Freuen sich auf ihre gemeinsame Schiffsreise in Norwegen: Martin, Erika und Andreas Tränkle (von links) Foto: Oliver von Schaewen

Erika und Martin Tränkle freuen sich an ihrem Sohn Andreas, der trotz seines Handicaps viel mit ihnen unternimmt

Großbottwar-Winzerhausen - Eigentlich hätte Andreas Tränkle an diesem Nachmittag Trompeten-Unterricht. „Ich spiele drei Instrumente“, erzählt der 26-Jährige beim Kaffeetrinken am Tisch der Eltern in Winzerhausen. „Trompete, Schlagzeug und Harfe.“ Viel üben, viel trainieren – das ist die Devise der Eltern Erika und Martin Tränkle gewesen, die Andreas als fünftes Kind mit einem Downsyndrom bekommen haben. Dass diese Behinderung zum Leben gehört, haben Vater und Mutter früh akzeptiert und Inklusion auf ganz selbstverständliche Weise praktiziert. „Wir sind von Anfang an offensiv damit umgegangen“, erklärt die Mutter Erika, die den Trompeten-Unterricht an diesem Tag für das gemeinsame Gespräch geopfert hat.

Bevor Andreas zur Welt kam, wollte Erika Tränkle eigentlich wieder in den Beruf als Lehrerin zurück. Doch die Schwangerschaft kam dazwischen. Heute weiß sie: Der Weg mit Andreas ist nicht immer einfach gewesen, er hat ihr und ihrem Mann aber eine lang anhaltende Freude geschenkt. „Die meisten Kinder ziehen aus dem Haus, wenn sie groß sind – dann haben die Eltern nicht mehr so viel von ihnen.“ Das ist bei Sohn Andreas anders. Er lebt in dem geräumigen Einfamilienhaus oben in einer eigenen Wohnung mit. Und er kann dort relativ eigenständig agieren – so spielt er gerne mit dem Computer oder schaut Fernsehen, wie nicht behinderte Menschen auch. „Andreas kann gut zwei Stunden mal alleine sein, dann kommt er aber auch zu uns herunter, und wir sind für ihn da“, erzählt die Mutter.

Den Tag beginnt die Familie morgens um 7 Uhr beim Frühstück gemeinsam. Andreas Tränkle und die Mutter müssen arbeiten gehen. Auf Vermittlung der Theo-Lorch-Werkstätten hat der Sohn im Pflegeheim der Karl-Schaude-Stiftung eine Beschäftigung gefunden. Das Heim ist nur fünf Gehminuten entfernt. Dort hilft er mit, das Essen auszuteilen, füllt die Spülmaschinen auf oder wechselt in den Zimmern der Pflegestationen Handtücher. „Die Menschen dort mögen Andreas“, weiß die Mutter. Und auch Isabell Brando, die Pressereferentin der Theo-Lorch-Werkstätten, bestätigt, dass der sogenannte betriebsintegrierte Arbeitsplatz Andreas Tränkle liegt. „Er hat schon in seiner Zeit bei uns in den Werkstätten in Ludwigsburg viel Einsatz gezeigt, als er schon um 7.15 Uhr kam, um für alle Brötchen zu schmieren und damit einen Frühstücksservice ermöglicht hat.“

Sich anstrengen und wie nicht-behinderte Menschen einen wertvollen Beitrag leisten – das ist die eine Seite der Inklusion. Dieser Leistungswille klingt im Gespräch mit den Tränkles kaum an. Dafür aber das Miteinander: „Uns war früh wichtig, dass wir Andreas überall hin mitnehmen“, erzählt Vater Martin. So habe man den Sohn quasi „illegal“ in die Grundschule mit eingeschleust, in der die Mutter arbeitete – in einer Zeit, in der es noch keine Außenklassen gab, mit denen erst von 1999 an geistig behinderte Menschen an den Schulalltag der Nichtbehinderten herangeführt wurden. „Die Begleitperson war ich“, erinnert sich Erika Tränkle, sie habe der Schulleitung deutlich gemacht, dass sie ihren Sohn wieder von der Schule nähme, würden sich unlösbare Probleme ergeben.

Die befürchteten Widerstände blieben jedoch aus. Im Gegenteil. „Die größeren Hauptschüler haben ihn sogar immer beschützt“, erzählt Erika Tränkle. So wie auch die vier Geschwister nach ihm geschaut haben. „Andreas war stets mit dabei, ich weiß noch, wie wir einen Austauschschüler am Bahnhof gemeinsam verabschiedet haben und wie schön das für alle war.“ Als Andreas einmal Neuntklässlern über sein Downsyndrom im Klassenzimmer berichtete, hörten alle Schulkameraden aufmerksam zu. „Wir haben praktisch keine Vorurteile erlebt“, sagt Martin Tränkle, der früher an der Marbacher Anne-Frank-Realschule Mathematik und evangelische Religionslehre unterrichtete.

Der Vater unternimmt auch heute noch gerne Ausflüge mit seiner Frau und dem Sohn. Dann setzt sich die kleine Dreierfamilie ins Auto, und Andreas wird nach Ludwigsburg zum Musikunterricht oder in den Sport in den Räumen der sonderpädagogischen Fröbelschule chauffiert. Auch Schwimmen im Ludwigsburger Stadionbad steht regelmäßig auf dem Programm – das machen Vater und Sohn aber alleine. „Hinterher gibt es oft eine Pizza“, schwärmt Andreas Tränkle. Die Mutter freut sich, dass ihr Junge sowohl das Schwimmen als auch das Radfahren frühzeitig erlernte. „Er brauchte natürlich länger, aber wir haben es mit viel Training geschafft.“

Weil die Musik mit anderen mehr Spaß macht als alleine, trifft sich Andreas Tränkle bei den Proben der Favo-Gang, in der auch andere geistig behinderte Menschen spielen. „Wir haben die Gruppe neulich bei einer Vernissage im Landratsamt gebucht“, erzählt Isabell Brando. Sie freut sich mit der Familie über deren gelungenes Zusammenleben. Der Beitrag, den die Theo-Lorch-Werkstätten leisteten, sei der des Vermittlers. „Wir ermutigen Arbeitgeber, behinderte Menschen einzustellen.“ Diese beschenkten den Arbeitgeber oft mit viel Herzenswärme, die um sie herum entstehe.

Zusammen viel Gutes wollen die Tränkles auch bei einer gemeinsamen Urlaubsreise im Oktober erleben. Dann stehen die Hurtigruten eine Woche lang auf dem Programm. Der Vater Martin Tränkle steht eigentlich nicht so auf Schiffsreisen, aber auf die gemeinschaftliche Tour freut er sich sehr. „Andreas macht dann bestimmt wieder viele Fotos, das kann er wirklich gut.“