Matilda Ehlert gilt als vielversprechendes Handball-Talent. Foto: avanti

Matilda Ehlert aus Großbottwar zählt bundesweit zu den größten Handball-Talenten ihres Jahrgangs.

Großbottwar - Von einer solchen Entwicklung geträumt, das habe sie, sagt Matilda Ehlert. Dass aber alles so schnell gehen würde, das hätte die Großbottwarerin nie im Leben für möglich gehalten. Erst im Mai 2019 war sie aus der B-Jugend der HABO JSG zur SG BBM Bietigheim gewechselt. Seitdem wurde sie mit der A-Jugend ohne Punktverlust baden-württembergischer Meister, sie durfte mit den Bundesliga-Frauen trainieren – und sie schaffte den Sprung ins deutsche Jugend-Nationalteam. Bedenkt man, dass Matilda Ehlert erst 15 Jahre jung ist, wird deutlich: Es ist ein vielversprechendes Talent, das da im Bottwartal heranwächst.

In dieser Woche war die Rückraumspielerin erneut mit der Nationalmannschaft unterwegs. Beim viertägigen Lehrgang des DHB im badischen Steinbach war sie mit dabei, als aus der U15/16 offiziell die U17/18 wurde. Dort wurde allerdings nur trainiert, da das Länderspiel gegen die Schweiz coronabedingt kurzfristig abgesagt wurde. Für die 15-Jährige geht das Warten auf ihren nächsten Auftritt im Trikot mit dem Adler damit weiter: Premiere feierte sie im Herbst 2019 bei einem Turnier im polnischen Zakopane, das sie mit der U15 gewann. „Als ich gegen Weißrussland zum ersten Mal dieses Trikot getragen habe, konnte ich das nicht glauben“, blickt der Teenager zurück. Einlaufkinder an der Hand, das Singen der Hymne – all das sei „unbeschreiblich“ gewesen. Und es machte Lust auf mehr. Dann kam aber Corona in die Quere.

Auch die A-Jugend-Bundesliga pausiert, das Training ist aber weiterhin möglich. Viermal die Woche ist Matilda Ehlert hierfür unterm Viadukt. Wie im Nationalteam umgeben von Spielerinnen, die meist deutlich älter sind. Für die Großbottwarerin ist das aber nicht neu: Bereits als Jugendspielerin der HABO schnupperte sie hin und wieder bei den Frauen ihres Heimatvereins TV Großbottwar rein oder spielte im Training gegen sie. Was aber nicht mit dem Höhepunkt zu vergleichen ist, der in diesem Jahr folgte: In der Saisonvorbereitung durfte sie als einzige Rückraumspielerin aus der Jugend einmal pro Woche mit den Bundesliga-Frauen trainieren, die 2017 und 2019 Deutscher Meister wurden. „Vor zwei Jahren bin ich noch als Zuschauerin nach Spielen zu den Spielerinnen gegangen, um Fotos mit ihnen zu machen oder Unterschriften zu sammeln. Jetzt mit denselben Spielerinnen zu trainieren und neben ihnen in der Kabine zu sitzen, das war schon besonders“, schildert die Großbottwarerin ihre Eindrücke aus einem Handball-Märchen. Oder wie sie es auf den Punkt bringt: „Da wurde ein Traum wahr. Nach dem ersten Training war ich der glücklichste Mensch!“ Zumal sie sich viel abschauen konnte, leistungsmäßig von den anderen nicht bedeutend abfiel und mit Xenia Smits eines ihrer Vorbilder bei der SG spielt. Auch zur deutschen Nationalspielerin Emily Bölk, zweimalige Handballerin des Jahres, blickt sie sonst auf.

Geht es nach der 15-Jährigen, dürfen auch noch weitere Träume in Erfüllung gehen. Mit ihren langfristigen Zielen hält sie nicht hinterm Berg. Gerne würde sie einmal „ganz oben mitspielen“. Sprich: Für die SG in der Bundesliga und Champions League auflaufen, dazu in der Nationalmannschaft, um bei WM, EM oder den Olympischen Spielen eine Medaille zu holen. Den richtigen Weg dafür hat sie eingeschlagen – eine erfolgreiche DHB-Sichtung in Heidelberg im Frühjahr, der Sieg mit der HVW-Auswahl beim Deutschland-Cup in noch voller Halle in Nellingen samt der Wahl ins All-Star-Team sowie die Berufung zu einem weiteren DHB-Lehrgang im Oktober bei Berlin, bei dem auch Frauen-Bundestrainer Henk Groener vorbeischaute, sind weitere Indizien.

