Übrig gebliebene Lebensmittel finden oft noch Abnehmer. Foto: Archiv (dpa)

Warum ist es wichtig, Lebensmittel nicht zu verschwenden, und wie können die Waren gerettet werden? Eva Kissel erzählt.

Marbach - Eva Kissel ist Mitglied der Marbacher n*gruppe, ein Verbund für eine nachhaltige Lebensführung, und ausgebildete „Foodsaverin“.

Frau Kissel, was ist eine Foodsaverin?

Ich bin Mitglied bei Foodsharing Ludwigsburg, ein Verein, der lokal versucht, Lebensmittelverschwendung zu verhindern.

Wie geht das?

Das Prinzip funktioniert wie bei den Tafeln, die aber immer Vorrang haben. Wir holen in Läden Lebensmittel ab, die nicht mehr verkauft werden, und verteilen oder verwenden sie, damit Lebensmittel nicht verschwendet und  weggeworfen werden.

Warum ist das wichtig?

Lebensmittel herzustellen erzeugt sehr viel klimaschädliches CO2, verbraucht viel Wasser, Energie und Fläche. Wenn Lebensmittelverschwendung ein Land wäre, wäre es das mit den drittgrößten Treibhausgas-Emissionen der Welt. Das hat die Welthungerhilfe errechnet.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie tonnenweise Brot sehen, das nicht gegessen wird?

Das ärgert mich sehr und weckt in mir das Gefühl der Ohnmacht.

Wo sehen Sie die Verantwortung?

Ich finde, es greift zu kurz, nur den Verbraucher zu ermahnen, dass es solche Verschwendungen nicht geben darf. Die Erfahrung zeigt, dass das kaum wirkt. Es müsste politisch etwas passieren.

Zum Beispiel?

Es sollte gesetzlich geregelt werden, dass Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum nicht abgelaufen ist, nicht weggeworfen werden dürfen. In Frankreich beispielsweise müssen solche Lebensmittel an Tafeln weitergegeben werden. Und auch Tschechien hat ein Gesetz zum Schutz von Lebensmitteln.

Bis politisch etwas passiert, dauert es oft sehr lange. Gibt es andere Lösungsansätze?

Lebensmittel müssten viel teurer sein. Dann würde zum Beispiel der Bäcker das Brot eher verkaufen wollen, statt es abends aus der Theke zu nehmen, und eventuell anders kalkulieren. Und die Menschen würden mit viel mehr Bedacht einkaufen, nur kaufen, was sie wirklich brauchen, und das dann auch komplett verwerten. Die meisten Dinge werden nämlich im privaten Bereich weggeworfen, gar nicht unbedingt im Handel.

Es lässt sich im Haushalt nicht immer vermeiden, dass etwas übrig ist.

Stimmt. Deshalb habe ich im Stadtteil Hörnle eine Gruppe mit 49 Leuten gegründet. Den Mitstreitern dort habe ich über foodsharing-Abholungen Lebensmittel direkt vom Handel gebracht, die weggeschmissen werden sollten.

Das klingt toll.

Ja, allerdings hatte ich gehofft, dass sich der eine oder andere bei „Foodsharing“ auch zum Foodsaver ausbilden lässt und wir gemeinsam mehr bewirken können. Das hat aber nicht geklappt – die Ausbildung ist ein wenig aufwendig. Dazu kommt, dass es für mich ein bisschen umständlich war, die Termine zu organisieren, und ich immer abwägen musste, ob sich die Fahrt zum Betrieb in ökologischer Hinsicht rechtfertigen lässt. Deshalb setzen wir jetzt auf ein anderes System.

Und wie sieht das aus?

In Marbach Süd, wo ich wohne, haben wir eine Gruppe gegründet, innerhalb derer wir uns per Messenger gegenseitig Lebensmittel anbieten, die wir nicht verwerten können. Ist man interessiert, holt man die Ware beim Anbieter ab. Das macht auch die Gruppe im Hörnle so ähnlich.

Wie groß ist Ihre Gruppe?

Wir sind jetzt acht Leute. Wer mitmachen oder selbst eine Gruppe gründen möchte, kann sich gerne bei mir melden. Am besten unter kissel@n-gruppe.org