Sabine Geiger (links) und Nora Koglin sind frustriert, weil sie seit Monaten quasi auf einer Baustelle leben. Foto: Werner Kuhnle

Ihre Häuser sind vom Bauträger nicht komplett fertiggestellt worden. Mehrere Familien sind deshalb mit den Nerven am Ende – und haben einen Anwalt eingeschaltet.

Steinheim - Auf einem Plakat an der Steinheimer Riedstraße kurz vor der Abfahrt zum Kaufland wurde vollmundig damit geworben, dass auf dem Grundstück dahinter traumhaft schöne Doppelhäuser entstehen würden. Ein Versprechen, dem auch Sabine Geiger und Nora Koglin Glauben geschenkt haben. Doch inzwischen, da sind sich die beiden einig, ist aus ihrem Traum vom Eigenheim ein Albtraum geworden. „Man schläft ein mit dem Gedanken an das Haus und wacht damit auch wieder auf“, sagt Sabine Geiger. Mittlerweile können sie zwar immerhin in den Immobilien wohnen, doch im Grunde leben sie seit Monaten auf einer Baustelle – obwohl die Gebäude eigentlich schon im August 2018 schlüsselfertig hätten übergeben werden sollen, erzählen die beiden Frauen. Und die Leute tuscheln längst, fragen sich, warum es nicht vorwärtsgeht. Den Bewohnern ist bestimmt das Geld ausgegangen, wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt.

Dabei schien es das Schicksal doch richtig gut mit ihnen zu meinen. Auf dem nahezu komplett leer gefegten Immobilienmarkt tut sich 2017 plötzlich ein Türchen auf, als für ein neues Projekt an der Riedstraße die Werbetrommel gerührt wird. Die Lage ist ausgezeichnet, Supermarkt, Schule und Wellarium sind nur einen Katzensprung entfernt, der Preis passt ebenfalls. Es ist fast zu schön, um wahr zu sein. Sabine Geiger und Nora Koglin greifen mit ihren Partnern also zu. Doch den ersten Nackenschlag müssen die beiden Mütter schon einstecken, da ist noch nicht einmal der Spatenstich gemacht. Beim Abriss des bestehenden Gebäudes seien Asbestplatten nicht ordnungsgemäß entsorgt worden, erzählt Sabine Geiger. Ein Nachbar habe Anzeige erstattet, die Baustelle erst mal geruht. Natürlich habe man sich zu dem Zeitpunkt schon Sorgen gemacht, sagt die 37-Jährige. Doch der Bauträger habe versucht zu beschwichtigen, und man habe die Erklärungen als Laie geschluckt, ergänzt Nora Koglin. „Wir sind am Anfang noch sehr gutgläubig gewesen und wollten es uns mit dem auch nicht verscherzen“, konstatiert die 36-Jährige. Da konnte sie auch nicht wissen, dass es noch dicker kommen würde.

Gegen Februar oder März 2018 sei es dann zwar richtig losgegangen und die Bagger seien angerückt, berichtet Sabine Geiger. Doch es habe sich nur schleppend etwas bewegt. „Ständig hatte man das Gefühl, man muss hinterherrennen, damit es vorwärtsgeht“, sagt sie. Schließlich kam Ende 2018 der erste große Schock: Der Generalunternehmer, den der Bauträger mit der Errichtung der insgesamt sechs Häuser an der Riedstraße beauftragt hatte, sei pleite gewesen. „Da wurde es uns natürlich schon übel. Der Rohbau war noch nicht einmal ganz fertig“, erinnert sich Geiger. „Außerdem war alles krumm und schief“, ergänzt sie. Der Bauträger habe erklärt, er werde sich auf die Suche nach neuen Handwerkern begeben, um das Projekt fortzusetzen. Mit Hängen und Würgen seien die Häuser dann tatsächlich immerhin so weit fertiggestellt worden, dass sie im Dezember 2019 mit ihrer Familie einziehen konnte, erzählt Nora Koglin. Rings ums Gebäude sei von da an allerdings gar nichts mehr passiert. Einige der sechs Häuser sind somit bis heute nicht verputzt, ein Teil der Carports und Stellplätze wartet darauf, dass sie irgendjemand installiert beziehungsweise anlegt. Der Zugang zu den Häusern von Sabine Geiger und Nora Koglin ist nicht mehr als ein Provisorium aus Matten und Holzpaletten, die die Familien selbst aneinandergereiht haben. So versinkt man bei Regenwetter auf dem Weg zur Tür wenigstens nicht im Matsch. Wenn die beiden eine schöne und richtige Terrasse sehen wollen, müssen sie in Prospekten nachschlagen.

