Die Pfarrfamilie Hartmann ist dankbar für die Pleidelsheimer Jahre – und freut sich auf die neue Herausforderung in der deutschen Gemeinde in Lima. Foto: Ralf Poller

Das Pleidelsheimer Pfarrerehepaar Tabea und Samuel Hartmann wird von Herbst an für sechs Jahre in Perus Hauptstadt Lima arbeiten.

Ein Blatt mit den Worten: „Willkommen zuhause“, das von Kinderhand mit bunten Lettern gefertigt wurde, hängt an der Eingangstür. Drinnen im Vorraum muten mehr als zwanzig Paar bunt durcheinander gewürfelte Schuhe an wie eine Installation von Joseph Beuys. Der erste Eindruck stimmt: In dem Pleidelsheimer Pfarrhaus lebt eine vitale Großfamilie. Es ist eine, die sich hier rund acht Jahre lang pudelwohl gefühlt und in der evangelischen Kirchengemeinde viel bewegt hat. Und trotzdem strecken die Eltern, die sich die theologisch-seelsorgerische Aufgabe in den vergangenen Jahren geteilt haben, jetzt die Fühler in Richtung Peru aus: Dort wird das Ehepaar ab Oktober in der deutschsprachigen Gemeinde in Lima arbeiten und hofft, viele nachhaltige und schöne Impulse zu setzen.

Richtiger Zeitpunkt für Veränderung

Dieser emotionale Widerspruch beschäftigt nicht zuletzt das Pfarrerehepaar Tabea und Samuel Hartmann selbst. „Wir haben es sehr genossen, was wir mit den Menschen hier entwickeln konnten, und sind dankbar für diese offene, fröhliche Atmosphäre, die wir hier erleben. Es wurden viele Weichen gestellt. Gerade deshalb ist ja der Schmerz so groß“, führt Samuel Hartmann an. Kein Wunder also, dass das Ehepaar von den Reaktionen ihrer Gemeindeglieder förmlich überschwemmt wurde: „Wir haben seit Bekanntwerden der Tatsache so viele liebevolle und schöne Botschaften erhalten, dass es mir immer wieder die Tränen in die Augen treibt“, erklärt dazu Tabea Hartmann, die sich über die folgende Nachricht offensichtlich besonders gefreut hat: „Ihr macht es genau richtig, ihr traut dem Leben etwas zu“.

Es ist genau diese Form von Urvertrauen dem Leben gegenüber, die sich auch während des gesamten Gesprächs zeigt und das Tabea Hartmann auch für die ganze Familie markiert: „Wir trauen Gott das zu, dass, wenn wir uns aufeinander einlassen, wir immer etwas Tolles erleben werden“. Und ihr Mann ergänzt: „Wir spüren, dass Gott da ist. Das macht es uns leichter, so einen Schritt zu wagen“. Dass es zudem der richtige Zeitpunkt sei, weil „wir beide nun vierzig und mit Blick auf die eigenen Eltern relativ ungebunden sind, weil diese noch sehr fit sind“, das verdeutlicht Samuel Hartmann obendrein. Gemeinsam mit seiner Frau Tabea sehnt er sich nach neuen Herausforderungen. „Wir empfinden es als etwas Privilegiertes, wenn man die Möglichkeit bekommt, etwas komplett Neues zu starten“. Für Tabea Hartmann spielt auch die Chance eine Rolle, „gemeinsam als Familie etwas Besonderes zu erleben“. Sie hofft, dass die kommende Zeit in Peru, die für sechs Jahre geplant ist, „das Familienband noch einmal mehr festigt und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. Ich denke, es kann für uns alle ein guter Schritt sein“.

„Die Kinder machen schon Pläne“

Dass es nicht leicht für die Familie sein wird, das als so wohltuend empfundene berufliche wie private Umfeld zu verlassen, daraus machen die Eltern freilich keinen Hehl. Und auch die sechsjährige Lois, die im Herbst eingeschult wird, äußert diesen seelischen Zwiespalt: „Eigentlich freue ich mich auf Lima, aber es ärgert mich schon ein bisschen, weil ich jetzt nicht mit meiner Freundin in die Klasse komme“. Deshalb ist den Eltern wichtig, dass jedem ihrer fünf Kinder die Möglichkeit gegeben wird, sich auf individuelle Weise zu verabschieden. „Die Kinder machen schon Pläne, wie sie ihr jeweiliges Abschiedsfest gestalten wollen“, verrät die Mutter und freut sich über die klaren Vorstellungen der fünf Sprösslinge im Alter von vier bis 13 Jahren. Sorgen bereitet den Eltern allerdings die Frage, wo sie all das unterbringen können, was sie nicht nach Lima mitnehmen können. „Wir suchen deshalb dringend einen trockenen Stellplatz“, sagt Tabea Hartmann.

Von August an Spanisch-Sprachunterricht

Indes lodert die Freude auf die nahe Zukunft und die Chance, in Peru auch ganz andere Persönlichkeitsanteile bedienen zu können, bereits kräftig in den Herzen der Eltern. „Wir sind gespannt, wie die deutsche Gemeinde in Lima funktioniert und welche Bedeutung sie für die Gesellschaft vor Ort haben kann – auch auf die Zukunft hin“, sagt Pfarrer Hartmann. In einer Stadt, die einerseits als wichtigstes Industrie- und Handelszentrum Perus gilt und wo andererseits rund ein Viertel aller Peruaner in Elendsvierteln lebt, wollen die Hartmanns auch kulturelle Brückenbauer sein. „Denn es gibt inzwischen viele Mischehen“. Doch die beiden haben weitere ambitionierte Ziele: „Wir wollen schauen, was wir mit unserer Arbeit für die Menschen in Lima tun können, möchten ein Teil von ihnen sein und unsere Kraft und Ideen einbringen, um miteinander die Christuskirche zu gestalten“, betont Tabea Hartmann, die gemeinsam mit ihrem Mann aus mehreren Bewerbern für das Amt ausgewählt wurde. Damit die Verständigung klappt, wird das Paar bereits von August an Spanisch-Sprachunterricht erhalten, um sich dann mit „offenem Herzen darauf einzulassen, dass man auch völlig anders als in Deutschland leben kann“.