Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Familien sind in Oberstenfeld in der Notbetreuung aufgenommen worden. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Familien sind in Oberstenfeld in der Notbetreuung aufgenommen worden. Die Gemeinde überlegt, ob sie Mitarbeiter der Offenen Jugendarbeit an der Schule einsetzt.

Oberstenfeld - Die Gemeinde Oberstenfeld hat die Notbetreuung für Kinder aus sozial schwachen Familien geöffnet. Durch die Corona-Pandemie geraten immer mehr Schüler der Lichtenbergschule in Gefahr, das Klassenziel nicht zu erreichen. Deshalb fordern Schulleitung und Schulsozialarbeit verstärkte Anstrengungen, diese Kinder zu unterstützen. Die Gemeinde überlegt nun, auch die beiden Mitarbeiter der Offenen Jugendarbeit an der Schule einzusetzen.

Das Problem klang bei der jüngsten Gemeinderatssitzung eher am Rande an. Nach dem Bericht der beiden Sozialarbeiter Michael Peyerl und Tina Oßfeld über die Offene Jugendarbeit im vergangenen Jahr meldete sich Ulrike Kemmer, Rektorin der Lichtenbergschule und SPD-Gemeinderätin, zu Wort. Sie befürchtete, dass Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen an ihrer Schule beim Homeschooling verloren gehen könnten. Was sie damit meinte, erklärte sie im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wir haben in jeder unserer Klassenstufen zwei bis drei Familien, in denen es brennt.“ Insgesamt seien 30  bis 40 Kinder betroffen. Sie lebten unter besonders ungünstigen Lernverhältnissen und seien inzwischen in der aktuell mit 45 Kindern belegten Notbetreuung aufgenommen worden. „Die Betreuung ist für sie wie ein rettender Hafen.“

Die Schulsozialarbeiterin ist stark beansprucht

Im Gemeinderat hatte Ulrike Kemmer diese Situation noch nicht im Detail beschrieben. „Ich habe im Bericht der Offenen Jugendarbeit vor allem gelesen, dass vieles wegen der Corona-Pandemie nicht geht, weil das Jugendhaus der Gemeinde geschlossen bleiben musste“, erklärte Kemmer im Gespräch. Hingegen habe die Ortsbücherei in ihrem Bericht deutlich gemacht, alles für die Nutzer zu versuchen, um ihre Einrichtung noch zugänglich zu machen. Sie habe Verständnis für die Vorschriften, die für Jugendhäuser gelten, doch frage sie sich, ob die personellen Ressourcen der offenen Jugendarbeit teilweise nicht auch in der Schulsozialarbeit eingesetzt werden könnten.

Offenbar stark beansprucht ist die Schulsozialarbeiterin Bettina Kießlich, die seit September für die Gemeinde mit einem Stellenanteil von 80 Prozent arbeitet. „Sie bringt sich sehr aktiv ein und hat einen sehr engen Kontakt zu den Kindern“, lobt die Schulleiterin Ulrike Kemmer. Es sei wichtig, dass sich jemand die Zeit nehme und sich bei den Familien nach deren Situation erkundige. Das könnten die Lehrer bei den 292 Grundschülern selbst nicht mehr leisten. Deshalb denke sie, dass der ursprüngliche Stellenanteil der Gemeinde von 150 Prozent für das Jugendhaus, 50 Prozent für das Streetworking und 80 Prozent für die Schule angesichts des Mehrbedarfs an der Schule verlagert werden sollte. Indes gebe es auch unter älteren Jugendlichen einen erheblichen Beratungsbedarf, hatten Peyerl und Oßfeld im Gemeinderat berichtet.

Der Bürgermeister will mit den Sozialarbeitern ein Gespräch führen

An der Schule sieht sich Bettina Kießlich über Online-Angebote und durch eine starke Präsenz in der Notbetreuung in der Lage, einen größeren Kontakt zu vielen der Schüler herzustellen. Die Notbetreuung sei inzwischen nicht nur für Kinder von Berufstätigen aus systemrelevanten Berufen geöffnet, sondern für Kinder, von denen deren Lehrer der Überzeugung seien, sie bräuchten diese Entlastung von der Situation in den eigenen Familien.

Den Mehrbedarf der Schulsozialarbeit an der Lichtenbergschule erkennt der Bürgermeister Markus Kleemann an. „Die Kinder sollen den Anschluss wegen der Corona-Pandemie nicht verlieren“, sagt er auf Nachfrage. Die Verwaltung werde sich mit den Schulsozialarbeiten und der Rektorin zusammensetzen, um Maßnahmen zu besprechen. Insbesondere Kinder aus Familien mit zwei berufstätigen Elternteilen könnten in der Notbetreuung aufgenommen werden. Er denke, dass nicht nur die Oberstenfelder Grundschule Probleme habe, sondern auch in anderen Orten die Corona-Pandemie Familien unter den Umständen litten.

Kritisch sieht das Ministerium für Soziales und Integration eine Vermischung von Notbetreuung, Schulsozialarbeit und Offener Jugendarbeit. „Es sind verschiedene Säulen, die unterschiedlichen Zwecken dienen“, sagte ein Sprecher. So könnte eine Gemeinde von einem anderen Träger nicht einfach verlangen, einen Jugendsozialarbeiter in der Notbetreuung einzusetzen, wenn dadurch die Arbeit im Jugendhaus geschwächt werde. „Es ist aber vorstellbar, dass bei einem Träger aller Bereiche, wie etwa einer einzigen Gemeinde, Gespräche geführt werden, um vor Ort eine flexible Lösung zu erreichen.“

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Die Situation in anderen Kommunen

Marbach
Weiter klar getrennt sind die Bereiche Schulsozialarbeit und Offene Jugendarbeit, erklärt der Bürgermeister Jan Trost. Die Mitarbeiter des Jugendhauses seien in der Corona-Nachverfolgung, in der Einzelberatung, dem Planen von Veranstaltungen, den Ferienspielen und der Jugendbeteiligung beschäftigt. Die Schulsozialarbeit kümmere sich um Kontakte zu Familien mit Lernproblemen. Probleme mit abgetauchten Schülern im Online-Betrieb gebe es eher an der Förderschule.

Großbottwar
An der Wunnensteinschule habe man sich um drei Schüler gekümmert, die mit dem Fernunterricht Probleme hatten, berichtet Schulleiterin Uta Schwarz. Ansonsten habe sich der Fernunterricht mit dem System MS-Teams an der Schule mit 314 Schülern bewährt. In der Notbetreuung seien neun Kinder, deren Eltern eine Betreuung nicht gewährleisten könnten. Die Betreuung werde dort durch Freiwillige (Bufdis) geleistet. Kindern aus bildungsfernen Familien helfe man durch Teams-Sitzungen.

Steinheim
Unter den rund 320 Grundschülern an der Blankensteinschule gebe es pro Jahrgang ein oder zwei Kinder, die auch nicht an Zusatzangeboten des Fernunterrichts teilnähmen, berichtet die Rektorin Jasmin Meister. Es seien die Lehrer, die Kinder kontaktierten, die fehlten, weil sie etwa Geschwister betreuen müssten. Darüber hinaus sei die Schulsozialarbeit beteiligt, so Hauptamtsleiter Norbert Gundelsweiler. Die Schulsozialarbeit sei mit der offenen Jugendarbeit eng verzahnt.