Lang ist der Weg in den Aktivenbereich trotzdem. Um sich gegen die Älteren noch besser durchsetzen zu können, arbeitet Matilda Ehlert viel im Kraftbereich. Und sie nutzt ihre Freizeit, um im Internet Videos von Handballspielen zu schauen. Egal, ob das Spiele in Dänemark oder in der Champions-League sind. Bei Männern wie Frauen. Auch der THW Kiel, dessen Fan sie ist, darf nicht fehlen. „Natürlich achtet man automatisch darauf, was auf seiner Position passiert“, sagt die Rechtshänderin, die damit versucht, ihr Spielverständnis weiterzuentwickeln.

Gerade das Spielverständnis, das sei bereits eine ihrer großen Stärken, sagt ihr A-Jugend-Trainer Brian Ankersen. Sie wisse genau, wann etwa der Pass in die Lücke zu spielen oder wann der Wurf die bessere Möglichkeit sei. Zumal sie einen „richtig starken Wurf“ habe. Auch ihre Schnelligkeit sehe man in dieser Form nicht oft. Der Däne ist seit Sommer in Bietigheim und dankbar, Matilda und sowieso einen starken 2004er-Jahrgang übernehmen zu können. Sein Lob dafür richtet er also an seine Vorgänger – und auch an die Spieler wie Matilda Ehlert selbst. „Sie lebt den Handball. Wenn wir zehnmal trainieren, dann würde sie auch gerne noch ein elftes und zwölftes Mal kommen. Sie hat immer Spaß am Handball und will immer besser werden. Mit 99 Prozent guter Leistung ist sie nie zufrieden, sie will immer die 100 Prozent zeigen“, macht Brian Ankersen „ihre stärkste Seite“ deutlich. Sie sei auch offen für Kritik und könne die Vorgaben schnell umsetzen.

Der Trainer betont auch, dass Matilda Ehlert mit dem 2004er Jahrgang der Dänen, einer der stärksten Nationen im Frauen-Handball, auf Augenhöhe sei. „Sie gehört auf jeden Fall ganz oben hin. Ich sage ihr, wie auch ihren Mitspielerinnen: Ihr könnt alles erreichen.“ Für den starken 2004er-Jahrgang samt Matilda Ehlert sei kommende Saison geplant, ihn bei den Frauen II in der Baden-Württemberg Oberliga verstärkt an den Aktivenbereich heranzuführen. „Das ist schon eine Schwelle, da die Gegenspielerinnen teils zehn Jahre älter und körperlich natürlich anders gebaut sind. Matilda weiß aber, dass sie in diesem Bereich noch zulegen muss.“

Mutter Michaela Ehlert „zieht den Hut“ davor, was ihre Tochter leistet, gerade unter der Woche. „Das geht auch nur, wenn man mit Haut und Haaren dabei ist und dafür brennt.“ Da sie selbst in Waiblingen höherklassig spielte, kann sie das ganz gut nachempfinden. Vater Ralf, lange für den TV Großbottwar aktiv, macht die Handballfamilie perfekt. „Wir versuchen Matilda zu unterstützen, wo es geht“, so Michaela Ehlert. Auch die Schule ist ja nicht im Vorbeigehen getan, auch wenn in der 10. Klasse am HCG in Beilstein noch keine Mittagsschule anfällt. „Den Stoff nach Lehrgängen nachzuholen, ist oft hart“, sagt Matilda Ehlert. Trotzdem würde sie das auch im nächsten Sommer nur allzu gerne machen müssen: Dann steht für die deutsche U17/18 eine EM oder WM an, je nachdem, ob das 2020 ausgefallene Turnier nachgeholt wird. Für Matilda Ehlert wäre es das erste Großturnier – und vielleicht der nächste Schritt auf dem Weg in den Handball-Profibereich.