Produktmanager Julian Schockenhoff (links) und Jens Reichenbach, verantwortlich für den medizinischen Bereich bei Greiner, zeigen die Apps auf dem Tablet. Foto: Julia Spors

Die Firma Greiner hat ein individuell einstellbares Tablet entwickelt, das weltweit einmalig und sehr gefragt ist.

Pleidelsheim - Ein Jeder war wohl schon einmal in einem Krankenhaus – ob als Patient oder als Besucher. Und wohl jeder kennt das Problem. Da hat man einen Arm in Gips oder aber eine Kanüle im Arm – und schwups ist das Bedienen des eigenen Smartphones gar nicht mehr so einfach. Der kleine Fernseher direkt am Bett ist meist nur schwer zu bedienen und ehrlich gesagt auch nicht das Gelbe vom Ei. Und ins Internet: Das kann man meist wirklich nur mit seinem kleinen Smartphone oder dem eigenen Tablet. Doch was, wenn jemand keines hat?

All diesen Problemen hat sich die Firma Greiner, die seit Jahrzehnten Medizinprodukte wie Krankenhaus-Liegen sowie die passenden Beistelltische auf den Markt bringt, angenommen. Greiner arbeitet an der Zukunft in den Kliniken – an der digitalen und multimedialen. „Und ganz blöd gesagt: Die Corona-Krise macht aktuell sehr deutlich, wo Innovationsbedarf besteht“, sagt Jens Reichenbach, der bei der Firma Greiner für den medizinischen Bereich verantwortlich ist. Denn: „Wir alle haben die Bilder von sterbenden Patienten gesehen, die keinen Besuch von ihren Liebsten erhalten konnten. Und wir alle haben die emotionalen Momente gesehen, als Ärzte oder Schwestern ihr Tablet zur Verfügung gestellt haben für einen Video-Anruf“, sagt Reichenbach. Das Thema Quarantäne sei ein großes – „und ich bin sicher, das wird uns auch weiterhin begleiten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass jeder Patient die Möglichkeit hat, Kontakt mit seinen Angehörigen aufzunehmen“, sagt er.

Zusammen mit einer Softwarefirma aus Korea, die sie bei der internationalen Messe medica kennengelernt hat, hat die Pleidelsheimer Firma deshalb in den vergangenen eineinhalb Jahren mit dem Smart Mediatable (SMT) ein multimediales Tablet für Krankenhäuser und Praxen entwickelt – Greiner war Ideengeber, der Software-Partner Umsetzer –, das auf jede Person individuell einstellbar ist. So wie das eigene Smartphone eben auch personalisiert ist. Das Smartphone kann sogar mit einem Klick mit dem Tablet gekoppelt werden, sodass ein Patient alle seine Apps oder Kontakte vor sich hat – in Großformat und bedienbar mit einer Hand. „Das ist vor allem beim Thema Dialyse ein wichtiger Punkt. Denn die Leute müssen alle zwei Tage für mehrere Stunden behandelt werden und ihren Arm dann ausgestreckt liegen lassen. Das ist kostbare Lebenszeit, die sie mit diesem Modul so verbringen können, wie sie wollen. Dadurch haben sie zumindest etwas mehr Unterhaltung und sind abgelenkt“, erklärt Produktmanager Julian Schockenhoff. Heißt: Der Patient kann Videoanrufe tätigen, in seine eigenen sowie vorinstallierte Apps gehen, surfen, spielen, lesen, fernsehen oder E-Mails bearbeiten.

Aktuell stehen in Pleidelsheim noch die Demo-Geräte. Die erste große Bestellung der Module, die in Korea hergestellt und dann bei Greiner montiert werden, ist aber bereits auf dem Weg nach Pleidelsheim. „Dann geht es richtig los. Das Produkt wird gerade eingeführt, wir haben die weltweiten Vertriebsrechte und wir haben zudem das Patent auf das System angemeldet. Denn: So ein System, das man wirklich auf jede Person individuell einstellen kann, gibt es bislang nirgends auf der Welt“, erklärt Reichenbach. Das zeichnete sich bereits bei den ersten Präsentationen ab. Im November waren die Vertriebspartner aus der ganzen Welt in Pleidelsheim, um sich briefen zu lassen. Anschließend gingen sie mit dem Produkt auf den Markt zu. Mit Erfolg. Krankenhäuser, Dialysestationen und Kinderkliniken sind sehr an der Neuheit interessiert. „Wir haben schon jetzt Aufträge aus Libyen, Kuwait, Qatar, Australien und aus ganz Europa. Das Feedback ist phänomenal“, berichtet Reichenbach zufrieden.

Der Clou: Das Tablet ist mit einem bruchsicheren Glas ausgestattet, das jegliche Art von Stöße aushält und dem auch Flüssigkeiten nichts ausmachen. Es ist also für den Alltag in einer Klinik geeignet. Zumal es über eine antibakterielle Oberfläche verfügt. Heißt: Es haften keine Bakterien an der Oberfläche und es lässt sich desinfizieren. Um das Modul in Betrieb zu nehmen, braucht es einzig einen Stromanschluss sowie WLAN. Die Software selbst kann täglich erweitert werden. „Das eröffnet uns eine riesige Welt – auch im Hinblick auf das Thema Telemedizin“, blickt Jens Reichenbach schon jetzt in die Zukunft. Denn er ist sich sicher: „Die digitale Welt kommt. Schneller als wir alle denken.“ Die Daten auf dem Modul können vom Patienten beim Verlassen im Übrigen ganz einfach mit einem Klick auf „Alle Daten löschen“ gelöscht werden. Schon steht es dem nächsten Patienten mit den Werkseinstellungen zur Verfügung.

Mit dem Produkt hat sich die Firma Greiner auch für den Innovationspreis Baden-Württemberg beworben. Wichtiger als Preise ist dem Unternehmen jedoch eines: Dass ihr Produkt den Menschen die Zeit in einer Klinik und bei lang anhaltenden Therapien erleichtert und isolierten Personen den Kontakt mit ihren Liebsten ermöglicht. Denn dies, so Reichenbach: „Sollte in unserer heutigen Zeit einfach überall möglich sein.“