Der Angeklagte ist freigesprochen worden. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Ursprüngliche Annahmen um Feuer in Marbach haben sich bei Gericht nicht sicher klären lassen.

Marbach - Zu viele Punkte blieben im Dunkeln – aus diesem Grund endete das Verfahren um den Brand in der Asylunterkunft am Marbacher Bahnhof im vergangenen Jahr nun mit einem Freispruch und einer Entschädigung für den Angeklagten. So hatte keiner der Zeugen vor Gericht zweifelsfrei bestätigen können, dass der 25-Jährige – und nicht etwa sein ihm sehr ähnlich sehender Zwillingsbruder – in der Brandnacht vor Ort war. Bei dem Feuer Ende August vergangenen Jahres brannte ein Flügel der Flüchtlingsunterkunft so stark, dass er abgerissen werden musste. Zwei Bewohner und ein Feuerwehrmann erlitten leichte Verletzungen

„Die ursprünglichen Annahmen, das Feuer sei durch ein Kochfeld im Zimmer der Brüder und dort durch den Angeklagten ausgelöst worden, ließen sich in der Beweisaufnahme nicht sicher klären“, begründete der Vorsitzende Richteram Landgericht Heilbronn, Thomas Berkner, am Freitag das Urteil. Vielleicht sei ja eine dauerhafte Behandlung in einer geschlossenen Psychiatrie für den Angeklagten selbst und für die Allgemeinheit eine Hilfe, jedoch „kann das Strafrecht auch nicht alle Probleme lösen“.

Anstatt dauerhaft in einer geschlossenen Einrichtung für psychisch kranke Menschen untergebracht zu werden, wie die Staatsanwaltschaft noch zu Beginn des Verfahrens beantragt hatte, verließ der 25-Jährige als freier Mann den Gerichtssaal und wird vom Staat für die mehr als siebenmonatige Unterbringung seit seiner Inhaftierung Mitte November 2019 in einer solchen Einrichtung entschädigt.

Statt auf die Fragen des Richters zu antworten, wiederholte der Zwillingsbruder bei seiner Anhörung im Gerichtssaal immer wieder „mein Bruder braucht Hilfe“. Seine Krankheit, die nach einer Verhaftung in der Heimat begonnen habe, bringe ihn sehr durcheinander, manchmal erkenne er ihn nicht. „Mein Bruder ist ein guter Mann, die Leute verstehen unsere Geschichte nicht.“

Das Zwillingspaar war mehr als ein Jahr von seiner Heimat Gambia aus unterwegs, um schließlich von Italien aus übers Mittelmeer nach Deutschland zur Schwester in Bremen zu gelangen. Die Behörden brachten die Beiden jedoch zunächst in Karlsruhe und später in Kornwestheim unter, wo es bereits einen ungeklärten Fall von Brandstiftung mit den beiden als Verdächtigen gab. Nach dem Brand in Marbach kamen die Brüder in Besigheim unter, wo ebenfalls ein Rauchmelder Alarm schlug und ein Sicherheitsmann den Qualm im Zimmer rechtzeitig entdeckte.

Unklare Aussagen machten nicht nur die Heimbewohner, sondern auch der Bruder des Angeklagten. Hatte er in der Tatnacht den Ermittlern geschildert, er sei wegen des Rauchs im Zimmer der Unterkunft aufgewacht und habe es verlassen, sein Bruder sei da nicht im Raum gewesen, beteuerte er am Freitag vor Gericht, bei Freunden in Benningen gewesen zu sein. Dies hatte jedoch der Angeklagte exakt von sich selbst behauptet. Entnervt stellten die Prozessbeteiligten daraufhin die weitere Befragung des Zeugen ein.

Ganz eindeutig war dagegen der psychiatrische Gutachter: „Der Angeklagte leidet zweifelsohne an einer paranoiden Schizophrenie“, fasste Dr. Thomas Heinrich seine Untersuchung des Angeklagten und die Einsicht mehrerer Krankenberichte zusammen. Ohne ausreichende Behandlung dieser dauerhaften krankhaften seelischen Störung könnten ohne Weiteres wieder Probleme auftreten, ist sich der gefragte Gutachter sicher.

Zur Zeit des Brandes war der junge Mann demnach akut psychisch krank und offenbar ohne seine notwendigen Medikamente. Eine Nervenärztin, bei der der Angeklagte seit Mai 2017 unregelmäßig auftauchte, hatte darauf hingewiesen, dass die Krankheit eine engmaschige Betreuung brauche und nicht ambulant behandelt werden könne. Doch der Angeklagte hatte eingeräumt, wenn es ihm durch die Tabletten besser gehe, nehme er die Medikamente nicht weiter ein.

Zum Ende der Beweisaufnahme konstatierte die Staatsanwaltschaft: „Zwar ist der Angeklagte ohne regelmäßige Einnahme von Medikamenten akut eine Gefahr für sich und andere, doch wie es letztlich zu dem Brand kam, konnte auch der Sachverständige nicht aufklären.“ Entsprechend beantragte sie, den Unterbringungsbefehl aufzuheben. Von seiner neuen Freiheit wird der 25-Jährige nicht viel haben: Sein Asylantrag ist seit Längerem abgelehnt, im August könnte die Abschiebung drohen.