede. Nicht erst in Wochen, sondern bereits in wenigen Tagen oder gar Stunden gerechnet, könnten sich derart einschneidende Veränderungen ergeben, die alles verändern. Vorrangiges Ziel müsse sein, Normalität im städtischen Leben zu schaffen und zu erhalten. „Hierbei müssen Projekte, soweit möglich, geschoben werden, erklärte Frech. „Wenn wir in die Nachwirkungen der Corona-Krise unsere Innenstadt im Hinblick auf die viel besprochene Verschönerung zur Großbaustelle machen und mit Baggern aufreißen, könnte dies gerade im Hinblick auf die hier betroffenen Händler ein Zuviel bedeuten.“ Auch Gebäudesanierung sei momentan nicht vorrangig. Und was das lnvestitionsvolumen für die Zukunft mit 78 Millionen angehe, so stehe dessen Verwirklichung noch in den Sternen.

Zwei Enthaltungen bei Abstimmung

Die Freien Wähler stimmten dem Haushalt wie alle anderen Fraktionen zwar zu – lediglich die beiden Puls-Räte enthielten sich. Doch die Freien Wähler mahnten. Marbach haue, was Investitionen angeht, wie im Vorjahr auf die Pauke. „Noch lassen sich die Freien Wähler aus den ausgeführten Gründen auf diesen Weg ein und werden dem Haushalt 2020 zustimmen. Aber je nach Entwicklung der Einnahmenseite behalten wir uns die Verschiebung oder auch Streichung von Nicht-Pflichtaufgaben aus der mittelfristigen Planung vor“, schreibt Martin Mistele (FW).
Der vorliegende Haushalt sei von großen Investitionsvorhaben dominiert und auf Kante genäht. Man sollte unterscheiden, so Mistele, was die Pflichtaufgaben einer Stadt sind und was zwar wünschenswert sei, aber auch von anderen Wirtschaftsbeteiligten geleistet werden kann. „Wir sehen daher weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, dass eine klamme Stadt wie Marbach weiter selbst in preiswerten Wohnraum investieren sollte. Denn sowohl private Bauträger als auch Privatpersonen können dies auch auf eigene Rechnung machen. Der Beinahe-Nullzins gilt schließlich für alle. Was wir tun sollten, ist die Voraussetzung hierfür zu schaffen.“

Sinnvoll und notwendig

In den vergangenen zehn Jahren habe die Kommune ihre Pflichtaufgaben erledigt und darüber hinaus Substanz erhalten, öffentliches Vermögen geschaffen und Infrastrukturschulden abgebaut, heißt es in der Rede von Ernst Morlock (SPD).
Allerdings habe man auch Schulden in einem Maße aufgebaut, wie es Marbach bisher nicht kannte. Bei den für die bis 2023 geplanten Investitionen von 78 Millionen Euro handle es sich ausschließlich um sinnvolle und notwendige Investitionen. Doch das Coronavirus zeige, wie fragil das Wirtschaftssystem geworden sei. Aus Respekt vor der finanziellen Situation und unter Berücksichtigung der Ressourcen der Verwaltung habe die SPD die Zahl der Anträge auf das Nötigste beschränkt. Paradebeispiel einer blanken Beschäftigungstherapie für die Verwaltung sei die Vorbereitung der unzähligen Sitzungen zum Thema „Schaffung von zusätzlichen zentrumsnahen Parkplätzen“. „Ein Blick auf die Finanzen hätte jedem vernünftigen Menschen zeigen müssen, dass ein Parkhaus finanziell überhaupt nicht darstellbar ist und die einzige bezahlbare Lösung eine Erweiterung des Gerberparkplatzes nach Westen sein kann“, heißt es in der Rede des SPD-Fraktionschefs.

Vergleichsweise kurz fasste sich Barbara Eßlinger (Grüne).
Die Corona-Pandemie werde bei fast allen Haushaltsannahmen zu den Einnahmen einen Strich durch die Rechnung machen. Die Planansätze bei Gewerbesteuer, Einkommensteuer oder Grundsteuer erschienen – Stand heute – sehr unwahrscheinlich. Es mache aber auch keinen Sinn, andere Planansätze zu nehmen. „Wir werden über kurz oder lang eine Haushaltssperre einziehen müssen.“ Die Schaffung von preiswertem Wohnraum in der Affalterbacher Straße sei gut umgesetzt. „Wir brauchen ein staatliches Gegengewicht zum privaten Immobilienmarkt.“ Dem Neubaugebiet in Rielingshausen komme eine besondere Rolle zu. „Wir Grünen unterstützen dieses Wohnbaugebiet, wollen aber auch soziale und grüne Aspekte umgesetzt wissen.“ Allerdings sehe man aufgrund der vermuteten Mindereinnahmen mittlerweile ein Fragezeichen für 2020 und vielleicht sogar für 2021.

Vieles deute darauf hin, dass die Gesellschaft nach dieser Krise nicht mehr dieselbe sein werde, schreibt Hendrik Lüdke (Puls).
Man müsse wohl die eine oder andere Investition streichen oder verschieben. Das Investitionsprogramm von knapp 28 Millionen Euro sei mutig und notwendig. Denn wenn in Bildung und Kinder sowie preiswerten Wohnraum investiert werde, sei das okay. „Aber wir sind am hohen Schuldenstand auch selbst schuld, weil wir in der Vergangenheit viel Geld unnötig ausgegeben haben“, schreibt Lüdke und führt zahlreiche Beratungskosten an. „Was haben wir nicht alles prüfen und begutachten lassen, und manches davon liegt in irgendwelchen Schubladen oder wird gar missachtet – wie etwa die Ergebnisse der Parkplätze.“ Schleierhaft sei ihm angesichts der aktuellen finanziellen Situation, wie man sich für eine Gartenschau verpflichten wolle, die weitere Millionen kosten werde.