Gefeiert: SSIO in Stuttgart Foto: Lichtgut/Iannone

Rasend schnell und ziemlich explizit: So lässt sich der Hiphop von SSIO am besten beschreiben. Mehr Sex und Drugs presst derzeit kein deutscher Rapper in Zeilen. Im LKA ist er dafür gefeiert worden.

Stuttgart - Rasend schnell und ziemlich explizit: So lässt sich der Hiphop von SSIO am besten beschreiben. Mehr Sex und Drugs presst derzeit kein deutscher Rapper in Zeilen. Im Sekundentakt spuckt SSIO zum souligen Retro-Sound seine „dirty Words“ ins Mikro, mit so viel Tempo, dass man schon gut hinhören muss, um all die Nutten, all das Koks mitzubekommen. Seine Fans, da kann man sicher sein, kennen jeden seiner Texte gut. Allerdings: hört man genauer hin, dann bleibt nicht verborgen, wie heiter SSIO all die saftigen Klischees seines Genres auf den Arm nimmt. In einer Welt, in der jeder noch ein bisschen dicker aufträgt, ein bisschen schmutziger sein will, trägt er am dicksten auf und nimmt sich selbst am wenigsten ernst. Ein älteres Stück von SSIO heißt: „Ich fibicke jeden Songtext“. Zeilen kommen vor darin wie: „Hiphop ist ein Kasperltheater / voller Pyjama tragender Angsthasen-Veganer / ich dagegen bin Hobbymilficker / oder Bodybuildingstar für Tommy Hilfinger“.

Tabubrüche und Ferkeleien

So kurios, so größenwahnsinnig. SSIO stapelt die Tabubrüche, die Ferkeleien so hoch auf, dass ein absurder Riesenspaß daraus wird. Das kommt gut an: landete sein erstes Album „BB.U.M.SS.N“ 2013 noch auf Platz sechs der Charts, machte „0,9“ von 2016 schon den ersten. Und „Messios“, auf dessen Cover der Rapper ganz in Weiß als Erlöserfigur posiert, veröffentlicht am 6. Dezember, liegt derzeit auf Platz zwei. Zuletzt war SSIO im März 2016 in Stuttgart; im April 2019 wollte er sein damals aktuelles Album im Wizemann vorstellen – der Termin wurde verschoben.

Nun ist schon das nächste Album da, das LKA ist zwei Mal ausverkauft mit jeweils 1500 Besuchern, und die Stimmung dort, am ersten von zwei Abenden, ist überschwänglich: SSIOs große Klappe wird gefeiert. Erst taucht er mitten im Publikum auf, reimt „Tannenbusch“ auf „Hasch“ und „Cash“ auf „Arsch“, zu trockenen Beats, dann begibt er sich auf die Bühne, wird dort begleitet von den Rappern Pete Boateng, Kevro und dem Live-Schlagzeuger Steddy, der weit droben sitzt, zwischen zwei haarigen Fäusten von phänomenaler Größe. Die Daumen der Fäuste schieben sich zwischen Zeige- und Mittelfinger vor: das gibt es beim Konzert auch zu kaufen, als Handschuh aus Schaumstoff. Jeder zweite im Saal hat schon einen und winkt zur Bühne hin. Und irgendwann hüpft auf der Bühne auch ein großer Rapperkopf aus Schaumstoff wild umher.

Vielleicht doch ein solider Bursche?

Die Stimmung ist groß, am Mittwoch, das Konzert kurz. SSIO spielt gut 70 Minuten, rappt sich durch sein neues Album. „Schüsse aus dem Hochzeitskorso“ heißt ein Song – „In der Türkei, sag‘ ich mal, ist das ein ziemlich alter Brauch“, murmelt eine Stimme im Mix. SSIO wurde geboren in Bonn, seine Familie floh vor seiner Geburt aus Afghanistan, noch bis zum 28. Januar wird er 30 Jahre alt sein. Und er studiert, dem Vernehmen nach, BWL: vielleicht eben doch ein ganz solider Bursche.