Das Dilemma sei, dass der Bauträger die Handwerker nicht habe anrücken lassen, weil ihm „die finanzielle Kraft“ dafür fehle, sagen die Frauen. Zahlungsunfähigkeit wolle er aber auch nicht anmelden. „Er hat uns gegenüber gesagt, er möchte die Insolvenz vermeiden, um die Gewährleistungsansprüche auf Mängel, welche bis heute im Großen und Ganzen aber leider nicht behoben wurden, ausüben zu können“, erläutert Nora Koglin. Um die Kuh vom Eis zu holen, habe man angeboten, die Restarbeiten auf eigene Faust erledigen zu lassen, berichtet Sabine Geiger. Im Gegenzug sollte der Bauträger, der nach wie vor Eigentümer von Grund und Boden ist, ihnen die Häuser offiziell überschreiben und auf die letzte, für die Fertigstellung der Außenanlagen und der Fassade offenstehende Rate von rund 35 000 Euro verzichten. Darüber hinaus hätten die Familien je nach Baufortschritt der einzelnen Häuser noch eine Summe X eingefordert, erklärt Sabine Geiger. „Um alles fachgerecht nach Bau- und Leistungsbeschreibung fertigstellen zu können, benötigen wir die doppelt so hohe Summe. Denn wir als Privatpersonen erhalten bei der Einzelvergabe der Gewerke natürlich schlechtere Angebote von den Handwerksunternehmen als ein Bauträger gebündelt für alle sechs Häuser. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass die Mehrwertsteuer, die man als Privatperson hat, zu entrichten ist“, erläutert Sabine Geiger. Doch der Bauträger habe alle Angebote der Handwerker, die man privat bei ihm eingereicht habe, als völlig inakzeptabel deklariert. Diese seien viel zu hoch, habe es geheißen. „Wir haben mehrfach versucht, uns zu einigen, machen das aber nicht um jeden Preis“, ergänzt Nora Koglin. Bis zu einem gewissen Grad würde man dem Unternehmen sogar entgegenkommen. „Aber da kommt einfach gar nichts“, sagt sie zu etwaigen Gegenangeboten.

Mittlerweile seien auch schon die Fertigstellungsfristen verstrichen, betont Sabine Geiger. Selbst wenn er jetzt noch wollte und könnte, dürfe der Bauträger die Restarbeiten ohne Einwilligung der Familien also gar nicht mehr erledigen. Und diese würden die von ihm beauftragten Handwerker nicht mehr an die Häuser lassen, weil sie nach den Erfahrungen der vergangenen Monate das Vertrauen in den Bauträger verloren hätten, erläutert Geiger. „Wir haben einige Baumängel, der Bauträger hat die Arbeiten so billig wie möglich ausführen lassen. Am Ende zahlen wir alle noch mal mächtig drauf“, präzisiert sie die Vorbehalte.

Was also tun? Den Familien wäre es am liebsten, wenn sie mit dem Bauträger handelseinig, Eigentümer der Häuser werden und die Restarbeiten in Auftrag geben könnten. Bei diesem Modell würde auch die Bauversicherung insbesondere für die Mängelbeseitigung in die Bresche springen. Denn das geschehe erst und nur dann, wenn sie Eigentümer wären oder aber der Bauträger insolvent wäre, sagen die beiden Frauen. „Der Bauträger verweigert derzeit die Auszahlung der Versicherungssumme, da wir die Schlussrate nicht bezahlt haben. Aber wie sollen wir die Schlussrate denn bezahlen, wenn die Arbeiten nie ausgeführt wurden? Wir befinden uns seit zweieinhalb Jahren im Bauverzug“ sagt Geiger.

Da ihnen langsam, aber sicher die Geduld ausgehe und sie über den Gesprächsweg nicht weitergekommen seien, hätten sich fünf der sechs betroffenen Parteien zusammengetan und einen Anwalt genommen, um ihre Ziele durchzuboxen, sagt Sabine Geiger.

Der Bauträger streitet auf Nachfrage nicht ab, dass es bei dem Vorhaben zu „erheblichen“ Verzögerungen gekommen ist. Grund dafür sei zum einen die Pleite des Generalunternehmers. Zum anderen habe man bei der anschließenden Einzelvergabe der Gewerke bei den Handwerkern nicht immer das richtige Händchen gehabt. Allerdings wolle man das Projekt nach wie vor zum Abschluss bringen, beteuert die GmbH. Genau das sei aber „momentan einfach nicht möglich mit den Kunden, da die durch uns beauftragten Handwerksfirmen den Kunden nicht gut genug sind“, schreibt das Unternehmen in einer Stellungnahme. Der Landschaftsgärtner sei sogar des Grundstücks verwiesen worden, als er ein Angebot habe unterbreiten wollen.

Die Firma räumt ein, dass die Häuser nicht ohne Mängel errichten wurden. Die Schwachstellen seien in Protokollen festgehalten und durch eine Bürgschaft abgesichert. Zudem versuche man seit einiger Zeit, mit den Familien und deren Anwalt eine Einigung zu erzielen. Von den Kunden würden allerdings „Angebote vorgelegt zur Behebung der Mängel beziehungsweise der noch offenen Restarbeiten, welche wir in diesen Höhen einfach nicht akzeptieren können, da uns günstigere vorliegen“.

Das Unternehmen beteuert zudem, laufende Kosten bedienen zu können, es bestehe derzeit kein Grund, in den Konkurs zu gehen. Sollten jedoch durch „Gerichtsverhandlungen und Gutachten mit den Kunden höhere Summen zustandekommen wie durch die offenen Kaufpreise oder die Bürgschaft, die die GmbH nicht finanzieren könnte, werden wir selbstverständlich ordentlich Insolvenz anmelden“.

Die Firma ist sich bewusst, dass das Bauvorhaben für die Familien „furchtbar“ gelaufen sei. „Jedoch haben wir es trotz alledem geschafft, dass alle Kunden in ihren Häusern wohnen, welche aus unserer Sicht keine Schrottimmobilien sind, so wie es die Kunden gerne darstellen.“