Je genauer die Angaben auf dem Etikett, desto besser der Wein – diese Faustregel gilt fürs neue EU-Recht zur Bezeichnung. Foto: Sandra Brock

Durch die Neuregelung soll das Profil der jeweiligen Weine geschärft und gestärkt werden. Doch bis dahin sind noch einige Hürden zu nehmen.

Marbach und Region - Weinetiketten richtig zu lesen, ist eine Wissenschaft für sich. Denn es gibt zwar Vorgaben, was darauf stehen muss, doch zusätzliche freiwillige Angaben sorgen oft für mehr Verwirrung als Klarheit. Vor allem, wenn dann noch ausländische Weine ins Spiel kommen. In Frankreich, Spanien und Italien gilt: Je genauer die Herkunft eingegrenzt ist, desto hochwertiger ist in der Regel auch der Wein. Dies soll künftig EU-weit und damit auch in Deutschland gelten. Bis einschließlich des Erntejahrgangs 2025 gilt eine Übergangsfrist, auch für ortsübergreifende Einzellagen.

Für die Winzergenossenschaften ist das eine besondere Herausforderung, erklärt Immanuel Gröninger, Vorstandsvorsitzender der Bottwartaler Winzer: „Wir haben Premiumweinberge in unterschiedlichen Lagen – und wir wollen unser Sortiment ja nicht unendlich erweitern und beispielsweise in Harzberg Riesling, Lichtenberg Riesling und so weiter aufteilen.“ Wichtig sei, dass man genügend Zeit für die Umstellung habe: „Bei Genossenschaftsweinen kommt der Kunde in der Regel nicht auf den Hof, wo man manches erklären kann, sondern kauft im Getränkemarkt oder im Supermarkt ein.“

„Weinbauverband rennt nur den Privatweingütern hinterher“

Die Umstellung auf das neue Weinbezeichnungsrecht ist offenbar einer der Gründe dafür, warum der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) als Vertreter der Genossenschaften seine Mitgliedschaft beim Deutschen Weinbauverband Ende Juni gekündigt hat. Man wolle „neue Wege gehen, um die Interessen unserer Winzer- und Weingärtnergenossenschaften bestmöglich zu vertreten“, wurde DRV-Hauptgeschäftsführer Henning Ehlers in einer Pressemitteilung zitiert. Immanuel Gröninger betont, außer beim neuen EU-Recht seien „auch andere Dinge nicht optimal gelaufen“. Der Vorstandsvorsitzende der Marbacher Weingärtner, Matthias Hammer, wird deutlicher: „Der Deutsche Weinbauverband rennt nur den Privatweingütern hinterher, die aber gar nicht viel produzieren.“ Auf solche Vorwürfe und den Austritt des DRV hat der Deutsche Weinbauverband mit Unverständnis, gegenteiligen Erklärungen und Bedauern reagiert.

Was ändert sich bei den Weinen?

Wer eine Marbacher Neckarhälde kauft, nachdem das neue Weinbezeichnungsrecht in Kraft getreten ist, kann sicher sein, dass mindestens 85 Prozent der Beeren für den Wein auch tatsächlich auf Marbacher Gemarkung gereift sind und nicht wie bislang auch in Benningen, Affalterbach oder Erdmannhausen. Oder dass ein Wein mit der Bezeichnung „Großbottwarer Wunnenstein“ ein echter Storchenstädter ist. Bislang war es egal, in welcher Gemeinde im Bottwartal die Reben stehen. Doch künftig soll es keine Leitgemeinden-Regelung für die Großlagen mehr geben. „Wir sind uns noch nicht ganz schlüssig, wie wir das künftig regeln“, sagt Gröninger. „Angedacht ist, künftig unsere Marke einfach mit der Rebsorte zu ergänzen, ohne Lagenbezeichnung.“ Damit hieße der Wein dann beispielsweise Bottwartaler Winzer Trollinger. Gröninger ist überzeugt, dass der Verbraucher davon gar nicht so viel merken werde. „Er findet seine Weine wieder.“

Von den Trauben, die an der Kelter der Marbacher Weingärtner angeliefert werden, stammen nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Matthias Hammer etwa 30 Prozent tatsächlich aus der Schillerstadt. „Bei den meisten Sorten wird das neue Weinbezeichnungsrecht keine großen Konsequenzen haben, da wir fast jede Rebsorte in ausreichender Menge haben“, sagt Hammer. Was die Etiketten betrifft, so hält es Hammer für das einfachste, die Ortsbezeichnung wegzulassen und die Marke zu stärken, also beispielsweise einen „Don Carlos Lemberger“ zu verkaufen. Neckarhälde dürfe nach wie vor aufs Etikett, nur das „Marbacher“ müsse entfallen, wenn die Trauben nicht zu mindestens 85 Prozent von dort stammten. Ein Sonderfall ist der Mundelsheimer Käsbergkeller. „Wir haben jetzt schon Einzellagen. Wo Käsberg draufsteht, ist 100 Prozent Käsberg drin, nicht nur 85 Prozent“, macht der Geschäftsführer Marian Kopp deutlich.

Das Profil der Weine schärfen

Doch was ist der Grund der neuen Vorgaben für die Weinetiketten? „Die EU will damit die Profile der Herkunft stärken“, sagt Annette Fiss, Referentin für Weinwirtschaft im Raiffeisenverband. Eine „gigantische Aufgabe“ komme bei dem neuen Weinbezeichnungsrecht den sogenannten Schutzgemeinschaften zu, so Fiss. Sie können individuell neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen weitere Punkte festlegen wie beispielsweise „Ortsweine nicht in Literflaschen“ oder „Lagenweine nur mit Maische-Gärung“, erklärt Immanuel Gröninger. Dieses Gestaltungswerkzeug solle man nutzen, betont Annette Fiss. Bislang allerdings ist das Interesse der Württemberger Winzerschaft an ihrer Schutzgemeinschaft sehr gering.