Ausfallen muss das abendliche Ramadan-Gebet 2021 zwar nicht. Zum Schutz vor Corona wurde es aber vielerorts stark eingekürzt. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

An diesem Dienstag geht der muslimische Fastenmonat los. Wegen Corona müssen die Gemeindemitglieder im Landkreis Ludwigsburg aber nicht nur auf Speis und Trank verzichten.

Erdmannhausen - Zu Ramadan, erzählt Seyfi Gündüz, Sprecher der Islamischen Gemeinde Ludwigsburg (IGL), kommt man zusammen: Während des muslimischen Fastenmonats, der in diesem Jahr am Abend des 13. April beginnt, verzichten gläubige Muslime tagsüber auf Essen und Trinken, Zigaretten und Geschlechtsverkehr. Wenn aber abends die Sonne untergeht, versammeln sich Familien, Freunde und Gemeinden zum Iftar, dem gemeinsamen Fastenbrechen. In Moscheen wird dann häufig groß aufgetischt, bevor es zum Gebet geht.

„Das ist dieses Jahr unter den Pandemie-Auflagen natürlich nicht möglich“, weiß Seyfi Gündüz. Schon im vergangenen Jahr fiel die Fastenzeit, die entweder 29 oder 30 Tage dauert, in die erste Corona-Welle. Dieses Jahr sieht es nicht anders aus. In Moscheen können Gemeindemitglieder aktuell ohnehin nur unter Einschränkungen beten: Die rituelle Waschung vor dem Gebet muss zuhause vorgenommen werden, jeder muss einen eigenen Teppich mitbringen, zwei Meter Abstand und Maske sind Pflicht. Im kommenden Fastenmonat wird vielerorts zusätzlich das Ramadan-Gebet verkürzt, bei der IGL etwa von 20 auf 8 Rak’a, wie die Gebetseinheiten heißen. Was besonders fehlen wird? „Das Beisammensein“, sagt Gündüz.

Jeder Besucher bekommt eine Nummer

Der soziale Aspekt ist neben dem offensichtlichen Verzicht ein wichtiger Teil des Fastenmonats. Auch bei der Türkischen Gemeinde Erdmannhausen kommt man in der Regel zum gemeinsamen Fastenbrechen zusammen. „Das ist dieses Jahr nicht gestattet“, bestätigt Vorstandsmitglied Taner Meral. Auch hier finden die täglichen Gebete sowie das Nachtgebet während Ramadan nur mit den nötigen Hygiene-Maßnahmen statt. So habe man im Gebetsraum Bereiche abgesteckt und nummeriert, jeder Besucher bekommt dann eine Nummer zugeteilt und darf sich nur im jeweiligen Bereich aufhalten – 57 Gemeindemitglieder dürfen dabei sein, berichtet Meral.

Neue Seiten des Ramadan entdecken

Auch in der Kornwestheimer Ayasofya-Moschee wird man das Zusammenkommen in diesem Jahr vermissen. „Das Zusammenkommen zu Ramadan ist schon etwas Besonderes“, findet Sprecher und Ehrenvorsitzender Recep Aydin. „Die Menschen verstehen natürlich, warum wir das so machen müssen“, fügt er hinzu. „Aber toll findet es trotzdem niemand.“ Der Besuch in der Moschee und das Zusammentreffen der Gemeinde fehle zwar extrem, sagt auch Canan Balaban, Kornwestheimer Grünen-Stadträtin und praktizierende Muslimin. Wo einige Aspekte der Fastenzeit in diesem Jahr zu kurz kämen, entdecke man aber auch ganz neue Seiten an Ramadan. „Das Nur-bei-sich-sein und die Beziehung zwischen Mensch und Gott werden intensiviert“, erklärt Balaban. „Die Gebete stehen noch mehr im Vordergrund.“ Für das Fastenbrechen am Abend könne zwar nur der engere Familienkreis zusammenkommen. Weil sich Videocalls in der Pandemie aber etabliert hätten, könne man sich zum Iftar auch digital treffen. „Dabei wird dann zum Beispiel der Kontakt zu Familienmitglieder, die im Ausland leben, noch stärker.“ Online könne man etwa auch Koranrezitationen verfolgen. „Ramadan wird digitalisiert“, fügt Balaban hinzu.

Lieferung an ältere Gemeindemitglieder

Um kreative Lösung bemüht sich auch die IGL. Die Fastenzeit ist für Muslime auch eine Zeit des Gebens. Um diese Tradition aufrechtzuerhalten, möchte die IGL zum Iftar eigens zubereitete Speisen an ältere Gemeindemitglieder ausliefern. „Wir können zwar nicht gemeinsam essen, aber die Speisen immerhin an der Tür überreichen“, berichtet Seyfi Gündüz. „Essen zu teilen, macht Ramadan aus.“ In Erdmannhausen sei ein ähnliches Konzept nicht geplant, berichtet Vorstandsmitglied Taner Meral. „Wir sind eine kleine Gemeinde und alle berufstätig“, erklärt er. „So ein Angebot könnten wir gar nicht stemmen.“

Auswirkung auf finanzielle Situation

Dass die Moscheen abseits und während des Ramadans nur bedingt öffnen können, hat auch Auswirkungen auf die finanzielle Lage der Gemeinden: Weil das Geben während des Fastenmonats eine besondere Rolle spielt, fließen in dieser Zeit in der Regel viele Spenden in die Kassen der Gemeinden. „Ein großer Teil dieser Spenden fallen nun weg“, berichtet Meral – „es fällt alles weg.“ Auch andere Einnahmequellen, etwa Veranstaltungen, sind versiegt. Das betreffe nicht nur die Türkische Gemeinde, sondern auch alle anderen Vereine im Ort, sagt Meral. „Wir sind alle schwer betroffen.“ Für das Einsammeln der Spenden müssten nun andere Lösungen her, weiß auch Seyfi Gündüz von der IGL – Kampagnen unter den Mitgliedern der Moschee etwa oder Modelle, bei denen jedes Gemeindemitglied monatlich einen kleinen Betrag spendet.

Mögliche Ausgangssperre bereitet Sorgen

Für die muslimische Gemeinden im Landkreis Ludwigsburg wird es in diesem Jahr ein anderes Ramadan werden, ein ruhigeres vielleicht, eines, das sich auf die Notwendigkeiten beschränkt. Trotzdem gehe er mit „guter Hoffnung“ in die Ramadan-Zeit, sagt Taner Meral. Nur eine Befürchtung bleibt: dass es wieder eine Ausgangssperre geben wird. Aktuell geht die Sonne im Ländle um 20.11 Uhr unter, dann wird gegessen, und erst anschließend kommen die Gemeindemitglieder zum Nachtgebet – mit einer Ausgangssperre ab 20 Uhr nicht möglich. Dann, befürchtet Meral, „sind wir verloren.“