Auch Blumen in Privatgärten helfen den Bienen auf den Fildern im Überlebenskampf. Foto: Alexandra Kratz

Glyphosat sei nicht schuld am Bienensterben, sagt ein Experte der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim. Eher sei es die Gesamtheit der Unkrautvernichter und der Preisdruck auf Agrarprodukte, der die blühende Vielfalt aus den Feldern treibt.

Filder - Glyphosat ist in aller Munde. Ist der radikale Unkrautvernichter der Hauptverantwortliche des Insektensterbens, und wird nach dem Verbot des Mittels alles wieder gut auf den Feldern der Filder und anderswo? Der promovierte Biologe Klaus Wallner von der Landesanstalt für Bienenkunde in Hohenheim kommt jenseits der aufgeregten Diskussion zu einem differenzierteren, aber noch beunruhigenderen Bild. „Man spritzt Glyphosat nicht in eine blühende Kultur, weil alles, was grünt, abstirbt. Deshalb ist Glyphosat für Bienen uninteressant“, sagt der Experte.

In der jüngsten Zeit seien lediglich zwei Ausnahmen bekannt geworden, sagt Wallner. „Im ersten Fall hat man im Allgäu damit illegal auf 20 Hektar Fläche eine mit Löwenzahn blühende Wiese abgespritzt.“ Dies sei nur bekannt geworden, weil sein Institut eine hoch belastete Honigprobe zur Analyse erhalten habe. „Wir haben dann natürlich nachgeforscht, wie es dazu kommen konnte.“ Der zweite Fall habe sich in Ostdeutschland zugetragen. „Dort wachsen sehr viele Kornblumen, die für Bienen ganz fantastisch sind. Um Getreide besser ernten zu können, hat man sie mit Glyphosat bekämpft, was mittlerweile verboten ist. Auch dort war der Honig schwer belastet.“

Immer mehr landwirtschaftliche Flächen sind steril

Wäre der Verzehr des Honigs für Menschen schädlich gewesen? „Das weiß noch niemand“, sagt der Biologe. Die Qualität des Honigs werde ebenso kritisch gemessen wie Trinkwasser. Im Honig habe Glyphosat den zugelassenen Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kilogramm. „Das ist im Verhältnis so viel wie 50 Schwaben, die in Indien ihren Urlaub verbringen“, sagt Wallner. Es könne noch vorkommen, dass man Pflanzkartoffeln mit Glyphosat abspritze: „Damit will man verhindern, dass zum Beispiel Läuse, die in die Knollen wandern, dort Krankheiten übertragen. Über diesen Weg könnte man auch Probleme bekommen.“ Insgesamt betrachtet sei Glyphosat untauglich, um es mit dem Bienensterben in Verbindung zu bringen: „Man hat in der öffentlichen Diskussion die Biene als Mittel entdeckt, um Politiker gegen Glyphosat zu mobilisieren.“

Ist damit also alles gut? „Man müsste die Rolle der anderen Unkrautvernichter, die in blühende Kulturen eingebracht werden, diskutieren“, sagt Wallner. Diese Mittel seien Standard gegen sogenannte Unkräuter. „Wir bekommen immer größere landwirtschaftliche Flächen, die steril sind. Aus der Sicht von Bienen, Schmetterlingen und Wildbienen sind das Barrieren, die sie nicht überschreiten können. Deshalb verschwinden sie.“ Man brauche gar keine Insektenvernichter mehr.

Den Landwirten macht Wallner keinen Vorwurf. „Sie brauchen die größeren Flächen, um dem Preisverfall ihrer Produkte entgegenzuwirken.“ Dieser komme durch den Druck der konkurrierenden Handelsketten und den Wunsch der Verbraucher zustande, möglichst wenig für Lebensmittel zu bezahlen. „Dies führt überall zu größeren Betrieben mit weniger Kulturen.“

Mit der Abkehr vom Heumachen greife man massiv in die Wiesen ein und verhindere dort die von den Insekten geschätzte blühende Vielfalt zugunsten einer zunehmenden Gräser-Dominanz: „Auch diejenigen, die zum Beispiel auf Streuobstwiesen selbst in den Hanglagen noch das Gras mähen, tragen damit zum Verlust der Artenvielfalt bei.“

Die Konzentration auf Glyphosat als angeblichen Verursacher ändere an all diesen Zuständen nichts. In der öffentlichen Diskussion seien eben „lustige Leute“ unterwegs, unter anderem „Gutachter, die von Landwirtschaft keine Ahnung haben“. Auch im Internet wimmele es von selbst ernannten Experten: „Es fröstelt einen, wenn man liest, was sie von sich geben.“

Wer etwas Gutes tun will, soll reichlich Blumen pflanzen

Die alljährlich prächtig blühenden Streuobstwiesen gehören ebenso zur Kulturlandschaft der Filder wie die Felder mit dem Spitzkraut. Der Bonlandener Walter Hartmann, ein promovierter Biologe, renommierter Züchter von Zwetschgensorten und wissenschaflicher Mitarbeiter an der Universität Hohenheim, widerspricht Klaus Wallner in Sachen Mähen der Streuobstwiesen. „Sie werden nicht zuviel, sondern eher zu wenig, meistens nämlich nur einmal im Jahr gemäht, meist Ende Juli.“ Man müsse auf den fruchtbaren Filderböden schon gut und gerne zweimal im Jahr mähen. „Anderenfalls drückt das Gras die blühenden Blumen tot.“ Ein anderer Fall seien natürlich die Flächen, von denen das Gras zur Silage genommen werde: „Dort wird mindestens sechsmal im Jahr gemäht.“

Am Anfang der Obstbaumblüte seien Unmengen von Bienen unterwegs gewesen. „Dann waren sie auf einmal weg, weil sie in die Rapsfelder gegangen sind.“ Das sei nicht weiter schlimm: „Bienen fliegen völlig unsystematisch herum. Auf diese Weise genügen schon ein paar von ihnen, um die Blüte eines Baumes zu bestäuben.“ Die sehr gute Obsternte in diesem Jahr bestätige dies. Auf den Streuobstwiesen seien ihm auch zahlreiche Wildbienen aufgefallen. „Glücklicherweise finden die Bienen auf den Fildern immer wieder einen Ort, an dem etwas blüht. Dazu zählt auch die Heide bei der Filderklinik.“

Auch die Blumen in den privaten Gärten sind nach den Worten von Walter Hartmann als Nahrungsquelle für Insekten nicht zu unterschätzen. Wer Bienen, Hummeln und Schmetterlingen etwas Gutes tun will, soll reichlich Blumen pflanzen. So sei zum Beispiel der Lavendel in Insektenkreisen geschätzt; und im Spätsommer, wenn schon fast alles verblüht sei, dann eigneten sich die Herbstastern als Bienenweide.